Martin Compart


WEISE WORTE: JÖRG FAUSER ÜBER JAMES HADLEY CHASE UND SEINE DEUTSCHEN KRITIKER by Martin Compart
8. Oktober 2021, 5:09 pm
Filed under: Buchbranche, James Hadley Chase, JÖRG FAUSER, thriller, Weise Worte | Schlagwörter: , ,

„Tempo, Action, Spannung: staunend stehen die Hohenpriester unserer Literaturkulte jedesmal vor diesen Instrumenten aus dem Handwerkskasten des Erzählens, als wären sie Kargos aus einer fremden Zivilisation, an die Gestade unserer Inseln geschwemmt wie ein böser Hokuspokus, den es zu entzaubern gilt… man kann sich ja ausmalen, wie die psychopathischen Killer und machtgierigen Frauen, die das Gros seiner Figuren darstellen, auf die machtgierigen Psychopathen, die das Gros der Literaturkritiker darstellen, gewirkt haben müssen…

Er sei, hat Chase immer wieder beteuert, doch nur ein Kaufmann, der mit Geschichten handle wir andere mit Südfrüchten. Gerade solche Äußerungen reizen die Verächter seiner Geschichten hierzulande bis aufs Blut, und nichts belegt ihr schiefes Weltbild besser als die Tatsache, dass sie in der Regel für die Feuilletons von Zeitungen arbeiten, in deren Wirtschaftsteil von nichts anderem die Rede ist als von dem, was die Protagonisten des Geschichtenhändlers Chase umtreibt: dem großen Geld.“

(aus: DER MANN, DER DAS 20.JAHRHUNDERT LIEBTE, Nachwort zu EVA von J.H.Chase, Ullstein, 1985)

James Hadley Chase venu signer son dernier roman ‚La Blonde de Pékin‘ à l’Elysée Store sur les Champs-Elysées à Paris, France le 7 avril 1966. (Photo by Keystone-FranceGamma-Rapho via Getty Images)



J.ROBERT JANES UND DIE NAZIS IN FRANKREICH by Martin Compart
1. Oktober 2021, 6:01 pm
Filed under: Nazi, Noir, NOIR-KLASSIKER, Porträt | Schlagwörter: , , , , , ,

Einige Krimi-Fans, die ich getroffen habe, sagten mir, sie seien wegen der Vichy-Romane von J.Robert Janes dazu übergegangen, Kriminalliteratur nur noch auf Englisch zu lesen. Denn nachdem die Dumont-Noir-Reihe nicht mehr fortgesetzt wurde, war auch die Publikation dieser Serie in Deutschland beendet. Mir ist auch aufgefallen, dass Janes Dumont-Romane in den Antiquariaten relativ teuer gehandelt werden. Nun ist Janes auch im englischsprachigen Raum kein Bestseller-Autor, aber er hat sich eine Gemeinde erschrieben, in der seine Vichy-Serie Kultstatus genießt (weshalb er sie über die geplanten 10 Bände fortgesetzt hat). Um an ihn zu erinnern und ihn zu würdigen, hier noch mal mein Nachwort zu Dumont-Noir Bd.10 SALAMANDER (mit allen zeitbedingten Überholtheiten).

IM ZWIELICHT VON VICHY

I.
Historische Romane haben seit Jahrzehnten Konjunktur. Wobei besonders historische Kriminalromane sich augenblicklich großer Beliebtheit erfreuen.
Alles begann mit Melville Davidson Posts UNCLE-ABNER-Geschichten, die im wilden Virginia Anfang des 19.Jahrhunderts spielten und ab 1918 veröffentlicht wurden.
In den 40er Jahren entdeckten Autoren wie Agatha Christie, John Dickson Carr und Lillian de la Torre (ihre wunderbaren Geschichten über Dr.Johnson warten noch auf eine deutsche Veröffentlichung) die faszinierenden Möglichkeiten dieses Subgenres, als dessen Höhepunkt gerne THE DAUGHTER OF TIME von Josephine Tey genannt wird.

Einen erneuten Push bekam das Genre Anfang der 70er Jahre mit dem Sherlock-Holmes-Revival (ausgelöst durch Nicholas Mayers THE SEVEN-PER- CENT-SOLUTION, 1974). Anfang der 80er Jahre wurden Ellis Peters Bruder Cadfael-Romane, Ann Perrys Viktorianische Krimis und vor allem Umberto Ecos DER NAME DER ROSE zu Bestsellern und Welterfolgen. Seitdem vergeht keine Woche, in der nicht ein Detektivroman über das alte Rom, die Renaissance, das Mittelalter oder eine sonstige Epoche erscheint.

Der Noir-Roman entdeckte die historische Perspektive relativ spät über den Umweg des Polit-Thrillers, der historische Ereignisse oder Persönlichkeiten in den Mittelpunkt stellt (etwa Frederick Forsyths DAY OF THE JAKAL oder Ken Folletts EYE OF THE NEEDLE).
Drehbuchautor Andrew Bergman schrieb 1974 mit THE BIG KISS-OFF 1944 den ersten von zwei Romanen, die im Hollywood der 4oer Jahre spielen. Stuart M.Kaminsky begann ein Jahr später mit seiner Serie um den Hollywood-Privatdetektiv Toby Peters, der es in jedem Fall mit einem anderen Hollywood-Star aus den 40ern zu tun hat. 1975 veröffentlichte Joe Gores seine Hommage an den Urvater: HAMMETT.
Ed Mazzaro schrieb in dieser Zeit ebenfalls einige Romane, die in den 30er Jahren spielten.
Einen weiten Schritt nach vorne machte das Subgenre 1983 mit Max Allan Collins‘ erstem Nate-Heller-Roman TRUE DETECTIVE. Collins untersucht durch seinen Detektiv in jedem Roman ein wahres Verbrechen und bereitet das bekannte Faktenmaterial so kunstvoll auf, daß man ihn heute als den absoluten Großmeister des Genres bezeichnen muß. An diesem Status kratzt nicht einmal James Ellroy mit seinem durchwachsenen L.A. Quartett oder AMERICAN TABLOID.

Während das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg immer ein sehr beliebter Hintergrund für Spionageromane und Polit-Thriller war, sparte der historische Detektiv- oder Noir-Roman diesen düsteren Zeitabschnitt aus.

Es ist kaum zu glauben, aber ausgerechnet in diesem kriminalliterarischen Segment wurde der Klassiker von einem deutschen Autor geschrieben!

Der unterschätzte und zu Unrecht in Vergessenheit geratene Hans Hellmut Kirst veröffentlichte 1962 den Noir-Roman DIE NACHT DER GENERALE, der zum Teil im besetzten Frankreich spielt und die Spur eines Serienkillers durch den Zweiten Weltkrieg bis in die Nachkriegszeit verfolgt. Der Roman (der einiges aus dem James Hadley Chase-Roman THE WARY TRANSGRESSOR „übernommen“ hatte und dies in den credits der Verfilmung auch zugeben musste) war damals ein großer Erfolg, erschien sogar in den USA und wurde von Anatole Litvak mit Peter O’Toole und Omar Sharif nach einem Drehbuch von Joseph Kessel 1966 als britisch-französische Co-Produktion verfilmt.
Kirst schrieb noch andere bemerkenswerte Kriminalromane, darunter die München-Trilogie über Skandale und Korruption auf höchster Ebene. Bei uns schmählich missachtet – auch von der deutschen Krimi-Szene -, ist er der einzige deutsche Autor, der Eingang in das Standardwerk TWENTIETH CENTURY CRIME WRITERS gefunden hat.


