Martin Compart


DAMNATION – Wenn Hammett heute TV-Producer wäre… by Martin Compart
29. März 2019, 2:43 pm
Filed under: Damnation, Dashiell Hammett, TV-Serien | Schlagwörter: , ,

Die grandiose TV-Serie DAMNATION (Netflix), eine der bisherigen intellektuelle Höchstleistungen der amerikanischen TV-Serienkultur, in  CRIME TV:

DAMNATION – WENN HAMMETT HEUTE TV-PRODUCER WÄRE…




Amerikanischer Abschaum: Roy Cohn by Martin Compart
14. Juli 2018, 10:52 am
Filed under: Dashiell Hammett, MiCs Tagebuch | Schlagwörter: , ,

MiCs Tagebuch – Juli 2018

Eine kurze Anmerkung zu Dashiell Hammett

Charakter offenbart sich in der Prüfung. Dieser Satz bewahrheitet sich insbesondere bei Dashiell Hammett, der sich seit den 1930er Jahren politisch stark gegen den Faschismus und Kapitalismus engagierte. Seine zeitweilige Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei machte ihn Anfang der 1950er Jahre u.a. zur Zielscheibe der von Senator Joe McCarthy betriebenen hysterischen Kommunistenhatz in den USA. Die Befragung von Hammett vor dem HUAC, dem Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe, 1953, führte unter anderem Roy Cohn durch, damals der oberste Rechtsberater McCarthys. Das Protokoll ist lesenswert.

Roy Cohn gelangte später als Mafia-Anwalt zu Ruhm und Reichtum und war zudem Rechtsberater von Fred Trump, dem Vater des pissblonden US-Präsidenten. Frederik Christ Trump, so der volle Name, gab seinem Sprössling Cohn als Mentor an die Hand, damit der Junge das Immobiliengeschäft von der Pike auf lernt. 1977 versuchte Cohn seinen Ex-Chef McCarthy mit einem Buch über die großartige Arbeit der HUAC reinzuwaschen. In einer Mittagstalkshow im Rahmen der Buchpromotion von Cohn, nahm Gore Vidal sich Autor, Werk und die Zeit der unamerikanischen Umtriebe vor. Die Qualität des US-Fernsehens vor vierzig Jahren ist immer wieder überraschend. Die Aktualität von Vidals Äußerungen ebenso.

Dashiell Hammett wurde aufgrund seiner Überzeugung von den Finanzbehörden verfolgt und finanziell ruiniert, seine Bücher wurden zeitweilig aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt. Nachdem er 1951 vor Gericht die Aussage über den Kautionsfond des Civil Rights Congress verweigert, steckte man ihn als „unkooperativen Zeugen“ für sechs Monate Beugehaft ins Gefängnis. Er schwieg auch nach seiner Freilassung. Hammett blieb seiner Überzeugung treu.

MiC, 14.07.18

DER FLUG DES MALTESER FALKEN – zu DASHIELL HAMMETT 2/



WEISE WORTE by Martin Compart
24. Januar 2017, 5:12 pm
Filed under: Dashiell Hammett, Weise Worte | Schlagwörter: ,

„Mr. Hammett, welche Art von Literatur ist am erfolgreichsten?“
„Erpresserbriefe.“



HILLMANNs HAMMETT by Martin Compart
25. März 2015, 3:08 pm
Filed under: Bücher, Comics, Dashiell Hammett, Noir, Rezensionen | Schlagwörter: , , , ,

eintret[1]
Man mag es heute kaum glauben, aber es gab eine Zeit, da existierte der Begriff Graphic Novel noch nicht. Bei der Erstveröffentlichung von Hans Hillmanns „Fliegenpapier“, schauten die meisten dumm aus der Wäsche. Hans_Hillmann[1]Es war kein „richtiger“ Comic – aber irgendwie doch noch einer.

Wie Hal Foster bei „Prinz Eisenherz“ oder Burne Hogarth bei „Tarzan“, verzichtete Hillmann auf Sprechblasen, aber anders als bei Prinz Eisenherz zog sich jedes Panel über die ganze Seite, häufig über zwei Seiten. So etwas hatte man in dieser Konsequenz zuvor noch nicht gesehen. Wer die Arbeiten des amerikanischen Großmeisters Jim Steranko (Chandler) kannte, war nicht ganz so verwirrt. Heute fällt es leicht zu beurteilen, was Hillmann damals gemacht hat: er schuf eine völlig eigenwillige Form der Graphic Novel, mehr am Film orientiert als am Comic.

Das Werk hat längst Klassiker-Status.

Faszinierend ist das Timing der Erzählung: Hillmann wechselt von statischen Bildern zu explosiven Sequenzen und verleiht der Geschichte eine Dynamik, die man in Dashiell Hammetts Vorlage so expressiv nicht findet. Anders als die üblichen Graffic Novels wird man diesen Band immer wieder in die Hand nehmen und in den Panels stöbern wie in einem Bildband.

Detaillierte Hintergründe zum epochalen Werk und seinem Autor findet man in dem wunderbaren Aufsatz „In der Lücke“ von CHRISTOPH HOCHHÄUSLER unter:
http://parallelfilm.blogspot.de/2014/05/in-der-lucke.html
dash3ok[1]
Hier nur ein kurzes Zitat:

“ Wahrheit diesseits der in Nach über 120 Plakaten, darunter für Filme von Buñuel, Kurosawa, Hawks, Welles, Lubitsch, Godard – entstand der Wunsch, einen Film auf Papier* zu machen. Eine Vorlage war bald gefunden: „Flypaper” von Dashiell Hammett, eine Kurzgeschichte, hard boiled. Erklärtes Ziel war es, den Text zu verzehren, bis auf einige Dialoge sollte alles Zeichnung werden. Hammett deshalb, weil er, mit seinem realen detektivischen Hintergrund, von der Beobachtung her kommt. Zwei Reisen in die USA, eine während eines dafür genommenen Forschungssemesters 1976, nutzt Hillmann zur Recherche; mit Bleistift und Kamera notiert er visuelle Details in New York und vor allem San Francisco; Feuertreppen, Hotelfensterblicke, Straßenecken, Möbel, Treppenhäuser…“

