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Achim Reichel, der zweite Versuch.
2022 fiel das Konzert aus, da beteiligte Musiker an Corona erkrankt waren. Jetzt aber steht Achim Reichel in der Blüte seiner 79 Jahre auf der Bühne der Halle Münsterland. Und was ist der Mann fit: Zweieinhalb Stunden Konzert bewältigt er scheinbar locker, mit Esprit und gut bei Stimme. Es gibt zwar eine „altersgerechte“ Pause, aber mit dieser Anmerkung zielt Reichel Richtung Publikum, bei dem der geschätzte Altersschnitt 50+ locker als Euphemismus gehandelt wird.
Beim reichhaltigen Repertoire kann sich der Hamburger Musiker erlauben, gleich mit den beiden Hits „Fliegende Pferde“ und „Der Spieler“ zu starten. Es werden genug weitere Highlights folgen.
Zunächst fällt auf, dass die wehenden Keyboardflächen vom Band kommen, das wird auch weiterhin (selten) so bleiben, denn Tasteninstrumente fehlen auf der Bühne. Stattdessen ist Reichels Kombo mit drei (hervorragenden) Bläsern (Steve Wiseman/Trompete, Uwe Granitza/Posaune & Tuba, Andreas Böther/ Saxofon & Flöte)und einer Pedal Steel (Nils Tuxen) besetzt, neben Schlagzeug, Percussion (Yogi Jockusch), Bass (Achim Rafain) und Gitarren (Reichel und ebenfalls Tuxen)“.
Der singende Sägesound der Pedal Steel stürzt manche Country-Ballade in schlimm schluchzende Tiefen, bei Achim Reichel passt’s, gerade im Zusammenhang wenn Südsee-Flair erwünscht ist, wie beim unverwüstlichen „Aloha Heja He“. Das dreißig Jahre nach Veröffentlichung, ein Riesenhit in China wurde, was den Schöpfer des Songs (ein Zufallsfund, der zum Füllsel auf „Melancholie & Sturmflut“ wurde. Der Rest ist Geschichte) selbst höchst überraschend traf.
Hier – wie an zwei, drei anderen Stellen auch – singt das Publikum beeindruckend engagiert und laut mit, für Münster geradezu rauschhaft. Vielleicht befeuert von Achim Reichels ansteckendem Elan, den er sich auch für die anekdotischen Histörchen zwischen den Liedern bewahrte. Dass der Mann ein eloquenter Geschichtenerzähler ist, hat er auf vorigen Tourneen und mit seiner Autobiographie längst bewiesen. Ebenso launig fertigte er Zwischenrufer ab: „Immer die in den hinteren Reihen … Ich verstehe euch eh nicht mit den Knöpfen im Ohr. Da kommt nur so ein wogendes Plätschern an.“
Musikalisch deckte Achim Reichel seine gesamte Karriere ab – zumindest den langen Part als Solokünstler. Die „Regenballade“ und der „Klabautermann“ wurden dabei besonders gewürdigt. „Sophie, mein Henkersmädel“ und der „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“ durften natürlich nicht fehlen, ebenso wenig die titelgebende „Regenballade“, so gespenstisch wie eindringlich vorgetragen. Dazu gesellten sich „Steaks und Bier und Zigaretten“ (klar, was sonst) , die prominenten „Trutz Blanke Hans“, „John Maynard“ und der unverwüstliche „Kuddel Daddel Du“, mit dem immer wieder erhebenden Refrain „Was kann die Welt dafür, dass ich sie liebe?“ Gerade zurzeit eine höchst berechtigte Frage.
Ebenso aktuell und mit dem nötigen Druck sehr atmosphärisch vorgetragen „Exxon Valdez“ – Reichels klarer musikalischer Kommentar zum liederlichen Umgang mit der Umwelt und den Katastrophen, die sie bedrohen.
Mit „Halla Ballu Ballay“ wurde ein starker Shanty, inklusive Mitsingparts, abgefeiert, „Die Reeperbahn Nachts um halb eins“ bekam eine Reichelsche Frischzellenkur. Der Zugabenteil wurde charmant und lakonisch abgefertigt. „Wir spielen jetzt noch ein bisschen und schenken uns das ewige Raus- und Reinkommen. Das ist für alle Beteiligten angenehmer.“ Recht gesprochen am Ende eines rundum gelungenen Konzerts, mit einer satt groovenden Band und einem charismatischen Frontmann, der aktuelle deutschsprachige Befindlichkeitsmusikanten musikalisch und vor allem textlich meilenweit auf Distanz hält.
Damit keine Zweifel aufkommen, Achim Reichel ist nicht auf Abschiedstournee.
„Vielleicht bis demnächst“, verabschiedete er sich. Gut möglich.
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Eines der schönsten Melodramen:
und der wahrscheinlich am besten produzierte und arrangierte deutsche Song:
Und noch der größte Noir-Song:
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Von dem epochalen Album JOHNNY HALLYDAY MEETS THE RATTLES.