1989 legte der schottische Schriftsteller Philip Kerr mit MARCH VIOLETS seinen ersten Roman vor, der ziemlich noir war: MARCH VIOLETS hatte mit Privatdetektiv Bernie Gunther einen Protagonisten, der im Berlin der Nazis Ende der 30er Jahre ermittelte.

1992 erschien dann endlich mit MAYHAM Robert J.Janes erster St-Cyr und Kohler-Roman, der sich auf einem völlig neuen Niveau mit den Schrecken im besetzten Frankreich auseinandersetzt. Angesichts der gigantischen Verbrechen der Big Player Hitler, Himmler, Goebbels und Co., deren Blutspur sich durch ganz Europa zog, musste jedes noch so perfide individuelle Verbrechen verblassen. Was sind selbst hunderte Opfer eines Brandstifters im Vergleich zu den Massenvernichtungen durch die Nazis? Es ist nicht verwunderlich, dass sich nur sehr wenige Autoren für die „normalen“ Verbrechen im Schatten der Staatsverbrechen interessieren. Denn auch während des 3.Reiches, das individuelle Verbrechen wie jedes totalitäre Regime leugnete, geschahen alltägliche Morde und anderes.

II.
Joseph Robert Janes wurde 1935 in Toronto als mittlerer von drei Söhnen geboren. Als Kind war er ein Einzelgänger, bis er fünf Jahre alt war und den belgischen Knaben Willy aus einer Immigrantenfamilie traf. „Willy war so alt wie ich und sprach kein Wort Englisch. Aber wir verstanden uns trotzdem, gingen gemeinsam ins Kino und spielten Cowboy, Kampfpilot, Pirat usw. Wir lebten unsere kindlichen Phantasien aus, und diese Zeit war wohl wesentlich mitverantwortlich, dass ich Schriftsteller geworden bin.

Nach der Schulzeit studierte er an der Universität von Toronto Geologie und schloss 1958 als graduierter Mineningenieur ab. Er unterrichtete Geologie an der McMasters Universität in Hamilton und an der Brock Universität von St.Catharines, bevor ihn der Ruf der Ölindustrie erreichte.

Einige Jahre arbeitete er als Ölsucher für Mobil Oil of Canada und die Ontario Research Foundation, dann kehrte er zum Lehramt zurück. „Ich sehe mich auch heute noch als Geologe und Mineningenieur. Das verliert man nicht. Die ganze Art und Weise die Dinge zu betrachten, wurde durch meine Ausbildung beeinflußt. Die Fähigkeit, Fakten zu sammeln und auszuwerten, um komplexe Probleme analytisch zu lösen, ist meine wissenschaftliche Grundlage, die mir als Romancier hilft. Ich denke noch immer sehr akademisch.“

Seit 1970 ist er freier Schriftsteller und zu seinem Oevre gehören neben Geologie-Sachbüchern Romane (THE ALICE FACTOR, THE TOY SHOP) und Thriller (THE HIDING PLACE, THE WATCHER), vor allem Detektivgeschichten für Jugendliche (die Rolly-Serie).

1958 heiratete er seine Frau Grace, mit der er bis heute vier Kinder und sechs Enkel hat, für die er „aus dem Stand Geschichten erfindet und erzählt. Das sind die besten Geschichten.“

Wie alle professionellen Autoren ist auch Janes ein harter Arbeiter: „Ich arbeite jeden Tag außer sonntags. Ich beginne morgens um sieben Uhr mit einer Tasse schwarzen Kaffees und Papier und Bleistift. Von meinem Arbeitszimmer sehe ich auf unseren verwilderten altenglischen Garten und denke nach. Etwa um acht Uhr weiß ich, was ich schreiben werde. Mit einer zwanzigminütigen Mittagsunterbrechung arbeite ich bis etwa um fünf Uhr durch; Samstags nur bis vierzehn Uhr. Mein Arbeitszimmer unter dem Dach ist zwar so breit und lang wie das halbe Haus, aber mit Büchern und Papier vollgestopft. Zum Schreiben bleibt mir gerade mal ein Quadratmeter. Die erste Fassung schreibe ich immer mit der Hand. Die Tagesarbeit übertrage ich dann mit meiner IBM-Schreibmaschine. Kein PC! Ich mag diese technischen Erleichterungen nicht, weil sie das eigentliche Schreiben beeinflussen und den Text mit unnötigen Worten aufschwemmen.“

Tatsächlich lässt sich bei einigen Autoren beobachten, wie ihre Bücher plötzlich immer umfangreicher wurden – extrem war das bei Desmond Bagley der Fall – , nachdem sie auf ein PC umgestiegen waren. Janes Bücher sind dagegen nicht sehr umfangreich und stilistisch äußerst effektiv. „Ich sage allen jungen Autoren: Vergesst die Word Processor, PCs usw. Die machen alles zu einfach. Umschreiben und nochmals umschreiben ist das wichtigste bei der Schriftstellerei. Man muß sich quälen.“ Der selige Jörg Fauser, der einen bestimmten Uralttypus Schreibmaschine auch schon mal von einem Schrottplatz geholt hatte, hätte ihm sicherlich zugestimmt.

„Wenn ich den Titel eines Romans habe, beginne ich mit dem Schreiben. Der Titel muss für mich alles enthalten, er ist die Quintessenz des Romans und sollte die Substanz des Buches einfangen. Die Charaktere kommen aus der Story. Es sind Figuren, die für bestimmte Szenen nötig sind, damit ich sie so entwickeln kann, wie es mir nötig erscheint. Aber sie müssen natürlich stimmen und wahrhaftig sein, sonst funktionieren sie nicht. Aber bei mir kommt die Geschichte zuerst, die die Charaktere bedingt. Andere Autoren arbeiten erfolgreich genau umgekehrt.“

Janes Vorbilder und eventuelle Einflüsse sind Autoren, die beim besten Willen nicht der Kriminalliteratur zuzuordnen sind: „Seitdem ich selbst schreibe, lese ich kaum noch fiktionales. Denn ich möchte stilistisch nicht beeinflusst werden, was unweigerlich passieren würde. Zu meinen Lieblingsautoren gehörten John Steinbeck, Scott Fitzgerald, D.H.Lawrence (ein absolutes MUSS!), Edna O’Brien, Sean O’Faolain, John Fowles, Graham Greene und andere.“

III.
Den ersten St.-Cyr und Kohler-Roman, MAYHAM, schrieb Janes in nur drei Monaten. „In der Rohfassung meines Diamanten-Thrillers THE ALICE FACTOR gab es eine lange Passage über das okkupierte Frankreich. Der Verlag meinte, der Roman sei zu lang, und ich warf diesen Teil heraus. Danach schrieb ich einen bis heute nicht veröffentlichten Roman über einen Protagonisten, der sich an seine Zeit im besetzten Frankreich erinnert. In diesem Buch taucht ein unehrlicher Sureté-Detektiv auf. Mein Unterbewusstsein begann sich bereits mit St.-Cyr zu beschäftigen, als ich dieses Buch schrieb. Aber St.-Cyr sollte natürlich in gewisser Hinsicht ein Ehrenmann sein. Damals, durch die Situation bedingt, war so ziemlich jeder mehr oder weniger unehrlich oder ein Gauner. Ich wußte jedenfalls sofort, dass St.-Cyr einen starken Gegenpart braucht. Also kam mir Kohler in den Sinn. Aber ich war während des Krieges aufgewachsen und hatte die Deutschen zu hassen gelernt. Ich fragte mich, ob ich wirklich über einen sympathischen Deutschen schreiben konnte. Wie sollte ich das Einfühlungsvermögen entwickeln, das nötig ist für so eine wichtige und zentrale Figur? Irgendwie gelang es mir. Aber Kohler hatte immer die Tendenz, mir auf dem Papier wegzurennen. Noch heute, neun Bücher später, droht mir Kohler immer wieder zu entgleiten. Ich muß mich sehr intensiv auf ihn konzentrieren.“