Die Erstausgabe erschien 1982 bei 2001;2005 gab es eine schöne Paperback-Ausgabe bei dtv. Jetzt veröffentlichte der Avant Verlag eine großformatige 260seitige Hardcover Ausgabe, hervorragend gedruckt auf gutem Papier. Für 29,95 € erhält man eines dieser besonderen Bücher, die für immer einen besonderen Platz im Buchregal einnehmen.
HH_13_1982_Titel-Illustration_Fliegenpapier__Hans_Hillmann_[1]



GET LEWIS – Ted Lewis und Brit Noir 3/ by Martin Compart

Also schrieb er seinen Klassiker: JACK’S RETURN HOME. „Die Inspiration kam durch zwei Quellen: Chandlers Romane und die amerikanischen Noir-Filme der 40er- und 50er Jahre. Beides beeinflusste mich ungefähr zur selben Zeit. Ich war noch in der Grundschule, und meine Kumpels und ich verbrachten die meisten Abende in einem der zwei Kinos der Stadt. Das eine Kino zeigte vor allem britische Filme und amerikanischen Mainstream. Aber das andere zeigte B-Pictures, uraltes Zeug zum Teil, und in Doppelvorstellungen. Da gingen wir hin. Das war das Zeug, das man sich nicht ansehen sollte.“

Ted Lewis gelingt ein bedrückendes Portrait einer miesen Industriestadt (die fatal an heutige Städte im Ruhrgebiet erinnert) Ende der 60er Jahre. Der Hedonismus des rebellischen Jahrzehnts ist verweht, der Optimismus auf eine bessere Welt in der Endlichkeit des Wirtschaftswachstums versumpft. Dumpf vegetieren die Menschen dahin, zerbrochen vom Überlebenskrieg. Auf sie trifft H.P.Lovecrafts Satz zu: Weder leben die Bewohner, noch wissen sie zu leben in dem Haschisch industrieller Knechtschaft. Sie leben in einer urbanen Landschaft, ohne klare Wahrnehmung und ohne sichere Existenz. In schleichender Verwesung sitzen sie in den Pubs um das Ende aller Träume abzuwarten. Jack Carter ist eigentlich einer von ihnen, hatte sich aber rechtzeitig abgesetzt und kommt angeschlagen aber unbesiegt zurück in seine elende Heimatstadt. Er will seinen Bruder beerdigen, der Nichte ein besseres Leben ermöglichen und herausfinden, was wirklich hinter dem Tod des Bruders steckt. You can«t go home again, hatte Thomas Wolfe behauptet. So genannte Return-Romane sind inzwischen fast ein Subgenre, und auch in der Kriminalliteratur gibt es dafür eindrucksvolle Beispiele: Mickey Spillanes THE DEEP und THE ERRECTION SET oder etwa Kenneth Millars BLUE CITY (fast immer verbinden sie sich mit den Corruption-City-Geschichten in der Folge von Dashiell Hammetts RED HARVEST) Lewis Sprache packt den Leser von der ersten Seite an. Der szenisch-filmische Aufbau treibt die Handlung mit hohem Tempo voran. Die Settings wechseln von elenden Kitchen-Sink-Momenten zu harter Action oder gehobenen Unterweltmilieus. Der Angry Young Man als Hard-boiled-Autor, der John Osborne oder Alan Silitoe mit Hammett, Jim Thompson und John MacPartland kreuzt. Er ist kein väterlicher Reiseleiter durch diesen Alptraum, er schafft den Alptraum und steigert ihn bis zum bitteren Ende. Der wenig angenehme Jack Carter gewinnt unsere Sympathien, weil er geradezu archaisch auf Blutrache besteht. Zivilisatorische Schranken haben in seiner Welt wenig Bedeutung. Ted Lewis macht ihn zu einem in jeder Sekunde glaubhaften Charakter. Carter ist eine runde Figur, die einen aus den Seiten des Romans anspringt, kein Pappcharakter. Und der Leser mit seinen gebremsten Sympathien für diesen knallharten Gangster kann sich der Anteilnahme nicht entziehen, denn Carter ist ein ebenso intelligenter wie ironischer (jedenfalls manchmal) Erzähler. Nur weil er ein so brutaler Kerl ist, hat er überhaupt eine Chance. Und ernsthaft würde wohl kein Leser die versaute Arbeiterexistenz des Bruders der Gangsterexistenz Carters vorziehen. Carter ist kein üblicher Held – Gott bewahre! Er ist nicht stark genug um der Korruption zu widerstehen, aber stark genug um sich ein Stück davon zu erkämpfen. Er kennt die Codes der Unterwelt genauso wie die Rituale der Unterschicht. Carter ist kein Gentleman-Hero. Er ist der proletarische Facharbeiter des Verbrechens. Ein Profi, der, wie Richard Starks Parker, seinen Job gelernt hat und ihn selbstsicher ausübt. Ganz den Idealen der 60er Jahre verpflichtet, ordnet er sich keiner Authorität unter. Weder seinen direkten Vorgesetzten, den Fletchers, noch den regionalen Geschäftspartnern. Er hat keine Skrupel mit der Frau seines Bosses ins Bett zu steigen, will sie ihm sogar endgültig ausspannen. Loyalität hat Grenzen. Er ist nur ein Söldner, der seine Arbeitskraft verkauft. Das Gegenstück zum amerikanischen Revolvermann des Wilden Westens, der seine Fähigkeiten vermietet und die Mieter immer auch verachtet. Die Rückblenden, in denen er sich an Frank erinnert, sind knapp und eindringlich, verdeutlichen, das Carter zur ersten amerikanisierten Generation gehört (wie sein Autor). Die Jungen eiferten Cowboys nach, hörten Jazz und sahen amerikanische Filme. Ein Gewehr mit sich rumzuschleppen ist für sie der Inbegriff der Freiheit (und eines gelungenen Tages). Die Sozialisation durch amerikanische Gewaltkultur ging bei Jack bestens auf – den Bruder ließ sie als Versager zurück. Es ist eine amerikanische Form von Freiheit und Glück, denen die Carter-Jungs nachhingen. Das Glück des Brutaleren oder Cleveren. Was Lewis Roman ebenfalls bemerkenswert macht, ist die Darstellung des Einbruchs amerikanischer Verhältnisse in England (und Europa). Nicht nur Jugend und Subkulturen sind amerikanisiert, auch das organisierte Verbrechen ist es jetzt: Die Grenzen zwischen Kriminalität und legalen Geschäften sind verwischt. Legale und illegale Wirtschaft verschmelzen – ganz amerikanisch – in den Händen derselben Bosse, die die Stadt kontrollieren. Nicht umsonst erinnerte Jack die Stadt in seiner Jugend an eine amerikanische Boomtown. Fair play existiert in seiner Welt nicht. Im Umgang mit Frauen ist er genauso brutal wie bei Männern. Es macht ihm nichts aus, Frauen zu schlagen. Aber dahinter steckt nie sadistisches Vergnügen. Seine zielgerichtete Gewalt ist Mittel zum Zweck. Genauso wenig belastet es ihn, wenn ein tumber Verbündeter (Keith) seinetwegen in Not gerät (oder die Geliebte verstümmelt wird und damit keinen sexuellen Wert mehr für ihn hat).