Und dann noch – von der Jochen König-Qualitätskontrolle bestätigt – eines der coolsten Videos aller Zeiten:
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Ich liebe Listen, vor allem diese streng subjektiven am Jahresende.
2020 war, hauptsächlich durch Corona bedingt, ein Jahr, dass die feine englische Bezeichnung „strange“ zu Recht verdient.
Vor allem auf Filme hat das Jahr eine fatale Auswirkung gehabt. Kino fand fast gar nicht statt, deshalb fällt eine Einschätzung bildgewaltiger Filme so aus, als hätte ich sie im kleinen Arthouse-Kino ums Eck gesehen (wie seinerzeit die beiden laaangen Teile von „1900“ auf gerade mal stoffüberzogenen Holzsitzen gefühlte drei Meter von der Leinwand entfernt. D.h. ich würde glatt behaupten, unsere Sound-, Bild- und Sitzqualität daheim ist mittlerweile besser).
Weiterhin gilt:
„Das Corona-Virus hat an der Gesellschaft nichts geändert. Die Intelligenten sind immer noch intelligent und die Dummen sind immer noch dumm. Man sieht nur beides noch deutlicher.“
Zur Musik:
Jaume De Viala: Sonoritat De Mil Miralls
Mein Fazit bei Musikreviews.de: „„Sonoritat De Mil Miralls“ ist eine traumhafte musikalische Reise durch Katalonien, die sowohl auf der kleinen Folkbühne wie im Jazzkeller und im Prog-Rock-Theater Zwischenstation macht. Dabei homogen bleibt und gekonnt zwischen großer Sehnsucht und Laissez-faire kreist.“
Lucinda Williams – „Good Souls Better Angels“. Verlässlich wie immer. Ihre Stimme ist knarziger geworden, die Musik ist es auch. Auf die faszinierende Art.
Anna von Hausswolff – When Thoughts Fly. Kein Gesang, nur Kirchenorgel und diverse andere Tasteninstrumente. Es gibt Menschen, die finden das langweilig. Denen entgeht das rauschhafte Erlebnis einer wahrhaft transzendentalen Nachtmusik.
Domink Scherrer with Natasha Khan (aka Bat For Lashes): „Requiem – O.S.T.“
Die walisische Serie ist ganz okay, der Soundtrack ist eine Wucht. Hier gilt einmal: Atmosphärisch dicht ganz ohne Alkohol. Gilt auch für die Soundtracks zu „The Black Spot“ (im Original völlig konträr: „La Zone Blanche“) „La Foret“ und „Tabula Rasa“, die zwar schon++ etwas Zeit auf dem Buckel haben, aber jetzt erst von mir richtig entdeckt wurden.
Matt Holubowski: „Weird Ones“. Ich zitiere mich mal selbst: „„Weird Ones“ ist wunderschmerzlich-schön geworden, ein mehr als würdiger Nachfolger zum vorzüglichen „Solitudes“. Eine Ode an die Langsamkeit, das nachdenkliche Schlendern in eigentlich hektischen Zeiten.“
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Grant-Lee Phillips: „Lightning, Show Us Your Stuff“.
Mein Americana-Album des Jahres (dicht gefolgt vom neuen Chuck Prophet-Werk „The Land That Time Forgot“). Um es mal so zu sagen: All das, was Bruce Springsteens lendenlahmes Altherren-Rockwerk „Letter To You “nicht ist.
The Alligator Wine: „Demons Of The Mind“ Ich mag keinen Retro-Rock. The Alligator Wine kommen aus Deutschland und spielen Retro-Rock. Ich liebe das Album und seine Power. Vielleicht weil die Combo näher bei den DOORS als bei Led Zeppelin ist.
White Rose Transmission – „Happiness At Last“. Selten wurde die Dunkelheit zu einem schöneren Kissen als „Happiness At Last“ es aufschüttelt. Ein mitunter tieftrauriges Album, das dennoch trostreich durch diesen coronageschwängerten Herbst lotste. Die Akustukvariante von Adrian Borlands „Winning“ ist traumhaft.
Paul Roland – „Lair Of The White Worm“. Der Mann ist natürlich gesetzt. Kurz vor Jahresende veröffentlicht Paul Roland ein weiteres seiner ganz besonderen psychedelischen, victorian-space-age-Wunderwerke. Folk, Baroque-Rock, ein geisterhafter Hauch Weltmusik, Velvet Underground treffen auf Donovan und Ian Anderson spielt im Keller von Hill House Flöte. Maskenball in einer gotischen Kathedrale. Melting away.
Idris Ackamoor & The Pyramids – „Shaman!“ Grandioses Alterswerk, eine mitreßende Mischung aus spirituellem Jazz, Psychedelic und Soul. In etwa als würden ausgeschlafene Gong auf Pharoah Sanders treffen.
Die Bücher:
Es waren vergleichsweise wenig dieses Jahr. Lara Croft und Nathan Drake forderten ihren (Zeit)tribut.
