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Wer die Wahrheit sagt, muss ein schnelles Pferd haben
(Konfuzius)
Wir leben aktuell in eine Zeitenwende, ohne uns dessen richtig bewusst zu sein.
Diese Zeitenwende führt uns in eine globalisierte, digitalisierte, besser noch: durch supranationale Giganten wie Google, YouTube, Facebook, Twitter gesteuerte Zukunft, in der mehr oder minder langfristig unser Gehirn offen als Interface benutzt werden wird: Brain-Computer-Interface, Hirnrinden-Interface, was auch immer, klingt schlimm, tut aber nicht weh.
In Deutschland oder Europa drohen wir auf Entwicklungsländer-Niveau zurückzufallen, da wir weder große digitale Plattformen haben wie in den USA oder China und nicht einmal die ethische Diskussion zu diesem Thema an- bzw. mitführen.
Cixin Liu, ein chinesischer SF-Schriftsteller, sprach in einem Interview davon, dass diese Zukunft nur unter Schmerzen zu erreichen ist. Vor uns liegt womöglich eine höllische Dystopie mit erheblichen Verwerfungen, ökologischen, ökonomischen – und das rettende Land ist in weiter Ferne.
Die gegenwärtige Pandemie ist ein Indikator der schmerzhaften Geburtswehen der Zeitenwende, die unser Verhalten gegenüber der virtuellen Zukunft programmieren wird, die sich in einer übervölkerten Welt leider auch in einer verheerenden Explosion unsinniger Bilderwelten manifestieren wird.
Unglücklicherweise drückte ein deutscher Kultusminister – eine Unsitte, Ministerien wie Gesundheit, Forschung, Umwelt mit Laien zu besetzen! – kürzlich seine Hoffnung aus, nach Corona wieder zum Status quo ante zurückkehren zu dürfen.
Aber wohin zurück, wenn sich die Reihen lichten?
In einer zeitgenössischen Kritik zum Metropolis-Film von Fritz Lang sprach H.G. Wells 1927 kopfschüttelnd von einer deutschen Mentalität, die Hochtechnologie mit dem mittelalterlichen Denken der Walpurgisnacht verbindet, die sehr bald darauf die Judenpogrome und Hexenjagden aus der Zeit des Schwarzen Todes in den Todesfabriken des Zweiten Weltkriegs industrialisiert hat.
Während wir on the road back to the Brocken sind, stellen sich in den dystopischen Verwerfungen der Zeitenwende bereits Fragen des Post- und Transhumanismus. Die widersprüchlichen globalen Finanzmärkte, losgelöst von wirtschaftlicher und ökologischer Verantwortung, sondieren kann ohnehin nur noch künstliche Intelligenz.
Wird der Mensch in seiner Massierung benötigt oder könnte er verschwinden wie ein Gesicht im Sand, wie Slavoj Zizek in leicht gebrochenem Deutsch warnt?
Sind es die Ausläufer eines posthumanen Zeitalters?
Es geht schon auch ums körperliche Überleben, nicht erst in ferner Zukunft, sondern aktuell in nächster Zukunft.
Längst ist das Pendel nach Asien zurückgeschwungen, wo die großen Krisen schneller und dynamischer überwunden werden und wo die Zukunft weit über Legislatur-Perioden hinaus gestaltet wird. Wir dagegen werden Putzerfische der Großen sein: wenn überhaupt, dann immerhin! Werden wir uns mit dieser Rolle begnügen…
Mein aktueller Wunsch: Ich habe es bedauert, zu spät nach Asien gegangen zu sein und die chinesische Sprache nicht gelernt zu haben, außer Ni hao. Ich habe ganz China bereist: sprachlos, auch angesichts der ungeheuerlichen Dynamik.
Eine Aufgabe für deutsche Bildungseinrichtungen: eine europäische Sprache schaffen und lernen, mit Asien zu kommunizieren: eurasisches Denken, nicht nur transatlantisches und europäisches, in ethischer Verantwortung, in der Vermeidung neuer faschistischer Tendenzen. Die Sprache ist es, die China eint. Sprechen wir mit.