Ohne das Tempo der Handlung zu verzögern – jeder St.-Cyr und Kohler-Roman spielt in einem kurzen Zeitraum von einigen Tagen, nie länger als eine Woche – gelingt es Janes das tägliche Leben in dem besetzten Land in die Handlung zu integrieren. Fernab allen dümmlichen Betroffenheitsgelalles zeigt er eindrücklich den alltäglichen Terror der Besatzer und den dauernden Überlebenskampf der einfachen Menschen. Er vermeidet simple Schwarzweißmalerei und zerstört abgedroschene Klischees. Er verdeutlicht geradezu erschreckend, wie wenig wir wirklich darüber wissen. Dabei vermeidet er Sentimentalität, was die Authentizität seiner Bücher erhöht.

Sein souveräner Umgang mit zeitgeschichtlichen Fakten und ihre künstlerische Vernetzung mit der Fiktion ziehen den Leser so intensiv in die Geschichte, das dieser die zeitliche Distanz aufgibt. Er macht die Vergangenheit auch emotional erfahrbar.
Neben seinen gelungenen Charakteren und den sauber konstruierten Plots macht diese atmosphärische Verzahnung von vergangener Realität und Fiktion die Faszination seiner einzigartigen Bücher aus. „Das besetzte Frankreich ist ein faszinierender Hintergrund, und ich entdecke immer wieder etwas neues.“

Gerade die genau recherchierten Details, die Janes unaufdringlich einfließen lässt, verblüffen den aufmerksamen Leser immer wieder. Wie Max Allan Collins gilt auch er als exzellenter Rechercheur, dem es gelingt, genau die richtigen Facts zu finden und zu nutzen. „Wir sprechen über Romane! Man kann auch etwas zu Tode recherchieren, bis mir oder dem Leser die Lust vergeht. Der Trick ist, nur das auszuwählen, was die Story lebendig werden lässt. Schriftsteller sind Jäger und Sammler und registrieren alles was sie lesen, hören oder sehen, um es mal irgendwann zu verwerten. Ich recherchiere dauernd. Die Jagd nach Material geht nie zu Ende. Seitdem ich 1970 mit dem Schreiben begann, habe ich keinen Urlaub gemacht. Nur Recherche-Reisen. Jeder Roman ist anders. Aber inzwischen weiß ich intuitiv, welches Material ich für ihn brauchen könnte. Ich mache eine Menge Notizen, schreibe Seiten nur mit Fakten und Details voll. Jedes Buch muss alleine für sich bestehen können, ohne vom Leser Vorkenntnisse zu verlangen.“

Oft gewinnt man den Eindruck, dass Janes der Atmosphäre seiner Romane alle anderen Elemente unterordnet. Und es sind die verschiedenen, meist düsteren, Stimmungen, die im Leser unauslöschlich haften bleiben. Dabei verlangt er bei der Lektüre einige Konzentration: Sein eigenwilliger Umgang mit dem inneren Monolog, dessen Perspektive abrupt gewechselt werden kann, ist nur effektiv, wenn man sich intensiv auf Stil und Autor einlässt. Janes verlangt den mitdenkenden Leser und macht keine Abstriche an sein literarisches Konzept. Paradoxerweise ist es gerade diese extrem subjektive Erzählerhaltung, die ein objektiv-realistisches Bild der Zeit heraufbeschwört.

Die „Globe and Mail“ verglich einen seiner Romane mit der „glanzvollen Handlung von H.H.Kirsts Klassiker DIE NACHT DER GENERALE“ und SANDMANN wurde sowohl von Publishers Weekly wie der New York Times unter die besten Thriller des Jahres 1997 gewählt. Seitdem seine Romane auch in den USA veröffentlicht werden, ist Janes kein Geheimtipp mehr. Sieben Romane wurden von der Stornoway Productions unter Option genommen. Das Drehbuch zum ersten Roman MAYHEM ist von Ron Base fertiggestellt worden und seitdem sind immer wieder ein Kinofilm wie auch eine Fernsehserie für die BBC im Gespräch.

1. Mayhem (1992)

2. Carousel (1992)

3. Kaleidoscope (1993)

4. Salamander (1994

5. Mannequin (1994)

6. Sandman (1994)

7. Stonekiller (1995)

8. Dollmaker (1995)

9. Gypsy (1997)

10. Madrigal (1999)

11. Beekeeper (2001)

12. Flykiller (2002)

13. Bellringer (2012)

14. Tapestry (2013)

15. Carnival (2014)




ZU UNRECHT VERGESSENE SONGS by Martin Compart

Eines der schönsten Melodramen:

und der wahrscheinlich am besten produzierte und arrangierte deutsche Song:

Und noch der größte Noir-Song:



AYAYAY, AYAYAY, AYAYAY: DIE GEGENWART DER ZUKUNFT DES JÖRG FAUSER von Rolf Giesen by Martin Compart
13. August 2021, 9:42 am
Filed under: JÖRG FAUSER, Rolf Giesen | Schlagwörter: , , ,

Rolf Giesen, bekannt als Dr. Horror, ist der wohl bedeutendste deutsche Experte für den phantastischen Film und Tricktechnik. Er schrieb zahlreiche Bücher zu diesen und anderen Themen, die auch in den USA veröffentlicht wurden. Seine Lehraufträge brachten ihn bis in die Chinesische Volksrepublik, wo er mehrere Jahre unterrichtete.
In der ersten Hälfte der 1980er Jahre war er Filmkritiker beim Berliner TIP-Magazin, für das auch Jörg Fauser arbeitete. Außerdem waren beide Stammautoren für die von mir herausgegebene Reihe „Populäre Kultur“ bei Ullstein.
Wir zogen häufig gemeinsam um die Häuser und bezweifelten gerne bei geistigen Getränken die allgemein anerkannten Interpretationen des kulturellen Lebens in Europa.

MC

AYAYAY, AYAYAY, AYAYAY:

DIE GEGENWART DER ZUKUNFT DES JÖRG FAUSER

von Rolf Giesen

I.

Vor allem hatte Jörg Fauser ein unvergessenes Gesicht, eine Mischung aus Trübsinn, aus Schwermut, einer gesunden Portion Skepsis und jeder Menge Boshaftigkeit, allerdings keiner bösen Boshaftigkeit, sondern einer kindlichen, die sich der Konsequenzen nicht immer bewusst ist und selbst erstaunt über die Folgen. Die Mordswut, die zu haben er behauptete, stand ihm nicht ins Gesicht geschrieben. Sein Lächeln wirkte gequält und verschmitzt zugleich. Schüchtern und angriffslustig: ständig the chip on the shoulders, wie die Amerikaner sagen, nicht direkt the Wild One, wie der Held seiner Brando-Biografie, sondern ein Angstbeißer. Aber genau wie Brando wirkte er verletzlich. Das konnte man in seinen Augen lesen, die ihre Umgebung mit Interesse beobachteten und musterten, ständig auf der Suche nach journalistischem, nach literarischem Futter, das er zu Munition verarbeitete.