Christian Keßler – „Gelb wie die Nacht“. Keßlers flapsiger Stil liest sich immer noch launig, wirkt nach dreißig Jahren dennoch mitunter etwas manieriert. Ändert nichts daran, dass er mit viel Zuneigung, Herzblut und kenntnisreich über ein Genre schreibt, das gerne weiter in den Focus gehievt werden darf. Sympathisch auch, dass er in jedem noch so verkümmerten Spross ein mildes Blühen entdeckt. Essentielles Nachschlagewerk, dem verwandten „Giallo: Die Farbe des Todes: Eine Chronologie des italienischen Serienkillerfilms“ von Peter Osteried analytisch überlegen (Osteried spoilert zudem heftig. Trotzdem für Giallo-Interessierte lesenswert) und nicht nur für Fans der messermetzelnden Thrillerkost aus Sigmund Freuds Schattenkabinett lohnend.
Horst Eckert – „Im Namen der Lüge“. Nach seiner Beschäftigung mit dem NSU-Komplex, schreibt Eckert in diesem spannenden Politthriller über die Verflechtungen von Exekutive, Judikative und neofaschistischen Auswüchsen. Spannend und (leider zu) dicht an der Realität.
Willi Achten – „Die wir liebten“. Und wieder ein Selbstzitat: „“Die wir liebten” ist ein Coming Of Age-Roman, der voller poetischer Kraft von den vielen Facetten des Erwachsenwerdens erzählt. Voller Witz, Traurigkeit und Dramatik, die allem Alltäglichen innewohnt. Kleine Abenteuer, große Fluchten, Liebe und Verantwortungsbewusstsein, der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben voller Wahlmöglichkeiten. Eine überschaubare Welt der scheinbaren Freiheit, die zerbröselt, sobald die repressive, missgünstige Realität das machtvolle Zepter führt. Dann wandelt sich der Ton des Romans ins finster Schwarze, wird zum Horror. Der sich nicht aus der Phantastik speist, sondern aus der Wirklichkeit.“ Wunderbares, wichtiges Buch.
Jon Savage – „Sengendes Licht, die Sonne und alles andere: Die Geschichte von Joy Division“. Die Musik, die Stadt, der Tod. Wichtige Wegbegleiter, literarisch ansprechend gewürdigt.
Achim Reichel – „Ich hab das Paradies gesehen“. Der Mann kann charmant erzählen, und er hat was zu erzählen. Amüsant und erhellend. Für mich einer der wichtigsten (deutschen) Musiker. Natürlich inklusive A.R. & Machines, gelle Martin? Pflichtprogramm.
Andreas Kollender „Mr. Crane“. Exzellent geschriebene (fiktive) Liebesgeschichte zwischen Wahn und Wirklichkeit. Der tuberkulöse Autor Stephen Crane („Die rote Tapferkeitsmedaille“, ebenfalls von Pendragon neu aufgelegt) und die Krankenschwester Elisabeth begegnen sich in Badenweiler, in dessen Sanatorium der sterbenskranke Mr. Crane in Behandlung ist. Liebe, Paranoia und die Kraft des Erzählens. Je näher der Tod, umso intensiver das Leben.
Guillermo Martinez – „Der Fall Alice im Wunderland“. Der Nachfolger der „Oxford-Morde“ ist wieder ein intelligentes Vexierspiel. Der weiße Hase kennt den Mörder, hat aber keine Zeit, es zu verraten. Der verrückte Hutmacher denkt sich seinen Teil dazu und grinst zufrieden.
Film und Fernsehen
„The Nightingale“ ist eine düstere Rachegeschichte der besonderen Art. Jennifer Kents („The Babadook“) zweiter Langfilm erzählt von strukturellem Rassismus, Misogynie und Gewalt. Die neuseeländische Landschaft ist atemberaubend, die Darsteller*innen sind es auch. Ein Film, der wehtut und das ist auch gut so.
„The Hunt“ wurde bereits vor seinem Erscheinen kontrovers aufgenommen, sodass sich die Veröffentlichung Monat um Monat verzögerte. Die klassische „Dr. Zaroff“-Menschenjagd-Storyline als actionreiche Gesellschaftssatire voller cooler Twists und Widerhaken. Hillary Swank überzeugt, gegen den Strich besetzt (oder doch nicht?), Emma Roberts schaut nur ganz kurz vorbei und Hauptdarstellerin Betty Gilpin (die erst nach 25 Minuten auftaucht) ist ein funkelnder Diamant solitärer Art.