Die Vergangenheit ist vorbei, die Gegenwart flüchtig. Für den Physiker gibt es kein Jetzt. Aber die Weichen stellen nicht unbedingt wir. Es sind Notwendigkeiten der Zukunft, die uns in ihrem Strom treiben lassen…
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P.S.:Gerade läuft die 6.Staffel und schürrt angenehm Ekel und Hass vor dem Kapitalismus.
„BILLIONS exaggerates some scenes for entertainment value,
but it really does capture the social milieu that
some hedge fund players inhabit — the way people live,
their wives, the social events they attend after-hours.
There hasn’t been something fictional that has felt as
real about the Wall Street world since [Tom Wolfe’s 1987
novel] The Bonfire of the Vanities.”
Bruce Goldfarb, Gründer und CEO des Hedgefonds Okapi Partners.
„Some of those situations are clearly drawn from
real life. You can tell the writers are obviously reading
The Wall Street Journal or Businessweek and then
ransferring that into the scripts… If I was writing t
he script of BILLIONS, I would start exploring the
interplay between D.C. politics and the financial markets,
because regulation is really going to matter and hedge funds
have thrived by being unregulated.”
Euan Rellie, Co-founder und Seniordirector der Investmentbank BDA Partners.
BILLIONS ist eine höchst bemerkenswerte und spannende Serie: Sie führt vor, wie das unmoralische Wirtschaftssystem durch Finanzspekulationen ohne Rücksicht auf den Planeten die Gier einiger Weniger auf die Spitze getrieben wurde und wird, und dass der Planet dadurch nicht die geringste Chance aufs Überleben hat. Denn in der plündernden Finanzwelt wurde als todbringende Waffe das Reale längst durch das Virtuelle ersetzt.
BILLIONS ist die Serie der Trump-Administration, die durch weitere Deregulierung Milliardärsträume wahr machte.
In der Serie gibt es keine Sympathieträger, nur asoziale Arschlöcher, die umgehend unter die Guillotine gehören. Ein besonders widerliches Beispiel ist der „neue“ Justizminister (in der 3.Season), der scheinbar direkt aus dem Trumpschen Kabinett in die Serie gerüpelt ist. Mehr Kotzmittel auf einen Haufen findet man nur in der Londoner City, der Wall Street oder im Frankfurter Bankenviertel (dort allerdings nur die Wasserträger).
Der personalisierte Grundkonflikt ist geradezu klassisch:
Auf der einen Seite ist ein etablierter Vertreter des Systems (Chuck Rhoades) und auf der anderen Seite ein gieriger Aufsteiger aus der Unterschicht (Bobby Axelrod).
Der eine ist unattraktiv, leidet unter einem autokratischen Vater und geht gerne zur Domina(auch gemeinsam mit der Ehefrau);
der andere ist charismatisch, erfreut sich an Konsum und redet sich ein, dass er seine Familie mehr als seine aus Frustration geborene Gier liebt.
Chuck will, dass die Regeln des Systems von den meisten eingehalten werden, Ax ist das egal, denn er weiß um den repressiven Nutzen des Systems für die Etablierten. Stattdessen pflegt er einen Lebensstil, der sich an Dekadenz orientiert und seine geistigen Mittel überschreitet.
„Everybody’s a libertarian until it’s their own town that’s dying,”
Umringt sind sie von einem Panoptikum aus ekeligen Konkurrenten und widerwärtigen Heloten. Gier und gegenseitiger Hass sind die Motoren ihres Handelns. Zwei Phänotypen des Kapitalismus, für die Klimawandel eine Marktvariable ist.
Zwischen ihnen steht Wendy Rhoades, die mit Chuck verheiratet ist aber für Ax(elrod) arbeitet (und von dessen Frau eifersüchtig gehasst wird). Sie ist der komplexeste Charakter und nicht komplett durchschaubar (nicht unvorstellbar, falls sie sich als bestens getarnter Serienkiller herausstellen würde).

Asia Kate Dillon as Taylor in BILLIONS (Season 2, Episode 02). – Photo: Jeff Neumann/SHOWTIME – Photo ID: BILLIONS_202_1570.R
Einer der interessantesten Charaktere ist das nichtbinäre Spekulationsgenie Taylor Mason, das soziopathische Neigungen gelegentlich mit funktionaler Empathie auszugleichen sucht. Aber Taylor Mason ist auch ein unberechenbarer Nerd.