Im Gegensatz zu uns, die wir ihn vielleicht noch vor uns haben (was anderes sollte die Menschheit tun angesichts einer bedrohlich in Mitleidenschaft gezogenen Umwelt?), hatte er einen Krieg erlebt, wenn auch nicht bewusst. Er war 1944 geboren, da hat man noch wenig Bewusstsein. Damit gehörte er nicht direkt zur Generation der Nachgeborenen wie wir, aber wir vereinnahmten ihn gern als unseren Pied Piper. Zwei Politiker kamen im selben Jahr zur Welt wie er: Proll-Gerd und Uwe Barschel. Barschels freien Fall hat er nicht mehr erlebt. Und Schröders Aufstieg, den ersten deutschen Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg und eine mit Adolfs, nein: mit Peters Volkswagen ausgeheckte Agenda, die die SPD, seit jeher das „kleinere Übel“, endgültig unmöglich machte, auch nicht. Peter das war Peter Hartz, das war Schröders Niedersachsen-Mafia, in der sich Gestalten wie Carsten Maschmeyer tummelten. Kann, fragte eine Zeitung, kann diese Männerfreundschaft korrupt sein?

1944 war auch das Geburtsjahr von George Lucas, der nach einem Autounfall entschied, nicht Rennfahrer zu werden, sondern Filmemacher, ein milliardenschwer-saturierter, der den Krieg nach Vietnam wieder salonfähig machte: als Cyberkrieg im Weltall, was selbst Ronnie Reagan auf eine Idee brachte, wie man das Reich des Bösen aushebeln konnte. Auch Fauser hatte einen Unfall. Anders als Lucas überlebte er ihn nicht. – und so konnte er die Konsequenzen von Reagans propagandistischer Weltraum-Politik, das Ende der Sowjetunion, nicht mehr miterleben. Der LKW, der ihn am 17. Juli 1987 in München erfasste, in der Nacht, die seinem 43. Geburtstag folgte, war zweifellos stärker als er. Die Vorsicht schwindet, wenn man wütend oder betrunken ist oder beides zusammen.

Fauser ging uns, den missratenen Jungs von Karl Marx, G-Man Jerry Cotton, Mirácoli, Coca-Cola, Rolling Stones, Rattles, Raketenheften, Donald Duck und Hansrudi Wäscher (Zeichner der anatomisch bedenklichen Comic-Hefte Marke Akim aus dem Walter Lehning Verlag), den bedauernswerten Opfern der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften voran in den Tod: unsere Ikone des Schreibens, unser messiah of malice. Zu einem zünftigen Messias gehört notwendigerweise ein gewaltsamer Tod mit nachfolgender Wiederauferstehung.

Wir, seine Jünger, hatten derweil Probleme ganz anderer Natur.

EINSCHUB: Frage in einem Internet-Forum: Wie bekommt man aus alten Comic-Heften den „Müffel“geruch heraus? Für ein Archiv wurden sehr viele Softcover Ausgaben aufgekauft, die fast alle stark müffeln und die anderen „anstecken“. Was ratet Ihr mir?
Wegwerfen!

Aber bitte!

Bei Schimmelgeruch, mit kleinen farbigen Pickeln, so ein Rat, ist schon Vorsicht geboten! Da besteht bei einigen Sorten schon akute Gesundheitsgefährdung beim Einatmen der Sporen.
Im Wetterbericht hoffen sie, dass die durch den Klimawandel mitverursachten Unwetter mal eine Pause einlegen.
Unwillkürlich muss ich an Atlantis denken, den versunkenen Kontinent.
Angesichts des Klimawandels hätten Comic-Hefte sowieso keine Chance. Entweder sie verbrennen, oder das Wasser weicht sie auf und spült sie weg,
Bis dahin, erfahre ich sodann, ist gegen muffigen Geruch folgende Hilfe angezeigt:
Comic in einen verschließbaren Behälter (Plastikbox etc.) geben, dazu reichlich Kaffeepulver. Nach ca. 14 Tagen ist der Geruch verschwunden.
Im Comic-Fandom ist übrigens ein Akim-Messer aufgetaucht, das Anfang der 1950er-Jahre in limitierter Stückzahl von Lehning auf Jahrmärkten unters Volk gebracht worden sein soll. Bevor es für 3000 Euro an einen Dummen versteigert werden konnte, entlarvte es ein beherzter Comic-Kenner übrigens als Fälschung.
Im Medienzeitalter ist es unmöglich, sich auf einen Gegenstand zu konzentrieren. Es fließt eben noch jede Menge Scheiße durchs menschliche Gehirn. Na gut, besser sie verdreckt das Gehirn als die Comic-Sammlung.
Wir hatten es nicht leicht. Ständig fürchteten wir.

Fauser hatte andere Probleme. Er trank sich geradezu in die Unsterblichkeit, bevor ihn die wiedervereinigte Kulturindustrie hätte vereinnahmen und bürokratisieren können, bevor er ein Fettwanst hätte werden können wie Marlon Brando zum Schluss. Fauser glaubte an den jungen Brando, den Unangepassten, und er glaubte auch an Brandos geflügelte Worte: Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden. Tatsächlich hatte ihn der LKW nicht überholt, als er seinen eigenen Weg über die Fahrbahn ging, sondern mitgeschleift.

Womöglich hätte man ihn, wäre er noch am Leben, als Juror zum Bachmannpreis eingeladen, besser noch als Wortführer der Jury, als Nachfolger von Reich-Ranicki, der ihm, als er 1984 in Klagenfurt las, vorgehalten hatte, dass einer wie er nicht dazu gehöre: „Er passt nicht in diesen Wettbewerb. Man sollte einmal deutlich sagen, warum. Nicht deshalb, weil der Text gut oder weniger gut oder schlecht ist. Das ist nicht der Grund. Hier gibt es auch schlechte Texte, die gelesen wurden und wahrscheinlich noch gelesen werden, die sehr wohl in diesen Wettbewerb passen. Er passt nicht in diesen Wettbewerb, weil er geschrieben ist, Herr Fauser, das wird Sie vielleicht überraschen, es ist meine tiefste Überzeugung, ohne den geringsten literarischen Ehrgeiz. Hier haben Sie nichts riskiert, nichts versucht. Sie arbeiten mit Klischees, mit Versatzstücken in der Sprache, in den Motiven, im Schauplatz. Das ist – und da hat Wolfgang Kraus vollkommen recht – eine Literatur einer ganz anderen Ebene.

Mit Kunst hat das nichts zu tun!

Das hat zu tun mit einer Unterhaltungsware, die sehr anständig oder schlecht sein kann, gut gearbeitet, ordentliches Handwerk, weniger ordentliches Handwerk, aber dies zu entscheiden oder zu beurteilen ist unsere Sache nicht. Wir sind für andere Literatur zuständig als diese Geschichte. Deshalb sage ich nur, sie ist gar nicht mal schlecht, sie gehört nur nicht hierher.“

Schwacher Applaus.

Ein anderer Juror lässt sich kurz über die „zynische Dimension von Trivialliteratur“ aus.
Peter Härtling zeigt sich verdrossen.