„Spuk in Hill House“ und „Spuk in Bly Manor“. Mike Flanagans serielle Verfilmungen der nicht ganz unbekannten Vorlagen von Shirley Jackson und Henry James gehören zusammen wie Hanni & Nanni. Ein Duo, das zum Besten gehört, was im letzten Jahr über die Mattscheibe flimmerte. Exzellente Bildgestaltung, stimmungsvoller Soundtrack, überzeugende Schauspieler*innen (insbesondere die Kinderdarsteller verdienen besonderes Lob) machen beide Serien zum düsteren Genuss. Liebe, Verlust, Verborgenes und Erahntes, (familiäre) Lügen und Traumata machen große Geistergeschichten, wahren Horror aus. Und nicht ein Übermaß an Jump Scares. Zudem eine packende Reise in die vielen Schichten der Traumdeutung.
„Birds Of Prey – The Emancipation Of Harley Quinn“. So schröcklich die „Suicide Squad“ war, so herrlich die Konzentration auf die einzig sehenswerte Komponente: Die brillierende Harley Quinn. Die sich in „Birds Of Prey“ vom Joker emanzipiert und eine Damenriege in die Oberliga der Superheld*innenfilme führt. In die vordersten Ränge. Und das in einer Zeit, die von einer magenverstimmenden MCU/DC-Übersättigung geprägt ist. Action, Fun und Frauenpower. Margot Robbie kickt sie alle.
„Knives Out“ – Ein Meta-Murder-Mystery mit einer Besetzung zum Niederknien. Voller Twists, hinterhältiger Komik, gegen den Strich-Besetzung und fröhlicher Spannung. Gewitzt wie sonst was, aber nie überheblich.
„The Devil All The Time“ – Die Verfilmung von Donald Ray Pollocks „Das Handwerk des Teufels“ ist ein aschfahler Southern Noir, episodisch aufgebaut, mit Off-Kommentar, der eine Distanzierung schafft, die diese deprimierende Schilderung über dumpfen Glauben, Misogynie, Verführung, Lust und Gewalt, erträglich macht. Die Besetzung ist erlesen, unter anderem trifft die verlockende Elvis-Enkelin Riley Keough (als prollige Femme Fatale mit Gewissen und wenig Glück bei der Wahl ihrer Männer) nach „Under The Silver Lake“ auf ihren zweiten Spiderman (geht nicht gut aus), und Sebastian „Winter Soldier“ Stan gibt einen verfetteten, korrupten Cop. Robert Pattinson indes hat das Zwielicht eingeatmet und gebärdet sich wie Christopher Walkens enthusiastischster Jünger, in einer selten unsympathischen Rolle. Overacting als Kunstform. Macht er gut. An den schwarzen Messen, die um das ersterbende Kaff Knockemstiff zelebriert werden, möchte man nicht teilnehmen. Stattdessen lieber ein heißes Bad nehmen. Der katholische Filmdienst mochte „The Devil All The Time“ nicht. Aus naheliegenden Gründen. Wir mögen diesen langsamen, aber steigen Ritt in die Finsternis dafür umso mehr.
Es war also nichts alles schlecht in diesem Jahr voller Einschränkungen und Unwägbarkeiten. Das Schönste: Ich kenne mehr Menschen, die das Leben lebenswerter machen als empathielose Rechtslenker, die Ethos für ein türkisches Bier halten. Und während Erstere prägend bleiben mögen, gilt für Letztere einmal mehr der Wunsch des tapferen Archives: „ Now the world needs to see that it’s time you should go – There’s no light in your eyes and your brain is too slow“.
2021 wird. Irgendwie. Besser.
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Näheres bei Zerberus.
Mit Erinnerungen an Jörg Fauser als Bonustrack.
Keith Richards by Helmut Wenske, 2011.
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Einer der besten Love-Songs aller Zeiten:
Wo hat Fauser immer diese Lyrics hergeholt? Und wer – außer Keith – hat solche Riffs drauf?
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Obwohl es das Copyright von 2018 im Impressum zeigt, ist das Buch weitgehend erst seit November 2019 zugänglich und für mich deshalb das mit Abstand beste Buch des Jahres 2019.
A novel about the American theatre of the 1850s.
The New York theatre of that era was the Hollywood of its day, with all its trademark insanities. It was everything that was America. Its beauty and excitement, its rise and fall of personalities, its joys and desperations, selfish corruptions and violence. Even its hatred and racism.
Enter Colonel Tearwood’s American Theatre Company. Helmed by actor Nathanial Luck and playwright Robert Harrison, it revolutionizes the theatre of the times by bringing daily life to the stage: Love affairs, social corruption, political intrigue, violence and death grip the audience as backstage the players‘ fortunes rise and fall and rise again in an all too human play. There’s dashing Nathaniel Luck, hunted for the Pickwick Paper murders; beautiful Genevieve Wells, a con artist and swindler; Rosina Swain, aspiring actress in search of a father; and Robert Harrison, scion of a wealthy family, who was burned and disfigured in the infamous Wall Street fire, and turns the ruins of his body into art. How beautiful they were…
„This taut chronicle of despair and hope poses a powerful lens over a transformative period of our past. Unrelenting and haunting, yet at times poetic, How Beautiful They Were is deeply inventive and an irresistible read.“ – Eliot Pattison, Edgar Award winning author of the Inspector Shan Series and the Bone Rattler series
Dies ist der letzte Roman von Boston Terans DEFIANT AMERICAN-Trilogie, zu der THE CLOUD IN THE FIRE und A CHILD WENT FORTH gehören. Alle spielen im 19.Jahrhundert und sind ungewöhnliche Mischungen aus historischem Roman, Gesellschaftsroman und Thriller. Alle zeigen die USA im Gestalt annehmen, auf welchen Verbrechen sie begründet sind und welche Ereignisse dazu beitrugen, dass sie zu dem wurden, was sie heute sind.