„They turned us all into Starship Troopers, sent us to Klendathu and some of us got our brains eaten. And it wasn’t until the end of our time in that we realized we were the bad guys all along. It’s not like that here.”
Um sie herum manipulieren oder zerstören sie alles und jeden. Die einzige „saubere“ Figur wird in der 3.Season aus einer staatlichen Institution gefeuert, weil sie unbestechlich ist und gut ihren Job gemacht hat.
Die Serie schreckt auch nicht davor zurück zu zeigen, dass das Rechtssystem ebenfalls fast völlig korrumpiert ist und vor allem der Egomanie der Oberschicht zu dienen hat, die einst ihre Privilegien ebenso kriminell erreicht hatten wie der Axelrod-Typus. Die gelegentlichen Konflikte mit Wall Street basieren darauf, dass etablierte Kräfte ihre Gier nicht mit Aufsteigern teilen mögen.
„Tausende da draußen gucken Bruce Lee-Filme, trotzdem können sie kein Karate.“
“China’s a pig on LSD … you never know which way it’s gonna run!”
Chuck, der als Staatsanwalt bald eine politische Karriere anstrebt, ist eine unmoralische Figur, Bobby eher amoralisch. Auch aus dieser Spannung saugt die Erzählung zynisches Vergnügen. Genauso wie aus dem Verhältnis zwischen Hass und Gier als Energiequellen dieser vor Systemimmanenz glühenden Neo-Cons. Was Chuck noch eine zusätzliche Ekeldimension beschert, ist seine Bigotterie: Er erklärt seine gemeinsten Handlungen gerne damit, dass er den „kleinen Mann“ gegen das Establishment verteidigt. Trump wird seit der Erstausstrahlung (ab 2016) keine Folge verpasst haben (obwohl sie ihn geistig wohl überfordert hat).
In unserer Welt gibt es mehr Kapital als Dinge zu kaufen. Das unproduktive Kapital sucht ständig nach Anlagemöglichkeiten, um sich zu vermehren. Diese Spekulationsblasen sind ein perpetuum mobile, dass mittelfristig das eigene System zerstören wird. Denn im Gegensatz zum Axiom der liberalen Scharlatane ist Wachstum, auch das von Kapital, nicht unendlich. Diese These würden beide Antagonisten, Chuck und Ax, ablehnen. Reduktion der Ungleichheit ist für sie keine Option. Warum den Planeten für Säugetiere retten, wenn man mit seiner Zerstörung Geld verdienen kann?
Die Serie ist grandios umgesetzt (in einer Qualität, die man in Deutschland wohl nie erreichen wird). Bestes Schauspiel, effektive Regie.
Und geschrieben ist sie fantastisch, auf einem Niveau, wie es nur die besten Angelsachsen können. Selbst den Soap-Elementen gewinnen die Autoren meistens noch frische Aspekte ab.
Es sind vor allem die unerwarteten Volten in der Handlung, die einen an den Bildschirm fesseln und wohl weitgehend dazu beigetragen haben, dass BILLIONS immer erfolgreicher wird und SHOWTIME gerade eine sechste Season in Auftrag gegeben hat. Die fünfte wurde aus Corona-Gründen nach sieben Folgen beendet.
Man sollte auch berücksichtigen, dass da draußen genug Opfer einer ideologischen Illusion vor den Bildschirmen sitzen, die BILLIONS aus den falschen Gründen mögen.
Die Serie ist wie Ross Thomas‘ schlimmster Alptraum.
Verantwortlich für diese Qualität sind vor allem die drei Männer, die sie erfunden haben: Brian Koppelman, David Levien und Andrew Ross Sorkin, die BILLIONS auch produzieren.
Koppelman (geboren 1966) war Musikmanager (u.a. bei Elektra!), entdeckte Eddie Murphy und Tracy Chapman, für deren erste Tonträgerverträge er verantwortlich war. 1997 schrieb er mit David Levien seinen ersten Film: ROUNDERS. Weitere Drehbücher (WALKING TALL, OCEAN´S THIRTEEN, etc.) folgten. In MICHAEL CLAYTON (2007) und I SMILE BACK (2015; basierend auf einem Roman seiner Frau Amy) war er als Nebendarsteller zu sehen.