Walter Jens gibt vor, nichts gegen Unterhaltungsliteratur auf höchster Ebene zu haben, aber hier habe man es mit aneinandergereihten Versatzstücken zu tun und mit einer – wörtlich! – Computerliteratur, die auf Unterhaltung spezialisierte Verlage nicht annehmen würden.

Computerliteratur! Die Schreibmaschine war doch, wie Fauser sagte, sein Maschinengewehr. An der Schreibmaschine wurde er zum Werwolf, verwandelte sich Fausers Jekyll in Hydes Jörg. Maschinengewehre und Schreibmaschinen hämmern. Dieses Gefühl, dieser Takt geht bei der Arbeit am Word processor, wie es damals hieß, verloren: tack-tack, tack-tack.
Eine Schweizer Quotenfrau in der Jury, die älter aussieht als sie ist und außerdem Obermüller heißt, beklagt sich bitter, dass sie als Frau und so weiter und so fort: „Ich hab‘ den Text als Frau gelesen [als was sonst?] und hab mich gefragt, ob mir hier der Autor eine Moral verpassen will, nämlich die, dass ich mich nie von der Seite meines Beschützers entfernen soll, weil ich sonst vergewaltigt werde…“

Frau Klara Obermüller schaut befriedigt in die Runde, aber niemand will sie vergewaltigen. Es tritt auch kein Beschützer auf.
Peter Härtling und Reich-Ranicki kriegen sich vor Lachen nicht ein.

Fauser sitzt die ganze Zeit vor dem Gericht der in Klagenfurt versammelten Literaten der Hochkultur, macht ein bedröppeltes Gesicht und lässt die barschen Worte an sich vorbeirauschen.
Der Angeklagte sollte das letzte Wort haben. Er zog es vor, wortlos abzuziehen.

„Wogegen wir hier sind oder was ich meinte, ist die Unterhaltungsliteratur, die nicht mehr ist als bare Konfektion“, rief ihm Reich-Ranicki nach.

Fauser hatte sie alle satt, die Konfektionäre ebenso wie die Nonkonformisten, wie er in Rohstoff, seinem für mich besten Buch, schrieb – „die Nietenjacken wie die Rollkragenpullover, das Gesabber der einen wie die Standpunkte der andern, Sodom und Gomorrha oder Marxismus-Leninismus, Jacke wie Hose, aber wenn mich schon alle anstarrten, wo ich mich hinsetzen würde, dann nahm ich doch lieber bei denen Platz, die keinen Bausparvertrag, kein Parteitagsmandat und keine politische Illusion mehr zu verlieren hatten, nur noch ihre Backenzähne.“

Endlich, fand ich, gehörte ich dazu. Ich fühlte mich verstanden. Auch mir wurde der Eintritt zur Vordertür verwehrt. Auch ich wurde, unterhaltungsbeflissen mit Comics, Gruselfilmen und Pommes frites rot weiß gefüttert, zur Hintertür verwiesen.

Mir fehlten sogar zwei Backenzähne.

Rohstoff war der Sprengstoff, auf den wir Zukurzgekommenen des Wirtschaftswunders gewartet hatten, um uns den Weg zur Vordertür freizukämpfen.

Fauser war, so seltsam das klingen mag, der Katalysator zum Verständnis auch unseres eigenen Lebens, der Nachkriegsgeneration, ihrer Unterhaltungsmusik, ihrer Unterhaltungsfilme, ihrer Unterhaltungscomics, ihrer Unterhaltungsdrogen und ihrer eher weniger geistigen Getränke, ja, des deutschen Nationalcharakters überhaupt, der reichlich grenzwertig ist.

Für uns Jungen war, ehrlich gesagt, nicht Letztes Jahr in Marienbad das Größte, sondern Peblum: Herkules, Samson & Odysseus, das Nonplusultra des Sandalenfilms, 1963 von Pietro Francisci gedreht. Pietro Francisci, der Regisseur, hatte die Muskelmann-Serie mit Steve Reeves als Herkules aus der Taufe gehoben. Er war ein kleiner, dicker Mann (mit Jura-Examen), für den die kommerzielle Seite der Filmkunst keine Schande bedeutete. Nicht einmal die einsfünfzig, die wir jeden Sonntag unseren Alten für die Jugendvorstellung abgeluchst hatten, verachtete er. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Er war eben ein echter Lateiner, der, anders als seine Kollegen von der Novelle vague oder vom Jungen Film, wusste: Non olet!
Und die Alten waren froh, uns für zwei, drei Stunden loszuwerden und ihr schlechtes Gewissen dazu, an das wir sie bei Bedarf erinnerten, also mindestens zweimal in der Woche. Jaja, Krieg und Drittes Reich. Den Leichengeruch hatten sie wahrgenommen, aber gewusst… nein… und bitte nicht daran erinnert. Dann lieber einsfünfzig Schweigegeld.

Die Mädchen hatten derweil ihr eigenes Reich: Tausend Takte Übermut, Vinylschallplatten, Roy Black, Eisdielen, wo sie uns auflauerten, ganz früher in Petticoats. Damals waren sie noch schlank dank Hula-Hoop-Reifen. Jede zweite hieß Manuela. Geradezu hysterisch wurden einige von ihnen, als die Beatlemania aufkam.

Nur Frau Obermüller war nicht dabei.

Schreibend habe ich Fauser natürlich nicht erlebt, redigierend, ja, beim Tip-Magazin in West-Berlin, wo ich ihm meine Artikel über Fantasy- und SF-Filme in die Hand drückte, und trinkend, oft im Duo mit dem trinkfesteren Ullstein-Lektor Martin Compart, mit dem er um die Häuser zog. An der Ecke Pestalozzi-, Krumme Straße (in der Krummen fiel am 2. Juni 1967 der Todesschuss auf Benno Ohnesorg, hier wohnte Fauser eine Zeitlang), frequentierten sie das Martini-Stübchen, das es heute nicht mehr gibt, ebenso wenig wie das merkwürdige West-Berlin der Provinzpolitiker Eberhard Diepgen und Heinrich Lummer, Tag und Nacht geöffnet, das zeitweilig Fausers geliebt/gehasstes Zuhause war.
Wir tranken doch alle. Leben hieß trinken. Die einen vertrugen mehr, die anderen weniger, wieder andere gar nichts. Das gehörte dazu. Hemingway, Dashiell Hammett, Raymond Chandler und der ganze Pöbel – man befand sich in der erstbesten Gesellschaft.
Ich lege gerne jeden Gerass und Walserrr beiseite und nehme mir dann lieber einen Fauser-Text vor und genieße die unterhaltende literarische Konfektion wie einen Roman von Charles Bukowski oder Henry Miller: eine zeitlose Schreibe, wie sie natürlich nicht ins spießbürgerliche Kärnten gehört. Ich fühle mich dann wieder jung, jetzt, da ich alt und selbst auf der Zielgeraden bin, die unweigerlich in irgendeine Versenkung führt, die man Grab nennt.

FORTSETZUNG FOLGT



Stones-Buch + Erinnerungen an Jörg Fauser als Bonustrack by Martin Compart



STONES! by Martin Compart
23. Mai 2020, 7:27 pm
Filed under: ACHIM REICHEL, JÖRG FAUSER, MUSIK, Rolling Stones, Sekundärliteratur | Schlagwörter: ,

Näheres bei Zerberus.

Mit Erinnerungen an Jörg Fauser als Bonustrack.

 

 

EPSON MFP image

Keith Richards by Helmut Wenske, 2011.