Boston Teran überrascht immer wieder durch ungewöhnliche Sujets und natürlich seine literarische Qualität.
Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich einmal für Theatergeschichte interessieren würde (schon gar nicht für die des amerikanischen vor dem Bürgerkrieg im New York der 1840er Jahre).
Die Theaterwelt ist der zentrale Ort, von dem die unterschiedlichsten Hoffnungen ausgehen und der die heftigsten Verwerfungen kreuzt. „Theatre is ideas, and ideas change the flow of power, and the flow of power affects who has the money, and everyone has a dog in that fight… To live where art and life are impossible to separate.”
Der Roman ist strukturiert wie ein Theaterstück in vier Akten.
Er ist aus zwei Perspektiven erzählt: der gegenwärtigen von Nathaniel Luck und der Rückblenden von Jeremiah Fields. Ähnlich wie in E.L.Doctorows RAGTIME wird ein der Geist eines Geschichtsabschnitts der USA durch die persönlichen Verstrickungen der Charaktere definiert. Dabei führt dieses gewaltige Epos durch alle relevanten Schichten, durch Rassen und ökonomische Strukturen.
Aufklärung als historischer Thriller – inzwischen eines von Boston Terans Markenzeichen. Genau wie die Lüge des „American Dream“, wenn man ihn mit der Realität konfrontiert. Auf der Metaebene schwingt immer mit, wie es um die „Moral“ der Vereinigten Staaten seit jeher bestellt ist.
Für Künstler wie Boston Teran kann man den Amerikanern einiges verzeihen (wenn auch nicht ihren Politikern von Reagan bis Dump und ihrer White-Trash-Wählerschaft).
Der Leser spürt den kranken Geist des Rassismus, der das Blut vor Zorn in Wallungen bringt, wird aber mitgerissen vom Suspense und der brillanten Action. Die Auswirkungen von Gewalt und Sklaverei auf die Charaktere dürften keinen Leser unberührt lassen.
Außer Cormac McCarthy in ähnlichen Werken, findet man wohl nichts Vergleichbares. Dass Boston Teran bisher keinen deutschen Verlag hat, sagt viel über den Zustand der Branche aus. Als hätte sich die Musikindustrie dazu entschlossen, die Rolling Stones nicht unter Vertrag zu nehmen.
Obwohl der Roman – wie bei Teran üblich – auf genau recherchierten Fakten und Mentalitäten beruht, erscheint er dem heutigen Leser manchmal wie Fantasy. Entsprechend der Maxime des britischen Schriftstellers Leslie Poles Hartley: “The past is a different country, they do things differently there.”
Die Charaktere sind unvergesslich, die Brutalität schwer erträglich, die Erkenntnis zwingend, die Spannung vorantreibend und die Sprache wunderschön.
Kein anderer lebender Autor hat mich in diesem Jahrhundert bisher tiefer beeindruckt als Boston Teran, der wie ein Chamäleon die Farben wechseln kann, dabei aber immer dieselbe Meisterschaft behauptet. Unterschiedliche Genres, unterschiedliche Stile – immer gleichzeitig aktuell und zeitlos.
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UND HIER NOCH MEHR VON MEINEN BESTEN VON 2019:
Bester Roman: HOW BEAUTIFUL THEY WERE von Boston Teran
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Beste deutsche Erstausgabe: DEAD LIONS von Mick Herron
https://martincompart.wordpress.com/2018/09/21/mick-herron-der-abdecker-des-secret-service-1/
Bestes Debut: TOD EINES GENTLEMAN von Christopher Huang
Bester deutscher Thriller: FANAL von Michael Contre
https://martincompart.wordpress.com/2019/11/07/fanal-interview-mit-michael-contre/
Beste Sekundärliteratur: EINIGE MEINER BESTEN FREUNDE UND FEINDE von Klaus Bittermann und DAS IMPERIUM-GESCHÄFT von Berthold Seliger
https://martincompart.wordpress.com/2019/11/21/40-jahre-bittermann/
https://martincompart.wordpress.com/2019/06/19/ticketing-gangster-berthold-seligers-analyse-der-konzertindustrie/
Beste TV-Serie: MINDHUNTER
https://crimetvweb.wordpress.com/category/mindhunter/
Bestes Album: DAS BESTE von Achim Reichel
https://martincompart.wordpress.com/2019/12/06/rattle-rekrut-reichel/
Beste Wiederentdeckung: VILLAIN -sowohl Roman wie auch Film
https://martincompart.wordpress.com/category/villain/
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Dies ist ein Auszug aus meinem Buch 2000 LIGHTYEARS FROM HOME – EINE ZEITREISE MIT DEN ROLLING STONES, stark überarbeitete Neuausgabe demnächst bei ZERBERUS).