David Levien ist Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Schriftsteller (darunter die Serie um den Privatdetektiv Frank Behr). Der gebürtige New Yorker begann auf der Universität mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und stieg 1989 ins Film- und Fernsehgeschäft ein.
„I’d been an avid crime fiction reader since I was a kid. Chandler and Hammett, John D. MacDonald, Donald Westlake, Elmore Leonard, Lawrence Block, James Elroy and even the crime novels of Cormack McCarthy are among my favorites. They set the standard — which is a very literary one I believe — in the genre, and the one that I strive for in my books… I’m fortunate in my film work — screenwriting, directing and producing — to work with a great creative partner, Brian Koppelman. We’ve been life-long friends since meeting on a summer trip more than 25 years ago. I had moved back to New York and was writing novels in my mid-20s and he was pursuing a successful career in the music business when he said he really wanted to write a screenplay, and to learn the form. I knew a lot about screenwriting from my time in Hollywood, where one of my jobs was as a script reader, and volunteered that we should write one together. Soon after that, Brian was taken to an underground poker club in New York. He lost all his money but was excited by the colorful world of „No Limit Texas Hold ‚Em.“ We started going to the clubs, playing poker every night, and that’s where ROUNDERS, our first movie, was born… For us the collaboration starts right at inception — throwing dialog back and forth in our office. Since we’ve known each other for so long, and grew up reading the same books, listening to the same music, and watching the same movies, there is a shared creative language that makes the whole process very natural.“
Für die Stimmigkeit der Fakten und des Milieus ist Andrew Ross Sorkin zuständig.
Der Wirtschaftsjournalist und Autor hat eine eigene Kolumne in der New York Times und schrieb über die Bankenkrise den Bestseller TOO BIG TO FAIL (Vorlage des Films von Curtis Hanson mit William Hurt und Paul Giamatti). Das Wissen um sein Knowhow macht BILLIONS umso erschreckender.
Alle drei betreiben transzendentale Meditation.
Trotz all des Vergnügens, den der Konsum von BILLIONS bereitet: Die abgebildete Systemrealität ist nicht mal nihilistisch, sondern nur pervers destruktiv. Da können Pandemien zum Hoffnungsträger werden.
P.S.: Diese Rezension bezieht sich auf die ersten drei Seasons. Man kann nicht prognostizieren – und das gehört zum schönsten, was sich über eine Serie sagen läßt – wie und wohin sie sich weiterentwickelt.
P.P.S.: Die ersten vier Staffeln gibt es auf DVD. Genau das richtige für ein besinnliches Christenfest.
„The torrent of pop culture references continues. Before watching season two, it is wise to be up to speed on, among other things, The Philadelphia Story, the Dalai Lama, the musical Hamilton, Ali G, the Roman poet Pindar, and always, not far below the surface, Moby-Dick.“
Mark Lawson in THE GUARDIAN
Es ist die bisher konsequenteste Darstellung des Kapitalismus, inklusive intelligenter und umfassender kultureller Verweise.
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Bei der Durchsicht der Frühjahrsvorschauen der großen Verlage sind mir zwei Dinge extrem aufgefallen:
1. Nur wenige Bücher erwecken mein Interesse. Ein Trend, der sich fortsetzt, ist das Ungleichgewicht meines persönlichen Geschmacks und was die Großverlage als Massengeschmack erkannt haben oder zu erkennen hoffen.
2. Die meisten Bücher sind von Frauen geschrieben, die nicht Patricia Highsmith, Denise Mina, Louise Welsh oder Camille Paglia sind.
Als Angehöriger des sensiblen Geschlechts muss ich mir Trost in der Musik suchen.
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Als Appetizer hier schon mal ein paar witzige Zitate, die einen ersten Blick auf den humoristischen Aspekt von Mairs Stil werfen:
„In einer Ecke verteidigte ein junger Unteroffizier den Wert der Keuschheit gegen den derben Humor einer älteren Dirne, und er sah nicht gut dabei aus.“
„Er zog sich in ein behagliches Wachkoma zurück und lauschte den weitschweifigen und zweifellos hochinteressanten Schilderungen aus dem Leben der Dunkelhaarigen.“
„Der Vollmond hatte schon seinen halben Weg über den Himmel zurückgelegt, und die flachen Gesichter der Häuser wirkten wie Kulissen eines kubistischen Balletts.“
„Laster unterlagen einer Überproduktion, wie anderes auch.“
„Hätte er kaltblütig gehandelt, verdiente er vermutlich zweihundert Tode – oder vielleicht auch nur vierzig; bei diesem Platon wusste man es nie so genau. Sollte es der medizinischen Wissenschaft jemals gelingen, Menschen nach einem unangenehmen Tod, sagen wir durch Ersticken, wiederzubeleben, könnte man den Täter wahrhaftig hundert Tode sterben lassen und ihn nach jeder Hinrichtung wieder aufwecken, außer nach der letzten. So ließe sich eine Art Tarifkatalog erstellen, von einem Tod für Taten im Affekt bis zu fünfhundert Toden für vorsätzlichen Raub, Unzucht und Vatermord, begangen an einem hohen Offizier, der gerade im Feld dem Feind ins Auge blickte; sollte die Berufung scheitern, wäre die Strafe zu verdoppeln.“
„Das Schaufenster präsentierte ein Durcheinander aus Büchern aller Sachgebiete, das dem Hirn eines senilen Gelehrten entsprungen sein mochte. Auf dem Ehrenplatz prangte eine gewaltige Prachtausgabe des Novum Organum von Francis Bacon, auf der einen Seite flankiert von einer deutschen Abhandlung über Vulkanismus, auf der anderen von einem illustrierten Handbuch über militärische Uniformen, in dem Offiziere mit Pomade im Haar und gewachsten Schnurrbärten wie launische Pfauen vor Landschaften posierten, in welchen Tau-sende berittener Soldaten in Rot und Weiß und in perfekter Formation in einem felsenbesetzten und von Kanonenkugeln zerfurchten Gelände zum Angriff übergingen. Rings um diese drei Zentralgestirne wimmelte ein staubiges Durcheinander aus Predigten, obskuren Dryden-Ausgaben, viktorianischen Handbüchern zur Leibesertüchtigung, alten Bänden des Spectator, antiken Theaterzetteln, Schmähschriften gegen vergessene Laster und Lobreden auf nicht weniger vergessene geistliche Tugenden. Es handelte sich um eine literarische Müllkippe, die Perlen ebenso enthielt wie Abfall – Strandgut der Grub Street aus vier Jahrhunderten.“
Als Conspiracy-Thriller ist der Roman bis heute herausragend und Maßstäbe setzend: Kein anderer mir bekannter Thriller geht ähnlich differenziert mit seinem Personal und der Verschwörungstruktur um, indem er die Haupthandlungsträger gleichermaßen negativ – oder freundlicher ausgedrückt: skeptisch – betrachtet. Mair schafft dies durch Stilmittel wie zynische Ironie, die er manchmal fast, aber nur fast, bis zur Satire treibt. Der allwissende Erzähler nimmt häufig eine spöttische Haltung ein, die auch seinen „Protagonisten“ – immerhin ein Mörder – nicht verschont. Eher das Gegenteil: Desmond Thane wird gnadenlos bloßgelegt und seziert.
Literarisch ist er ohne Nachfolger, obwohl er den modernen Paranoia-Thriller vorweggenommen hat. Am nächsten kommt ihm vielleicht noch Trevanian.
Sein früher Tod ist höchstwahrscheinlich der schlimmste Verlust für den Thriller. Sein einziger Roman ein herausragendes Leseerlebnis.
ELSINOR VERLAG: https://www.elsinor.de/elsinor/
INTERVIEW MIT DEM VERLEGER IN DIESEM BLOG (2016): https://martincompart.wordpress.com/2016/02/24/interview-mit-thomas-pago-verleger-des-elsinor-verlages/
JOHN BUCHANS DER ÜBERMENSCH: https://martincompart.wordpress.com/2015/01/09/thriller-die-man-gelesen-haben-sollte-der-ubermensch-von-john-buchan/
REZENSIONSEXEMPLARE unter: info@elsinor.de