 

https://www.amazon.de/s?k=martin+compart&i=stripbooks&__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=3IOZ0Z0M06E0C&sprefix=martin+com%2Cstripbooks%2C219&ref=nb_sb_ss_i_1_10

Zerberus_Banner_04.10.19



ZU UNRECHT VERGESSENE SONGS – IHR LÄCHELN WAR SO ALLEIN by Martin Compart
19. April 2020, 7:19 pm
Filed under: ACHIM REICHEL, JÖRG FAUSER | Schlagwörter: , , ,

Einer der besten Love-Songs aller Zeiten:

Wo hat Fauser immer diese Lyrics hergeholt? Und wer – außer Keith – hat solche Riffs drauf?



„RATTLE REKRUT REICHEL“ by Martin Compart
6. Dezember 2019, 10:45 am
Filed under: ACHIM REICHEL, JÖRG FAUSER, MUSIK, Porträt | Schlagwörter: , , , ,

Dies ist ein Auszug aus meinem Buch 2000 LIGHTYEARS FROM HOME – EINE ZEITREISE MIT DEN ROLLING STONES, stark überarbeitete Neuausgabe demnächst bei ZERBERUS).

.
.
.
.
.
.

Aus dem Kapitel über die 1960er.

Von nun an ging es Schlag auf Schlag!

Jede Woche war was Neues zu entdecken: Kinks, Troggs, Hollies, Manfred Mann, Procol Harum, Animals… Finanziell nicht zu bewältigen. Also sprach man sich ab: Du kaufst die, ich kauf die. Dann tauschen, wenn man die Single hundert Mal in der Woche gehört hatte.
Meine Popularität im Elternhaus erreichte einen Tiefstand. Aber sie kriegten es nicht hin, diese sittlich-ethisch desorientierenden Musik-Kapellen unter Strafe zu stellen. Für uns war die Rock-Musik ein goldener Fluss, und wir standen mit Eimern am Ufer. So erklommen wir die Gipfel der Ruchlosigkeit und Schande.

Noch heute muss man für die frühe Geburt dankbar sein, dass man nicht von kastrierten Prä-Rentnern wie Wincent Vice, Pietro Lombardi oder Glasperlenspiel sozialisiert wurde. Gegen die hätte sogar Willy Hagara gepunktet.

Eine neue jugendgefährdende Tradition entwickelte sich: der Party-Keller!
Manche hatten das Glück, in ihren Häusern Keller zu haben, die nicht als Kohlelager dienten, die recht adrett herzurichten waren. Etwa mit alten Sofas und selbst gezimmerter Bar. Prototypen dieser Hedonismusstellplätze waren bereits in den 50ern von der 5.Kolonne Moskaus eingeschmuggelt worden.

Am wichtigsten war natürlich der Plattenspieler.

Dicht gefolgt von Bildern der Stars, rausgerissen aus der „Bravo“ und an die Wände geklatscht. Ganz weit vorne war man mit einem „Bravo-Starschnitt“, der etwa Robert Fuller (AM FUSS DER BLAUEN BERGE) oder James Dean in Lebensgröße wiedergab. Da konnte schon mal ein Knie fehlen („Da waren wir in Italien und da kriegst du keine Bravo.“).
Ein gutbestückter Party-Keller verfügte natürlich nicht nur über die neuesten Platten, er hatte auch die verbotene Frucht für 10- bis 12jährige im Ausschank: Cola! Wer Cola trank war mindestens schon halbstark. Schmeckte gar nicht so doll, brachte aber Reputation.
An diesem Ort hatte pubertäre Verzweiflung Pause. Mit einem leeren Glas dazusitzen, grenzte an Hausfriedensbruch.

Nein, am wichtigsten für den Party-Keller waren Eltern, die nicht zu Hause waren.

Denn ALTE waren der Horror! Sie lebten ein Leben nach Regeln, die sich andere für sie ausgedacht hatten, die sie nicht einmal kannten.

Und dann kamen die Rattles!
Welches Ambiente war für sie geeigneter als ein Party-Keller? „Come On and Sing“, „Las Las Las Vegas“… Was für ein Krach! Lärm für Frühpubertierende, die mit hochrotem Pickelgesicht unbekannte Wesen fragten, „ob sie mit einem gehen wollen“.

Als man mich aufklärte, dass die Rattles aus Hamburg kamen, wollte ich es nicht glauben. Was für eine Enttäuschung! Als Beat-Band deutsch zu sein, fühlte sich nicht richtig an. Nein, das war schon direkt FALSCH.
Deutsch zu sein war sowieso scheiße. Ami – ja (schließlich plante man eine Karriere als Jess Harper bei den Cowboys), Engländer war auch okay.
Aber Deutscher?
An den Alten konnte man doch sehen, wie hinterletzt es war Deutscher zu sein. Spießer oder Altnazi. Viel mehr war da nicht drin. Und deutsche Musik… I mean really – da war man schon lange drüber weg.
In der Jugend darf man solange hochmütig sein, wie es dem Kenntnisstand nicht widerspricht.

Aber dann fand ich die Rattles doch verdammt gut. Besonders Achim Reichel war ein echter Kerl. Denn bei den Auftritten in heißen Studios hatte er eine Fellweste an, die man ihm aboperierte, als er zur Bundeswehr musste. Zum Start als Panzergrenadier brachte er unterm Stahlhelm 1967 das Video zu „Trag es wie ein Mann“ – noch immer ein Brüller.

Die „ernsthafte“ Journaille war damals stilistisch immer ganz weit vorne, wenn sie über Beat schrieb.

„Die Zeit“ aus Hamburg hatte tatsächlich mitgekriegt, dass es in Hamburg den Star Club und eine Beat-Szene gab. Und dass die Obermacker der Szene Hamburger Jungs waren, die sich „The Rattles“ nannten und nicht – wie man leicht hätte annehmen können – etwas waren, was sich quer durch die Erde aus der Mongolei dorthin durchgebuddelt hatte.

Deswegen war der „Zeit“ Achims Bundeswehreinsatz auch am 29. Juli 1966 einen Wahnsinnsartikel wert, unter der Überschrift RATTLE-REKRUT REICHEL. Ein paar Auszüge:

„Panzergrenadier Achim Reichel, 22 Jahre alt, Ehemann und Vater von zwei Kindern, ist im Privatleben ein Rattle. Ein Rattle ist die deutsche Ausgabe der berühmten englischen, von der Königin dekorierten Beatles. Was John Lennon für die Beatles ist, ist Achim Reichel für die Rattles. Er ist ihr Bandleader, fabriziert für sie Texte, setzt Töne und schlägt die Gitarre. Der Hamburger Star Club ist ihr Domizil. Von hier aus gehen sie auf ertragreiche Tourneen… Doch da flatterte dem Ober-Rattle unerwartet der Einberufungsbefehl ins Haus: Das Kreiswehrersatzamt bat den Beatkomponisten zu einem 18monatigen Gastspiel auf den Kasernenhof. Die Bundeswehr zeigte jedoch Verständnis. Für ein halbes Jahr stellte sie den Rattle zurück, zwecks seiner und seiner Band Geschäfte abzuwickeln. Achim Reichel aber dachte an die Millionen seiner britischen Kollegen und klagte, als nach einem halben Jahr der endgültige Befehl kam, vor dem Verwaltungsgericht. Er trug den Richtern vor: Die Musik, die er mache, sei mehr oder weniger Modesache. In den 18 Monaten seines Wehrdienstes könne sie passé sein. Seine Karriere, die sich so hoffnungsvoll anließ, könne er dann nie wieder nachholen. Der Anschluß sei dann verpaßt.
Die hanseatischen Verwaltungsrichter waren anderer Meinung: `Es liegen bisher keine Anzeichen dafür vor, daß die Beatmusik in naher Zukunft aus der Mode geraten wird´…“

Diese Weitsicht bestätigt mein Vertrauen in die deutsche Justiz.