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Aus dem Kapitel über die 1960er.
Von nun an ging es Schlag auf Schlag!
Jede Woche war was Neues zu entdecken: Kinks, Troggs, Hollies, Manfred Mann, Procol Harum, Animals… Finanziell nicht zu bewältigen. Also sprach man sich ab: Du kaufst die, ich kauf die. Dann tauschen, wenn man die Single hundert Mal in der Woche gehört hatte.
Meine Popularität im Elternhaus erreichte einen Tiefstand. Aber sie kriegten es nicht hin, diese sittlich-ethisch desorientierenden Musik-Kapellen unter Strafe zu stellen. Für uns war die Rock-Musik ein goldener Fluss, und wir standen mit Eimern am Ufer. So erklommen wir die Gipfel der Ruchlosigkeit und Schande.
Noch heute muss man für die frühe Geburt dankbar sein, dass man nicht von kastrierten Prä-Rentnern wie Wincent Vice, Pietro Lombardi oder Glasperlenspiel sozialisiert wurde. Gegen die hätte sogar Willy Hagara gepunktet.
Eine neue jugendgefährdende Tradition entwickelte sich: der Party-Keller!
Manche hatten das Glück, in ihren Häusern Keller zu haben, die nicht als Kohlelager dienten, die recht adrett herzurichten waren. Etwa mit alten Sofas und selbst gezimmerter Bar. Prototypen dieser Hedonismusstellplätze waren bereits in den 50ern von der 5.Kolonne Moskaus eingeschmuggelt worden.
Am wichtigsten war natürlich der Plattenspieler.
Dicht gefolgt von Bildern der Stars, rausgerissen aus der „Bravo“ und an die Wände geklatscht. Ganz weit vorne war man mit einem „Bravo-Starschnitt“, der etwa Robert Fuller (AM FUSS DER BLAUEN BERGE) oder James Dean in Lebensgröße wiedergab. Da konnte schon mal ein Knie fehlen („Da waren wir in Italien und da kriegst du keine Bravo.“).
Ein gutbestückter Party-Keller verfügte natürlich nicht nur über die neuesten Platten, er hatte auch die verbotene Frucht für 10- bis 12jährige im Ausschank: Cola! Wer Cola trank war mindestens schon halbstark. Schmeckte gar nicht so doll, brachte aber Reputation.
An diesem Ort hatte pubertäre Verzweiflung Pause. Mit einem leeren Glas dazusitzen, grenzte an Hausfriedensbruch.
Nein, am wichtigsten für den Party-Keller waren Eltern, die nicht zu Hause waren.
Denn ALTE waren der Horror! Sie lebten ein Leben nach Regeln, die sich andere für sie ausgedacht hatten, die sie nicht einmal kannten.
Und dann kamen die Rattles!
Welches Ambiente war für sie geeigneter als ein Party-Keller? „Come On and Sing“, „Las Las Las Vegas“… Was für ein Krach! Lärm für Frühpubertierende, die mit hochrotem Pickelgesicht unbekannte Wesen fragten, „ob sie mit einem gehen wollen“.
Als man mich aufklärte, dass die Rattles aus Hamburg kamen, wollte ich es nicht glauben. Was für eine Enttäuschung! Als Beat-Band deutsch zu sein, fühlte sich nicht richtig an. Nein, das war schon direkt FALSCH.
Deutsch zu sein war sowieso scheiße. Ami – ja (schließlich plante man eine Karriere als Jess Harper bei den Cowboys), Engländer war auch okay.
Aber Deutscher?
An den Alten konnte man doch sehen, wie hinterletzt es war Deutscher zu sein. Spießer oder Altnazi. Viel mehr war da nicht drin. Und deutsche Musik… I mean really – da war man schon lange drüber weg.
In der Jugend darf man solange hochmütig sein, wie es dem Kenntnisstand nicht widerspricht.
Aber dann fand ich die Rattles doch verdammt gut. Besonders Achim Reichel war ein echter Kerl. Denn bei den Auftritten in heißen Studios hatte er eine Fellweste an, die man ihm aboperierte, als er zur Bundeswehr musste. Zum Start als Panzergrenadier brachte er unterm Stahlhelm 1967 das Video zu „Trag es wie ein Mann“ – noch immer ein Brüller.
Die „ernsthafte“ Journaille war damals stilistisch immer ganz weit vorne, wenn sie über Beat schrieb.
„Die Zeit“ aus Hamburg hatte tatsächlich mitgekriegt, dass es in Hamburg den Star Club und eine Beat-Szene gab. Und dass die Obermacker der Szene Hamburger Jungs waren, die sich „The Rattles“ nannten und nicht – wie man leicht hätte annehmen können – etwas waren, was sich quer durch die Erde aus der Mongolei dorthin durchgebuddelt hatte.