GET LEWIS – Ted Lewis und Brit Noir 2/ by Martin Compart

Edward Lewis wurde am 15. Januar 1940 in Manchester geboren. Er wuchs als Einzelkind auf und sah seinen Vater zum ersten Mal mit sechs Jahren, als dieser aus dem Krieg heimkehrte. Nach der Rückkehr des Vaters zog die Familie nach Barton-On-Humber. Ted war ein ruhiges Kind, hatte aber ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern. Er suchte ihre Anerkennung, schien aber keine zu bekommen. Jo White, Teds Exfrau, beklagte diesen Komplex noch nach Teds Tod. Wie gering Teds Fähigkeiten von seinen Eltern geschätzt wurden (und auch nie gefördert), illustriert eine Anekdote, die sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere zutrug: Bei der Premiere von GET CARTER fragte der Vater allen Ernstes Teds Agenten: „Wann fängt Ted an etwas Vernünftiges zu arbeiten?“ Die Anerkennung, die ihm im Elternhaus versagt blieb, suchte der unglückliche Junge anderswo.
Teds Englischlehrer war der Schriftsteller Henry Treece, der die Talente erkannte und ihn ermutigte. So schrieb Ted erste Arbeiten für die Schülerzeitung. Aber auch Treece konnte die Zurückweisung durch die Eltern nicht kompensieren. Aber vielleicht das Leben auf der Strasse, in der Gemeinschaft jugendlicher Rabauken und in den schummerigen Pubs. Bereits mit vierzehn Jahren begann Ted zu trinken. Seine Exfrau interpretierte das als Rebellion gegen seinen Vater. Ted entwickelte seine Hyde-Seite, da man seine Dr.Jekyll-Begabung nur unzureichend würdigte.
Als Ted seinen Eltern offenbarte, er wolle auf die Kunsthochschule von Hull gehen, waren die natürlich sofort dagegen. Künstlerische Aktivitäten galten nichts im Hause Lewis. Brotlose Kunst für reiche Müßiggänger. Mühsam intervenierte Treece mit der ganzen Autorität als Lehrer und anerkannter Schriftsteller und setzte schließlich Teds Ambitionen bei den Eltern durch. Ted war Treece Zeit seines Lebens dankbar, blieb mit ihm befreundet und kümmerte sich nach dem Tod des väterlichen Freundes um dessen Witwe und Kinder.
Vier Jahre besuchte er die Kunsthochschule und ließ sich zu einem professionellen Illustrator und Zeichner ausbilden. Es scheint eine glückliche und wilde Zeit gewesen zu sein. Gemeinsam mit seinen Kumpels Brian Case (später Autor des Noir-Thrillers THE USERS) und Neville Smith (Autor von GUMSHOE) zog er durch die Pubs der Stadt, immer auf der Jagd nach Mädchen. Er spielte in einer Band Klavier (in der Helen Shapiros Bruder das Schlagzeug bearbeitete).
Neben Malerei und Musik faszinierte ihn das Schreiben immer mehr. 1965 erschien sein erstes Buch: ALL THE WAY HOME AND ALL THE NIGHT THROUGH. Eine stark persönlich geprägte Geschichte über eine Romanze an einer Kunsthochschule. Sein Lektor beim Verlag Hutchinson, Giles Gordon, erinnerte sich: „Ted war einer der unmöglichsten und arrogantesten Menschen, die mir je begegnet sind. Er war vollkommen davon überzeugt, er sei der beste Schriftsteller, der je auf Erden gewandelt ist.“
Vom Schreiben konnte er natürlich nicht leben. In dieser Zeit illustrierte er Kinderbücher, Pierre Boules Roman DIE BRÜCKE AM RIVER KWAI und arbeitete für eine Werbeagentur.
1966 heiratete er Jo Whittle. Und er konzentrierte sich als freiberuflicher Illustrator auf Zeichentrickfilme (u.a. malte er die Hintergründe für eine LONE RANGER-Fernsehserie). Er verdiente gut und kaufte ein Haus in Wicken Bonhunt in Essex. Ted wollte jetzt hauptsächlich schreiben, und Jo unterstützte ihn darin, indem sie als Sekretärin arbeitete. Wenn das Geld knapp wurde, nahm er einen Job beim Zeichentrickfilm an. So arbeitete er 1968 auch an YELLOW SUBMARINE mit.
Der Großmeister des Brit-Noir, Derek Raymond, erinnerte sich an Lewis: „Ich kannte Ted Lewis – nein, eigentlich saß ich nur neben ihm. Niemand, den ich kannte, kannte jemals Ted Lewis – es war unmöglich, ihn kennenzulernen, nicht mal oberflächlich. Ich traf ihn, weil mein erster Roman in derselben New Authors-Reihe bei Hutchinson erschien wie Teds erstes Buch. Und so war Lewis regelmäßig im selben Pub unter Hutchinsons Büro, im HORSE AND GROOM in der Great Portland Street, wie wir anderen (inklusive unseres Herausgebers Graham Nicol). Und aus denselben Gründen – nicht nur wegen der Biere, sondern um ein paar Pfund Vorschuss locker zu machen (keiner von uns hatte es leicht, und ich hatte dazu noch eine kostspielige Freundin). Aber Lewis saß ausnahmslos allein am anderen Ende der Bar, und ich sah ihn nie mit einem Mädchen. Gewöhnlich saß er nach vorn gebeugt, mit einer Haltung, die an ein Gebet erinnerte, den Kopf auf seine Arme gestützt. Keiner von uns konnte ihn kennenlernen, denn er war immer völlig betrunken. Er war blond, sah gut aus, hatte ein Gesicht, das ich mochte – und ich hätte nichts gegen eine längere Unterhaltung einzuwenden gehabt, besonders nicht, nachdem ich JACK’S RETURN HOME gelesen hatte. Sie kam nie zustande. Man konnte etwas zu ihm sagen, aber er antwortete nicht, und wenn man ihn ansah, hatte man den Eindruck, als offenbare sich einem der geheimnisvolle Anblick eines farbigen Glasfensters. Das war in den Sechzigern, vermute ich. Dann ging ich nach Spanien und Tanger und sah ihn nie wieder. Alles, was ich jetzt noch tun kann, ist, ihm meinen Respekt für seinen Mut zu zollen, der es ihm ermöglicht hat, so zu schreiben, wie er es tat, solange er es tat, den Horror draußen mit Begriffen seines eigenen inneren Horrors zu beschreiben, wenn nötig mit der Hilfe von Alkohol oder irgendeiner anderen Waffe, die es ihm ermöglichte, seine Sache durchzuziehen… Er ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich das Schreiben sein kann, wenn man es ernsthaft betreibt, und Ted Lewis‘ Werke beweisen, dass er nie vor irgendwas davongerannt ist.“
Ted war ein großer Fan von Raymond Chandler und der amerikanischen Hard-boiled-School. Weiterhin zählten Ed McBain, John O’Hara, Saul Bellow, James Thurber, Isaac Asimov, Graham Greene, Patrick Campbell und – natürlich! – Henry Treece zu seinen Lieblingsautoren. Aber es waren vor allem Chandler und die amerikanischen Tough-Guy-Autoren, die ihn inspirierten. Er fand nichts vergleichbar überzeugendes unter den britischen Autoren, obwohl es einige gab. Wenn auch nicht auf dem Level seiner Vorbilder. James Hadley Chase, die bereits erwähnten Jackson Budd, Gerald Kersh, David Craig, James Barlow, Jack Monmouth und andere hatten bereits finstere London-Novels vorgelegt und unbemerkt die eine und andere Gemme des britischen Noir-Romans geschrieben. Außerdem war der weltweite Erfolg dieser Literatur ein weiterer Grund für Ted, sich dem Genre zuzuwenden.



GET LEWIS – Ted Lewis und Brit Noir 1/ by Martin Compart

Ted Lewis und sein Antiheld Jack Carter begleiten mich seit Jahrzehnten. Zuerst begegnete ich ihnen Anfang der 70er Jahre in einem Kino in England. Ich war völlig fertig nach dem Film. Mitte der 80er Jahre veröffentlichte ich die Carter-Trilogie in der Schwarzen Serie von Bastei. 2003 gab ich JACKS RETURN HOME nochmal als prachtvolles Hardcover mit Bildmaterial und Nachworten (u.a. eines von the one and only Hans Gerhold) heraus. Und vor einigen Jahren bearbeitete ich JACK RECHNET AB zum Hörspiel für den WDR. Dabei war das Runterkürzen auf 50 Minuten nicht sehr befriedigend; m.E. hätte man besser einen Zweiteiler daraus gemacht. Schon die Adaptionen von Horace McCoy, Manchette oder Jim Thompson haben ja bewiesen, wie nichtssagend diese Romane als kurze Hörspiele wirken.

Es gibt wohl kein solitäres Buch und keinen einzelnen Film, der so einen starken Einfluss auf das britische Noir-Genre hatte wie JACK’S RETURN HOME und seine Verfilmung GET CARTER. Für Jahrzehnte vergessen, wurde der Film in den 90ern (auch dank der Begeisterung von Blurs Damon Albarn) wiederentdeckt und taucht nun regelmäßig in Listen über die wichtigsten britischen Filme unter den Top 3 auf. In der britischen Filmkritik gilt der Film als „Weckruf der 70er Jahre“. „Die Permissivität der Swinging Sixties mutiert in Pornographie und Gewalt“, wie es Robert Murphy ausdrückt. GET CARTER ist absolut „in“: In Alex Cox’s MOVIEDROME wurde die ungekürzte Fassung gezeigt, in LOADED lief vor ein paar Jahren eine Comic-Strip-Version, in CRIME TIME und UNCUT waren Carter & Ted Lewis Titelthema und in MEN ONLY bekam die Videoveröffentlichung fünf Hämmer für Härte. Unglücklicher Abschluss der Carter-Hysterie war dann das Stallone-Remake. Lewis‘ Roman ist gerade in Frankreich wiederveröffentlicht worden und in England ist inzwischen fast jedes Buch von ihm wieder lieferbar. JACK RECHNET AB ist der Schlüsselroman der britischen Noir-Literatur, die im Vergleich zur amerikanischen keine ähnliche Stringenz aufweist. Die höchst eigenwillige britische Noir-Tradition brachte zwar einige Meisterwerke hervor, hatte aber nie so stilprägende Autoren wie die amerikanischen Vettern mit Dashiell Hammett, James M.Cain, Raymond Chandler, W.R.Burnett, Mickey Spillane, Jim Thompson, David Goodis oder Horace McCoy. Der britische Noir-Roman, wenn nicht einfach nur kommerzieller Epigone der Amerikaner, war ein im Schatten blühendes Pflänzchen, das von wenigen Autoren gepflegt wurde. Selbst der große Kriminalliteraturtheoretiker Julian Symons hat in seinem verdienstvollen Standardwerk BLOODY MURDER diesen Teil der britischen Szene unterschlagen (weil nicht erkannt?) und höchstens einzelne Autoren isoliert betrachtet. Lewis kommt in dem Buch gar nicht vor. Folgerichtig orientierte sich Lewis (ähnlich wie die Noir-Autoren der neuen Generation) an amerikanischen Vorbildern und nicht an englischen Autoren wie Jackson Budd, Gerald Kersh, David Craig, James Barlow, Jack Monmouth oder Douglas Warner Die schrieben finstere London-Novels über die Unterwelten der Metropole seit den 40er Jahren, waren aber keineswegs stilbildend. Es ist geradezu ruchlos, wie Regisseur Mike Hodges die Vorlage seines nicht minder stilbildenden Films runterputzte und darauf beharrt, wie grandios er doch die Vorlage bearbeitet habe (indem er zum Beispiel bei einer Kneipenbestellung Carters höhnisches „bitte“ weggelassen hat), um sie noch härter zu machen. Er hatte, was dem Film gut tat, auch eine ziemliche Distanz zur Hauptperson: „Jack Carter war so ein Haufen Scheiße, ich hätte nie gedacht, dass ein Star seine Reputation riskiert, um diese Rolle zu spielen.“ Der Regisseur, der zuvor zwei Fernsehfilme gemacht hatte und Dokumentationen für WORLD IN ACTION drehte, landete mit der 750 000 Pfund teuren Produktion den großen Wurf. Aber sind wir ehrlich: Ohne den grandiosen Film wäre der Roman nur ein Tip unter Eingeweihten, Mundpropaganda unter den härtesten der harten Noir-Afficionados. Und Ted Lewis wäre längst in Vergessenheit versunken, seine Bücher hochdotierte Jagdtrophäen in den schmuddligsten Antiquariaten des Eastends. Wer war dieser Mann, der fast im Alleingang den britischen Noir-Romanen eine Tradition und eine Identität gab?



DIE CHANDLER-BRIEFE by Martin Compart

Der Diogenes Verlag hat eine Neuausgabe der Chandler-Briefe angekündigt. In einem Schreiben an den Verlag habe ich darauf hingewiesen, dass die frühere Knaus-Ausgabe mit der Übersetzung von Hans Wollschläger einer ziemlich harten Bearbeitung bedürfe. Ich verwies auf meine Kritik im SPIEGEL. Zwar bekam ich keine Antwort, aber der Erscheinungstermin wurde wohl verschoben. Hier also die alte SPIEGEL-Rezension. In den Leserbriefen der folgenden Wochen wurden noch eine Menge weitere Fehler aufgeführt und Wollschläger durfte mich auch beschimpfen und beleiodigen. Das war ein großer Spass.

DER SPIEGEL 19/1991 vom 06.05.1991, Seite 249-253
Autor: Martin Compart

Die Haare stehen einem zu Berge

Martin Compart über die Übersetzung der Chandler-Briefe durch Hans Wollschläger
Compart, 36, ist Herausgeber des Jahrbuches für Kriminalliteratur.

Raymond Chandlers Rolle in der Literatur ist längst unumstritten. Der Autor des „Langen Abschieds“ und der „Kleinen Schwester“ hat zusammen mit Dashiell Hammett in seinen kalifornischen Kriminalromanen einen Archetypus des 20. Jahrhunderts etabliert: den idealistischen Kleinunternehmer, der als Privatdetektiv für mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgt. Daß er auch zu den großen Briefeschreibern dieses Jahrhunderts gehörte, belegte bisher in Deutschland nur der Diogenes-Band „Die simple Kunst des Mordes“, herausgegeben von Dorothy Gardiner und Kathrine Sorley Walker. Leider hatten die beiden den umfangreichen Brief-Corpus des Meisters ziemlich willkürlich bearbeitet – wie die 1981 von Chandler-Biograph Frank MacShane herausgegebenen „Selected Letters“ belegen.
Jetzt hat sich endlich auch ein deutscher Verlag dazu entschlossen, diese Briefsammlung zu veröffentlichen*. In ihr zeigt sich Chandler ähnlich witzig, klug und belesen wie in seinen Romanen und Kurzgeschichten. Tatsächlich erfährt man in diesem Buch über die Kunst – oder wie Chandler es wohl eher sah: handwerkliche Kunst – des Schreibens Eindrucksvolles.
Besonders über Hollywoods Filmindustrie und über den Beginn des TV-Zeitalters weiß Chandler seinen Briefpartnern anregend und originell, sarkastisch und bitter zu berichten. Und was er an Schelte und Lob über seine Kollegen austeilt, ist meistens treffend, immer aber witzig. Kurzum, es ist ein exzellentes Buch über das Schreiben und eine der unterhaltsamsten Briefsammlungen der angelsächsischen Literatur.
Der deutsche Leser, der auf die Lektüre des Originals verzichtet, muß sich allerdings mit einer Übersetzung zufriedengeben, _(* Raymond Chandler: „Briefe 1937-1959“. ) _(Aus dem Amerikanischen von Hans ) _(Wollschläger. Albrecht Knaus Verlag; 690 ) _(Seiten; 56 Mark. ) deren Qualität in keinem Verhältnis zum Ruf steht, den der Übersetzer genießt: Es ist Hans Wollschläger, der „Ulysses“-Neuübersetzer, der bereits Chandlers „Langen Abschied“ ins Deutsche übertragen hat. Hier, bei den Briefen, ist ihm das schier Unmögliche gelungen: Chandlers kurzweilige und direkte Prosa in eine oft gravitätisch daherstelzende Sprache zu übersetzen.

Außerdem drängt Wollschlägers Text dem Leser oft den Verdacht auf, der Chandler-Übersetzer verfüge nicht immer über sichere Kenntnisse des Chandlerschen Milieus, der amerikanischen Gegebenheiten und ihrer Sprache.
Medien wie die Pulp-Magazine scheint Wollschläger nicht zu kennen. Dabei waren diese Billigmagazine für die Entwicklung der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts von einiger Bedeutung. Autoren wie Jack London, Upton Sinclair, Sinclair Lewis, O“Henry, Tennessee Williams, Dashiell Hammett und Raymond Chandler begannen in ihnen ihre literarischen Karrieren. Über das Pulp-Magazin Black Mask schreibt Wollschläger: “ . . . daß sie und andere jahrelang in dem Buch gestanden hatten“. Genauso wie man Comic Book richtig mit Comic-Heft oder -Magazin übersetzt, sollte man auch bei den billigen Pulp-Magazinen von „Heft“ oder „Magazin“ sprechen.
An einer anderen Stelle dokumentiert Wollschläger, daß er sich offensichtlich nicht mit den amerikanischen Medien jener Zeit auskennt und daß er nicht den Unterschied zwischen dem englischen Ausdruck „novel“ (Roman) und „novelette“ (Novelle, lange Kurzgeschichte oder Kurzroman) kennt. Er übersetzt „just old pulp novelettes“ mit „alten Groschenromanen“. Der Ausdruck Groschenroman bezeichnet aber – um die Verwirrung komplett zu machen – die „Dime Novels“, Hefte, in denen romanlange Geschichten veröffentlicht wurden: direkte Vorläufer der typisch deutschen Groschenhefte, euphemistisch auch Romanhefte genannt.
Die Dime Novels erlebten ihre Blüte in den USA von 1860 bis etwa 1910 und wurden dann von den Pulp-Magazinen als beliebtestes literarisches Unterhaltungsmedium ihrer Zeit abgelöst. Während in den Dime Novels einzig ein langer Heftroman über einen trivialen Helden (Buffalo Bill, Kit Carson und so weiter) veröffentlicht wurde, brachten die Pulp-Magazine in jedem Heft verschieden — S.252 lange Kurzgeschichten („novelettes“ und „short stories“) von verschiedenen Autoren.
Aber nicht nur solche Ungenauigkeiten kennzeichnen die Übersetzung. Sie macht Chandlers direkte und unprätentiöse Sprache prätentiös. Zum Beispiel wird aus Chandlers profanem “ . . . the book now arrives“ ein hölzernes „Das Buch hat sich eingestellt“ und etwas später aus „various moods“ eine „verschiedene Gestimmtheit“. Aus „I wish Hollywood agents didn“t feel that they had to . . .“ wird „Ich wünschte, Hollywood-Agenten könnten sich des Gefühls entschlagen“. Chandler hat sich, so geht aus den Briefen hervor, den Kefauver-Ausschuß im Fernsehen angesehen. Er schreibt: „Kefauver himself is worth the price of admission any day“, also etwa: Kefauver allein lohnt das tägliche Zuschauen. Was steht bei Wollschläger? „Kefauver selbst ist den Preis der Bundeseingliederung jeden Tag wert“ – was immer das heißen mag.
Eine Seite später werden aus simplen Boten altgermanische „Sendlinge“. Wo Chandler vom hohen Ausstoß einiger Vielschreiber spricht, übersetzt Wollschläger einen „hohen Produktionsumfang“. Eine interessante Wortschöpfung findet sich da, wo Wollschläger Chandlers „catholicy of taste“ mit „Geschmackskatholizität“ eindeutscht, da muß man nicht päpstlicher als der Papst sein, um das als abstrus zu empfinden. 0099533510[1]
Holprig überträgt Wollschläger Chandlers „I don“t think the quality in the detective or mystery story which appeals to people has very much to do with the story a particular book has to tell“ zu „Ich meine nicht, daß die Qualität in der Detektiv- oder Kriminalgeschichte, die viele Leute so anspricht, sehr viel mit der Geschichte verbindet, die ein eigenständiges Buch zu erzählen hat.“
Eine lebensfremde Marotte, die Wollschläger schon in seiner Übersetzung des „Langen Abschieds“ hatte, ist die Ersetzung des Wortes „crook“ (Gauner, Ganove) durch das jiddische Wort „Ganeff“. Wer in Deutschland benutzt dieses ausgefallene Wort wirklich noch? Chandler beklagt an dieser Stelle die zunehmende Jugendkriminalität – es gibt also in diesem Zusammenhang nicht den geringsten Grund, den gebräuchlichen Begriff „crook“ durch einen im Deutschen geradezu antik gewordenen jiddischen Ausdruck zu übersetzen.
Auch vom Filmgeschäft der vierziger Jahre, an dem Chandler als Drehbuchautor (leidend und kreativ) gewichtigen Anteil hatte, scheint Wollschläger kuriose Vorstellungen zu haben. Da berichtet beispielsweise Chandler über die Regiearbeit von Howard Hawks: „Hawks shoots from the cuff more or less, he tells me, merely using a rough script to try out his scenes and then rewriting them on the set.“ Wollschläger macht daraus: „Hawks dreht mehr oder weniger aus dem Stegreif, sagt er mir, er benutzt bloß ein Rohscript, um seine Szenen zu probieren, und schreibt sie dann am Bildschirm nach.“ Offensichtlich verwechselt Wollschläger hier ein Fernsehgerät mit dem üblichen Ausdruck für Drehort („set“).
An einer anderen Stelle mutiert in seiner Übersetzung die Dramatikerin — S.253 („playwright“) Lillian Hellman zur Schauspielerin. Einem so gebildeten Menschen wie dem „Ulysses“-Übersetzer Wollschläger müßte die Autorin auch als Hammett-Lebensgefährtin und Streiterin gegen den McCarthyismus eigentlich bekannt sein. Daß der Gesang von Lauren Bacall statt „gedoubelt“ zu werden, „einsynchronisiert“ wird, ist ein weiteres Beispiel für Wollschlägers hilflose Sachferne; noch dazu, da es in einem Witz unter Drehbuchautoren auftaucht.
Komisch wird es, wenn Wollschläger „connoisseur of damp fart“ mit „Kenner der Feuchtfurzerei“ übersetzt. Zugegeben, der Dampffurz ist schwer zu übertragen. Aber im Kontext wird klar: Chandler spricht hier von Hollywoodschreibern, die ihre Sachen unter Druck schnell aus sich herauspressen, meinetwegen: herausfurzen.
An vielen Stellen wählt Wollschläger einen geschraubten Ausdruck für einen schlichten bei Chandler: Er legt seinem Autor beim Übersetzen nachträglich einen Stehkragen um. So heißt es zum Beispiel: „Ich möchte noch gern über den Punkt . . . mit Ihnen rechten.“ Chandler dagegen schrieb ganz simpel: „I dispute your point about ….“ An anderer Stelle übersetzt er „high budget mystery picture“, also einen teuren Kriminalfilm mit „hochaufwendiger Krimifilm“, was sicherlich nicht dasselbe ist.
Rätselhaft: Ein doppelter old-fashioned Whiskey macht die gänzlich unverständliche Metamorphose zu „zwei Schüssen Alte Kanzlei“ durch. Einen ähnlich kuriosen Getränkevorschlag lieferte Wollschläger bereits in seiner Diogenes-Übersetzung des „Long Goodbye“. Dort bezichtigt er den Keeper in Victor“s Bar, daß er in einen Gimlet ein „Bitterbier“ gemischt habe. Des Rätsels Lösung: Im Original verwendet der Barkeeper „Angostura“ – was Chandler wie sein Held Marlowe als Cocktail-Puristen ablehnten.
Zuweilen findet Wollschläger eine deutsche Entsprechung, die einen klaren gesellschaftlichen Sachverhalt in ein seltsames deutsches Biedermeier überträgt. So wird aus den „old-school-ties“, also den berühmten englischen Schulkrawatten, die einen Sozialstatus annoncieren, ein altmodischer „Bratenrock“ (Chandler genoß ja bekanntlich eine britische Erziehung und hat mit dem Gegensatz zwischen kalifornischer Modernität und englischer Tradition oft gearbeitet).
Ein wenig unbeholfen erscheint es auch, wenn Wollschläger „tough“ dauernd mit „rabiat“ übersetzt, denn das heißt es nur in den seltensten Fällen.
Bizarr wird es dann, wenn Chandlers für Uneingeweihte unverständlicher Slangausruf „wukkahs“ („who cares?“, also etwa: Was soll“s?) bei Wollschläger zu einem absolut unverständlichen „Ahbeeder“ wird. Die Haare stehen einem zu Berge, wenn er „unputdownable“ (also „man kann es nicht aus der Hand legen“ – weil es so spannend oder faszinierend ist) mit „unwiderleglich“ übersetzt.
Und so geht es fort und fort. Warum Hans Wollschläger über einen guten Ruf als Übersetzer verfügt, ist einem jedenfalls nach dieser Lektüre ziemlich unverständlich. Darauf ein Bitterbier!

— S.249 * Raymond Chandler: „Briefe 1937-1959“. Aus dem Amerikanischen von Hans Wollschläger. Albrecht Knaus Verlag; 690 Seiten; 56 Mark.



DER FLUG DES MALTESER FALKEN zu DASHIELL HAMMETT 3/ by Martin Compart

Diesmal mußte Hammett, oder Dash wie ihn seine Freunde nannten, nicht ins Gefängnis. Aber wirtschaftlich war der einstige Großverdiener Hammett nach den Anhörungen und dem Gefängnisaufenthalt zerstört, denn Hollywood machte keine Verträge mehr mit ihm, seine Bücher wurden nicht neu aufgelegt, seine Hörspielserien wie DIE ABENTEUER DES SAM SPADE oder DER FETTE MANN wurden abgesetzt, und kaum jemand erinnerte sich daran, dass dieser ausgebrannte Mann eine Menge Menschen finanziell immer großzügig unterstützt hatte. Noch Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft des inquisitorischen Senators standen Hammetts Bücher auf dem Index der öffentlichen Büchereien. Dabei verfolgten ihn die Steuerbehörden seit dem ersten Prozess gnadenlos. Die letzten Jahre überlebte er nur durch Tantiemen aus dem Ausland und die Unterstützung seiner einstigen Lebensgefährtin Lillian Hellman. Er starb 1961 als gebrochener Mann an Krebs.

Drei Monate nach dieser Anhörung, am 22.Juni 1953, erging eine vertrauliche Anweisung des State Departments an die amerikanischen Bibliotheken in Übersee, die die Entfernung subversiver Autoren anordnete. Die Hammett-Biographin Diane Jonson berichtete: Bücher von Hammett, Lillian Hellman, Langston Hughes, Theodore W.White und eine Reihe anderer waren betroffen. Die Bücherei in Tokio verbrannte in ihrer Begeisterung die Bücher, doch in anderen Ländern legten sie sie vorsichtshalber für später beiseite. In San Antonio forderte ein Frauenkomitee die Verbrennung von Albert Einsteins VIER VORLESUNGEN ÜBER RELATIVITÄTSTHEORIE und einer Ausgabe von MOBY DICK, die von dem linken Maler Rockwell Kent illustriert worden war. Thomas Mann, der noch in Kalifornien lebte und in Nazi-Deutschland die Verbrennung seiner Bücher erlebt hatte, erlebte nun erneut ihre Verbrennung in Amerika. McCarthy war begeistert von solchen Angriffen auf verräterische oder obszöne Autoren wie Hammett.
McCARTHY: Bloß weil etwas auf einem Stück Papier steht, ist es noch lange nicht heilig.

In seiner Autobiographie ZEITKURVEN erinnert sich Arthur Miller an die Zeit des ausgehenden McCarthyismus und an Hammett:

„Kennen Sie Dashiell Hammett?“
„Natürlich, sicher.“ Was alles in der Welt konnte ein Radikaler wie Hammett mit diesem John Wayne-Typ zu tun haben?
„Er war mein Sergeant auf den Aleuten: wir schliefen ein paar Jahre lang im selben Zelt. Ich verdanke ihm alles, was ich weiß.“ Ich war sprachlos! … Mit Hammett hatte mich nie eine besondere Freundschaft verbunden, und sei es auch nur deshalb, weil er selten etwas sagte. Manchmal hielt ich seine Schweigsamkeit für eine Strategie, um alle anderen mit seinen erhobenen Augenbrauen in die Defensive zu drängen. Aber er war ein ungewöhnlicher Mann mit Prinzipien, den man einfach achten musste. Natürlich hat er wundervoll geschrieben. Trotz seines Rufes als Mann der Tat fragte ich mich oft, ob er in Wirklichkeit nicht schrecklich introvertiert war. Alles Neue der Nachkriegszeit bedachte er mit einem verächtlichen Lächeln, als sei die Vergangenheit nicht weit und die Gegenwart nicht ernst zu nehmen. Wie seine langjährige Klebensgefährtin Lillian Hellman war er im Grunde trotz seiner egalitären politischen Überzeugungen ein Aristokrat. Er gab zwar vor, die unreifen politischen Ansichten und das persönliche Versagen von Hemingway und Fitzgerald abzulehnen, fühlte sich ihnen aber eindeutig näher als den Schriftstellern der Linken. Die zwanziger Jahre waren immer noch sein Maßstab, die Zeit, in der man Talent und die interessanten Reichen unbekümmert verehrte. Schneller als alles andere brachten ihn die derzeitige Gleichgültigkeit und Kälte im Umgang miteinander in Rage.
Mir schwindelte, als Royce ebenfalls Komplize wurde: „Ich bin nur heute hier, um Rinder zu kaufen. Ich lebe in Texas. Ich könnte Sie in etwa eineinhalb Stunden hier rausfliegen. Meine Maschine steht abflugbereit auf dem Flughafen. Ich habe ein paar tausend Morgen Land, und eines der Häuser da mitten drin ist im Augenblick leer. Dort wird man Sie nie finden. Übrigens wohnte Dash in dem Haus, als sie hinter ihm her waren. Er war nur dumm genug, wieder wegzufahren, und da haben sie ihn erwischt. Er hätte nie im Gefängnis gesessen, wenn er dort geblieben wäre.“
Martin Compart



DER FLUG DES MALTESER FALKEN – zu DASHIELL HAMMETT 2/ by Martin Compart

dashiellbcr460[1] Kurz nach Ende des zweiten Krieges begann in den USA eine Hexenjagd auf Künstler und Intellektuelle, die in den Verdacht standen linker Ideologie nahezustehen oder mit dem ehemaligen Verbündeten Sowjetunion zu sympathisieren. „Der Krieg gegen den Faschismus in Europa hat den Faschismus in den USA stark gemacht, denn anschließend wurden Amerikaner von der Regierung verfolgt“, bemerkte Hammett. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung in den Ausschüssen zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe des berüchtigten Senator McCarthy. Er ging außer gegen Schulen, Kirchen und Institutionen in erster Linie gegen Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren vor. Etwa 380 Personen mussten vor den Ausschüssen aussagen, sollten andere Personen als Kommunisten denunzieren und sich selbst belasten. Nur wenige behaupteten ihre moralische und politische Integrität. Darunter die so genannten Hollywood Ten, die lieber ins Gefängnis gingen als andere zu denunzieren, wie es zum Beispiel Walt Disney, Robert Taylor oder Elia Kazan taten. Auch Hammett mußte für sechs Monate ins Gefängnis, weil er sich geweigert hatte, andere Menschen zu denunzieren.

Die Gefängnisstrafe war noch nicht verkraftet, als man Hammett zum zweiten Mal vor den Untersuchungsausschuss lud. Hammett musste damit rechnen, wieder ins Gefängnis geworfen zu werden. Aber er knickte nicht ein, er blieb mutig und integer. Dieses Verhalten hat ihn neben seinem Werk zum Mythos werden lassen.
Senator Joseph McCarthy forderte Hammet auf, am 26.März 1953 vor dem ständigen Untersuchungsausschuss des Senats zu erscheinen. Als Rechtsberater des Untersuchungsauschss fungierte Roy Cohn, der Irvin Saypol im Fall Rosenberg assistiert hatte. Senator John McClellan gehörte dem Ausschuss ebenfalls an. Den Vorsitz führte Senator McCarthy. Legendär wurde folgendes Zitat:

MCCARTHY: Mr.Hammett, wenn Sie, wie wir es tun, über einhundert Millionen Dollar im Jahr für ein Informationsprogramm ausgäben, dass der Bekämpfung des Kommunismus dient, und wenn Sie für dieses Programm zur Bekämpfung des Kommunismus verantwortlich wären, würden Sie dann die Werke von etwa 75 kommunistischen Schriftstellern kaufen und ihre Bücher in der ganzen Welt verteilen und ihnen auch noch einen Stempel mit unserer offiziellen Anerkennung aufdrücken?
HAMMETT: Tja, ich denke – natürlich weiß ich es nicht – , falls ich den Kommunismus bekämpfen würde, würde ich den Leuten überhaupt keine Bücher geben.

FORTSETZUNG FOLGT