Eine ältere Kusine, die längst vertraut war mit der Welt des Rock´n´Roll sagte: „Wenn Achim vom Bund zurück ist, ist er genauso erledigt wie Elvis.“

Im Gegensatz zu Elvis ist er stärker zurückgekommen (auch weil er weniger Filme gedreht hat).

Mit Wonderland ließ er es nach dem Bund sofort krachen. An „Moscow“ kam ´68 keiner vorbei.
„Die grüne Reise“ kam für mich zu früh. Diese Begleitmusik für psychedelische Freizeitpharmazeutika entdeckte ich erst nach meiner bescheuerten (aber kurzen) Amon Düül-Phase. Achim schloss nie eine Vollkaskoversicherung für kommerziellen Erfolg ab.

Während Udo Lindenberg zu nerven begann und sich deutsche Liedermacher auf verstaubten Ritterburgen was vorsangen, schuf Reichel die elektronische Musik, die erstmal kaum einer wirklich verstand. Spätestens da war jedem klar, dass er sich nicht einordnen ließ oder wollte. Sturköpfig zog er nur das durch, was er wollte. Seitdem weiß man nicht, womit er beim nächsten Album um die Ecke kommt.

Warum halten ihm die Fans bei allen unerwarteten Volten die Treue?
Das sieht man bei Live-Konzerten, die er immer reichlich gibt:
Auch wenn er auf ´ner Bühne sitzt, hat jeder im Raum das Gefühl, er spielt nicht für uns, sondern mit uns. Dadurch entsteht ein merkwürdig intensives Gemeinschaftsgefühl. Und Achim Reichel wird als „einer von uns“ wahrgenommen. Ähnliches konnte man in den späten 60ern erleben, als die Bands ein Teil des Movement waren und nicht als Wirtschaftsunternehmen gesehen wurden.
Reichel hat diese tief empfundene demokratisch-sozialistische Utopie der 60er nie aufgegeben. Wie sehr ihn die politisch-ökonomischen Fehlentwicklungen bewegen, hört man in seinen wütenden Texten, etwa in „Exxon Valdez“ oder „Neandertaler in Nadelstreifen“.
Aber was nützt der beste Text, wenn die Musik keine Substanz hat?

Mitte der 1970er überraschte er mich mit „Dat Shanty Alb´m“. Das war unter den hanseatischen Emigranten in München stark angesagt.
Und in den 1980ern lernte ich ihn persönlich kennen, dank Jörg Fauser, mit dem Achim damals intensiv zusammenarbeitete. Aber das ist eine andere Geschichte… Siehe https://martincompart.wordpress.com/2019/01/25/herzlichen-glueckwunsch-achim-reichel/

Achim war immer so hanseatisch deutsch, wie Ray Davies britisch oder Bob Dylan nordamerikanisch war, beziehungsweise ist. So wie Davies Music Hall-Einflüsse verarbeitete und aktualisierte, gräbt Achim immer wieder tief im deutschen Kulturgut, um Shantys oder Volkslieder zu entstauben und aktuell zu revitalisieren. In „Kuddel daddel du“ kann man den Schlager der Weimarer Republik raushören.

Wer sich so intensiv mit Volkskultur (im progressiven Sinne) beschäftigt, schafft dann selber welche.

Anders als der Egomane Davies nutzt Achim auch die Werke deutscher Klassiker oder neuer Dichter (am prominentesten wohl Fauser), um sie originell zu vertonen. Er riss zu vergessen drohendes oder zu Schulstoff verkommenes („Erlkönig“, „Zauberlehrling“ etc) zurück in die Popularität.
Das hat so manchem gelangweilten Schüler klar gemacht, wieviel Spaß man an dem alten Mist haben kann.

Mit Davies scheint er auch die Liebe zu seiner Heimatstadt zu teilen. Ohne London ist Ray kaum vorstellbar, er schrieb einige der schönsten Songs über die Stadt („Sunny Afternoon“, „Waterloo Sunset“ u.a.). Bei Reichel schwingt der Hanseat immer mit – im Tonfall und auch in der coolen Ereignisbeschreibung („Dolles Ding“), die man erst braucht, wenn sie da ist.

Am verblüffendsten ist für mich sein laid-back-Sound!
Diese uramerikanische Gitarrenmusik, die man mit Leuten wie Tony Joe White oder J.J.Cale verbindet, geht Reichel in Kombination mit deutschen Themen und Texten so leicht aus der Klampfe, als hätte er sein Leben lang in Oklahoma auf der Veranda Maispfeife geraucht.

Diese Unangestrengtheit kommt auch seinen Hits zu Gute: „Der Spieler“, „Aloha Heja He“, „Fliegende Pferde“, „Exxon Valdez“, „Amazonen“, „Boxer Kutte“, „Kuddel Daddel Du“ – wenn er will, kann er eben mal so Hits raushaun (auch wenn der Markt das manchmal nicht mitkriegt oder Radio-Idioten sie sabotieren, wie bei „Amazonen“ von 1993, von Radiosendern nicht gespielt, weil er das Wort „Männerarsch“ enthielt und als „frauenfeindlich-diskriminierend“ interpretiert wurde).

Ganz nebenbei schrieb er auch noch den definitiven Song, der die „Neue Deutsche Welle“ voll auf den Punkt bringt: „Robert der Roboter“.

Das Lied über maritime Geschlechtskrankheiten „Aloah Heja He“ ist einer der ganz wenigen Schichten übergreifenden Monsterhits: Er funktioniert grölend im Bierzelt und auf Schützenfesten genauso wie unter kichernden, kiffenden Intellektuellen. Vielleicht sowas wie sein „Satisfaction“. Im Mörserfeuer dieses Songs verbrennt er jeden Saal, der dann in bester Laune nach Hause geht, ohne von Gonokokken beunruhigt zu sein. „Die Single klemmte zuerst und die Plattenfirma war schon drauf und dran, den Mut zu verlieren. Und dann kam von denen der wunderschöne Spruch, den ich nie vergessen werde: ‚Achim, wir glauben, der Song ist zu sehr ‚Out of normality‘.“

Das Reichels Platten international lässig mithalten, liegt auch an der Qualität ihrer Produktion. Immer auf der Höhe technischer Möglichkeiten, aber nie überproduziert und mit exzellenten Arrangements (da macht ihm niemand was vor). Und er hat ein Händchen für Musiker! Die Bands, mit denen er tourt, sind immer erstklassig und laufen auf allen 12 Zylindern.

Und während die meisten zeitgenössischen Pop-Musikanten – Bands wie Silbermond und andere mit durchnummerierten Christa Stürmer-Zombie-Sängerinnen – in ihren Hirnen Geisterstädte unterhalten, ist Reichel neugierig und rege wie immer.

Achim gehört zu den wenigen Großen aus den Sixties, die nicht nur nostalgisch Säle füllen, sondern weiterhin relevant sind, weil sie keinen Trends hinterher laufen. Viele Sixties-Ikonen sind inzwischen so leer wie Abbruchhäuser.