Deswegen war der „Zeit“ Achims Bundeswehreinsatz auch am 29. Juli 1966 einen Wahnsinnsartikel wert, unter der Überschrift RATTLE-REKRUT REICHEL. Ein paar Auszüge:
„Panzergrenadier Achim Reichel, 22 Jahre alt, Ehemann und Vater von zwei Kindern, ist im Privatleben ein Rattle. Ein Rattle ist die deutsche Ausgabe der berühmten englischen, von der Königin dekorierten Beatles. Was John Lennon für die Beatles ist, ist Achim Reichel für die Rattles. Er ist ihr Bandleader, fabriziert für sie Texte, setzt Töne und schlägt die Gitarre. Der Hamburger Star Club ist ihr Domizil. Von hier aus gehen sie auf ertragreiche Tourneen… Doch da flatterte dem Ober-Rattle unerwartet der Einberufungsbefehl ins Haus: Das Kreiswehrersatzamt bat den Beatkomponisten zu einem 18monatigen Gastspiel auf den Kasernenhof. Die Bundeswehr zeigte jedoch Verständnis. Für ein halbes Jahr stellte sie den Rattle zurück, zwecks seiner und seiner Band Geschäfte abzuwickeln. Achim Reichel aber dachte an die Millionen seiner britischen Kollegen und klagte, als nach einem halben Jahr der endgültige Befehl kam, vor dem Verwaltungsgericht. Er trug den Richtern vor: Die Musik, die er mache, sei mehr oder weniger Modesache. In den 18 Monaten seines Wehrdienstes könne sie passé sein. Seine Karriere, die sich so hoffnungsvoll anließ, könne er dann nie wieder nachholen. Der Anschluß sei dann verpaßt.
Die hanseatischen Verwaltungsrichter waren anderer Meinung: `Es liegen bisher keine Anzeichen dafür vor, daß die Beatmusik in naher Zukunft aus der Mode geraten wird´…“
Diese Weitsicht bestätigt mein Vertrauen in die deutsche Justiz.
Eine ältere Kusine, die längst vertraut war mit der Welt des Rock´n´Roll sagte: „Wenn Achim vom Bund zurück ist, ist er genauso erledigt wie Elvis.“
Im Gegensatz zu Elvis ist er stärker zurückgekommen (auch weil er weniger Filme gedreht hat).
Mit Wonderland ließ er es nach dem Bund sofort krachen. An „Moscow“ kam ´68 keiner vorbei.
„Die grüne Reise“ kam für mich zu früh. Diese Begleitmusik für psychedelische Freizeitpharmazeutika entdeckte ich erst nach meiner bescheuerten (aber kurzen) Amon Düül-Phase. Achim schloss nie eine Vollkaskoversicherung für kommerziellen Erfolg ab.
Während Udo Lindenberg zu nerven begann und sich deutsche Liedermacher auf verstaubten Ritterburgen was vorsangen, schuf Reichel die elektronische Musik, die erstmal kaum einer wirklich verstand. Spätestens da war jedem klar, dass er sich nicht einordnen ließ oder wollte. Sturköpfig zog er nur das durch, was er wollte. Seitdem weiß man nicht, womit er beim nächsten Album um die Ecke kommt.
Warum halten ihm die Fans bei allen unerwarteten Volten die Treue?
Das sieht man bei Live-Konzerten, die er immer reichlich gibt:
Auch wenn er auf ´ner Bühne sitzt, hat jeder im Raum das Gefühl, er spielt nicht für uns, sondern mit uns. Dadurch entsteht ein merkwürdig intensives Gemeinschaftsgefühl. Und Achim Reichel wird als „einer von uns“ wahrgenommen. Ähnliches konnte man in den späten 60ern erleben, als die Bands ein Teil des Movement waren und nicht als Wirtschaftsunternehmen gesehen wurden.
Reichel hat diese tief empfundene demokratisch-sozialistische Utopie der 60er nie aufgegeben. Wie sehr ihn die politisch-ökonomischen Fehlentwicklungen bewegen, hört man in seinen wütenden Texten, etwa in „Exxon Valdez“ oder „Neandertaler in Nadelstreifen“.
Aber was nützt der beste Text, wenn die Musik keine Substanz hat?
Mitte der 1970er überraschte er mich mit „Dat Shanty Alb´m“. Das war unter den hanseatischen Emigranten in München stark angesagt.