Nun ist Achim Reichel selbst Kulturgut. Zum Glück weiß er das nicht und macht einfach weiter, um mit den Stones, Ray Davies und einigen anderen dahin vorzustoßen, wo noch keiner war. Denn er ist immer noch topfit mit seinem wartungsfreien Gute-Gene-Körper.

Einer der schönsten Songs mit Fauser:

Bei dem Arrangement kann ich ausflippen. Einer meiner absoluten Lieblingssongs aller Zeiten!

Einer der schönsten Songs über eine Seite von Fauser – und damals kannten sie sich noch nicht.

Und hier erzählt Herr Reichel was:



40 JAHRE BITTERMANN by Martin Compart

Zur 40jährigen Verlagsgeschichte veröffentlicht der Verleger Texte über seine Autoren, die wichtig für den Verlag waren und sind und ihn mit geprägt haben, Texte über Wolfgang Pohrt und Eike Geisel, über Harry Rowohlt und über die verlorene Freundschaft mit Roger Willemsen, über Fanny Müller und Horst Tomayer, über Hunter S. Thompson und Guy Debord. Außerdem enthalten sind Elogen auf Bücher und Literatur von Lucia Berlin, Patrick Modiano, Mordechai Richler, J.D. Vance, Rita Navai, Didier Eribon und Benjamin von Stuckrad-Barre, die der Verleger selbst gerne verlegt hätte. Ein großer Essay über die verführerische Kraft der Zigarette, die zur Emanzipation der Frau mehr beigetragen hat als die Frauenbewegung, eine Verteidigung des »Kommenden Aufstands«, ein Vortrag über den Palästinakonflikt, einige Bemerkungen über den Kulturbetriebsintriganten Günter Grass und den verschrobenen Rechthaber Sarrazin. Dabei entsteht ein Bild mit vielen Facetten, die dem Verlag sein einigermaßen unverwechselbares Gesicht gegeben haben.

Critica Diabolis 269
Broschur
380 Seiten
20.- Euro
ISBN 978-3-89320-249-2

Das Spektrum der Texte ist viel größer als es ein kurzer Klappentext darstellen kann.

Nach der Lektüre des Buches möchte man spontan sagen: Welch ein Autor und Essayist ist uns verloren gegangen, um den großartigen Verleger Bittermann zu gewinnen. Aber das ist natürlich Quatsch. Die hier versammelten Portraits, Essays und Nachrufe hängen direkt mit dem Verlegerleben zusammen. Denn Bittermann gehört zu den Überzeugungstätern im Kulturbetrieb, die Literatur samt ihrer politischen Implikationen ernst nehmen und neue Horizonte eröffnen.
Der Mann kann einfach kein uninteressantes Buch verlegen. Und spätestens mit dieser Textsammlung zeigt er, dass er auch keinen uninteressanten Essay schreiben kann.

Die höchst unterschiedlichen Texte zeigen Bittermanns literarische und analytische Fähigkeiten in vielen Aspekten und erklären damit auch, warum seine EDITION TIAMAT zu einem der bedeutendsten deutschen Verlage geworden ist.
Die Portraits zeigen Bittermanns „Sympathie für die Abweichler, Melancholiker, Analytiker, Unruhestifter, Sonderlinge, Verweigerer, Irrlichter, Rabauken und Rebellen, die mit ihren Büchern ein Affront gegen den gesellschaftlichen Mainstream sind…“

Unter den Betrachteten befinden sich auch Autoren, die nicht in der Edition Tiamat veröffentlicht wurden. Darunter eine sehr schöne Erinnerung an Jörg Fauser, der zum ersten Mal ein Buch von Bittermann (aus dem Spanischen Bürgerkrieg – wie könnte es anders sein?) auf ein Magazin-Cover (TIP) brachte.

Das Inhaltsverzeichnis liest sich wie ein Who-Is-Who der Außenseiter-Literatur der letzten Jahrzehnte – eher mehr: denn auch Friedrich Engels oder Ben Hecht werden besprochen.

Bittermann ist nicht nur ein kluger Analytiker, er verfügt auch über eine beeindruckende Bildung. Ich bin beim Lesen auf eine ganze Reihe von Namen gestoßen, die mir zuvor unbekannt waren, die jetzt kennenzulernen mich Bittermanns Texte begierig stimmen.

Man kann diese Collection freudig hintereinander weg lesen. Genauso kann man sich immer wieder ein Stück herauspicken. Sicherlich eines dieser Bücher, die in zwei Jahren völlig zerlesen sind, da man immer wieder auf sie zugreift.

Mir bereiten die „Feind-Texte“ ein besonderes Vergnügen. Im Gegensatz zu Bittermanns „Freunden“, teile ich seine „Feinde“ alle. Und da findet man auch eleganteste Bosheiten:
„Bis auf wenige Ausnahmen glaubt das Feuilleton fest daran, Grass sei ein bedeutender Autor, und weil ihm der Literaturnobelpreis verliehen wurde, hält sich dieses Missverständnis hartnäckig.“

„Nur ich nahm Martin Walser vor diesen Anfeindungen in Schutz und behauptete, das einzige Problem Walsers sei, dass er nicht schreiben könne, dies aber ausführlich tue.“

Mehr qualitativen Gegenwert an bedruckten Papier kann man mit schnöden Mammon kaum erwerben.

Der Verleger mit Kinky Friedman.



ACHIM REICHEL ÜBER JÖRG FAUSER by Martin Compart
15. November 2019, 1:49 pm
Filed under: ACHIM REICHEL, JÖRG FAUSER, MUSIK | Schlagwörter: , ,

Leider war EINE EWIGKEIT UNTERWEGS aber auch die letzte Platte, auf der ich mit Jörg Fauser zusammen gearbeitet habe. Mit Jörg ist mir nicht nur ein guter Freund verloren gegangen, sondern auch eine Art Lehrmeister. Von ihm lernte ich unglaublich viel über das Kreieren von Texten.

Jörg war einfach extrem inspiriert. Der sagte gern mal nach einem Gespräch: „Gib mir mal ein paar Minuten.“, und brachte in dieser Zeit den Inhalt unseres Gedankenaustausches in eine Versform, bei der jedes Wort am richtigen Platz erschien – das fand ich beeindruckend. Fauser war als Schreiber in vielen Disziplinen zu Hause, ein wahrer Meister des Wortes.

Was man aber auch über ihn wissen muss, ist, dass er einen riskanten Lebensstil pflegte. Der lebte seine eigenen Geschichten bis zum Exzess. Und die damit verbundenen Milieu-Studien waren für ihn ein Teil seiner Suche nach dem Echten, dem Wahren.
Mein Lieblings-Titel auf dem Album „In Bali“ vermittelt das in seinem Text ganz deutlich. Fauser kannte sich im Milieu aus. Über Figuren, wie sie In Bali auftauchen, kannst Du nur schreiben, wenn Du sie selber kennen gelernt hast.

Das ist denn auch eine gute Überleitung zu meiner Ost-Asien-Tour, auf der Jörg eben auch dabei war und die er für den Stern dokumentierte. Anschließend ging es dann auf Deutschland-Tour, die ich auf Grund einer Salmonellen-Vergiftung abbrechen musste. Und just, als ich aus dem Krankenhaus kam, ist Jörg betrunken vor einen LKW gelaufen und das auch noch an seinem Geburtstag. Irgendein Tod wäre für ihn wohl zu wenig gewesen – auch wenn das jetzt zynisch klingt. Ein großer Verlust.

https://www.achimreichel.de/