Und in den 1980ern lernte ich ihn persönlich kennen, dank Jörg Fauser, mit dem Achim damals intensiv zusammenarbeitete. Aber das ist eine andere Geschichte… Siehe https://martincompart.wordpress.com/2019/01/25/herzlichen-glueckwunsch-achim-reichel/
Achim war immer so hanseatisch deutsch, wie Ray Davies britisch oder Bob Dylan nordamerikanisch war, beziehungsweise ist. So wie Davies Music Hall-Einflüsse verarbeitete und aktualisierte, gräbt Achim immer wieder tief im deutschen Kulturgut, um Shantys oder Volkslieder zu entstauben und aktuell zu revitalisieren. In „Kuddel daddel du“ kann man den Schlager der Weimarer Republik raushören.
Wer sich so intensiv mit Volkskultur (im progressiven Sinne) beschäftigt, schafft dann selber welche.
Anders als der Egomane Davies nutzt Achim auch die Werke deutscher Klassiker oder neuer Dichter (am prominentesten wohl Fauser), um sie originell zu vertonen. Er riss zu vergessen drohendes oder zu Schulstoff verkommenes („Erlkönig“, „Zauberlehrling“ etc) zurück in die Popularität.
Das hat so manchem gelangweilten Schüler klar gemacht, wieviel Spaß man an dem alten Mist haben kann.
Mit Davies scheint er auch die Liebe zu seiner Heimatstadt zu teilen. Ohne London ist Ray kaum vorstellbar, er schrieb einige der schönsten Songs über die Stadt („Sunny Afternoon“, „Waterloo Sunset“ u.a.). Bei Reichel schwingt der Hanseat immer mit – im Tonfall und auch in der coolen Ereignisbeschreibung („Dolles Ding“), die man erst braucht, wenn sie da ist.
Am verblüffendsten ist für mich sein laid-back-Sound!
Diese uramerikanische Gitarrenmusik, die man mit Leuten wie Tony Joe White oder J.J.Cale verbindet, geht Reichel in Kombination mit deutschen Themen und Texten so leicht aus der Klampfe, als hätte er sein Leben lang in Oklahoma auf der Veranda Maispfeife geraucht.
Diese Unangestrengtheit kommt auch seinen Hits zu Gute: „Der Spieler“, „Aloha Heja He“, „Fliegende Pferde“, „Exxon Valdez“, „Amazonen“, „Boxer Kutte“, „Kuddel Daddel Du“ – wenn er will, kann er eben mal so Hits raushaun (auch wenn der Markt das manchmal nicht mitkriegt oder Radio-Idioten sie sabotieren, wie bei „Amazonen“ von 1993, von Radiosendern nicht gespielt, weil er das Wort „Männerarsch“ enthielt und als „frauenfeindlich-diskriminierend“ interpretiert wurde).
Ganz nebenbei schrieb er auch noch den definitiven Song, der die „Neue Deutsche Welle“ voll auf den Punkt bringt: „Robert der Roboter“.
Das Lied über maritime Geschlechtskrankheiten „Aloah Heja He“ ist einer der ganz wenigen Schichten übergreifenden Monsterhits: Er funktioniert grölend im Bierzelt und auf Schützenfesten genauso wie unter kichernden, kiffenden Intellektuellen. Vielleicht sowas wie sein „Satisfaction“. Im Mörserfeuer dieses Songs verbrennt er jeden Saal, der dann in bester Laune nach Hause geht, ohne von Gonokokken beunruhigt zu sein. „Die Single klemmte zuerst und die Plattenfirma war schon drauf und dran, den Mut zu verlieren. Und dann kam von denen der wunderschöne Spruch, den ich nie vergessen werde: ‚Achim, wir glauben, der Song ist zu sehr ‚Out of normality‘.“
Das Reichels Platten international lässig mithalten, liegt auch an der Qualität ihrer Produktion. Immer auf der Höhe technischer Möglichkeiten, aber nie überproduziert und mit exzellenten Arrangements (da macht ihm niemand was vor). Und er hat ein Händchen für Musiker! Die Bands, mit denen er tourt, sind immer erstklassig und laufen auf allen 12 Zylindern.
Und während die meisten zeitgenössischen Pop-Musikanten – Bands wie Silbermond und andere mit durchnummerierten Christa Stürmer-Zombie-Sängerinnen – in ihren Hirnen Geisterstädte unterhalten, ist Reichel neugierig und rege wie immer.
Achim gehört zu den wenigen Großen aus den Sixties, die nicht nur nostalgisch Säle füllen, sondern weiterhin relevant sind, weil sie keinen Trends hinterher laufen. Viele Sixties-Ikonen sind inzwischen so leer wie Abbruchhäuser.
Nun ist Achim Reichel selbst Kulturgut. Zum Glück weiß er das nicht und macht einfach weiter, um mit den Stones, Ray Davies und einigen anderen dahin vorzustoßen, wo noch keiner war. Denn er ist immer noch topfit mit seinem wartungsfreien Gute-Gene-Körper.
Einer der schönsten Songs mit Fauser:
Bei dem Arrangement kann ich ausflippen. Einer meiner absoluten Lieblingssongs aller Zeiten!
Einer der schönsten Songs über eine Seite von Fauser – und damals kannten sie sich noch nicht.
Und hier erzählt Herr Reichel was: