Filed under: CHOSEN, Noir, TV-Serien | Schlagwörter: Chosen, Noir, Thriller, TV-Serie
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Filed under: Kaisermühlen Blues, TV-Serien | Schlagwörter: Ernst Hinterberger, Kaisermühlen Blues, TV-Serien
3SAT zeigt wieder Samstagvormittags die große Kultserie! Pflichttermin für jeden Serien-Junkie und ein weiterer Beweis dafür, dass nur die Österreicher im deutschsprachigen Raum (das lasse ich mal so stehen) TV-Serien auf höchsten internationalem Niveau hinkriegen. KAISERMÜHLEN BLUES muss sich nicht hinter MAD MEN, SHAMELESS, BIG BANG THEORY oder HUSTLE verstecken. Deshalb an dieser Stelle nochmals meine Eloge zum 20.Geburtstag dieses einzigartigen Serien-Kunstwerks.
ZUM 20.GEBURTSTAG VON KAISERMÜHLEN BLUES
In den letzten fünf Wochen (März-April 2012) gelang es dem immer mehr in der Bedeutungslosigkeit versinkenden Sender 3SAT sein kaum noch vorhandenes Profil aufzuwerten. Schuld daran waren die Österreicher, die 10 Folgen (Folgen 44-54) der grandiosen TV-Serie KAISERMÜHLEN BLUES des Drehbuchgenies Ernst Hinterberger ausstrahlten. Wenn es eine deutschsprachige (jedenfalls teilweise) Kultserie gibt, die diese Bezeichnung auf hohem Niveau verdient, dann diese. Zuvor wurden die hinreißenden Wiener Milieustudien von Elizabeth T.Spita (etwa: „Am Würstelstand“ mit so herzigen O-Tönen wie „Mir hätt´ der Hitler nichtmal als Maler gefallen.“) ausgestrahlt, die einen vortrefflich auf den audiovisuellen Höhepunkt der Woche (neben SPOOKS auf Fox-Serie) einstimmten.
Satte 2 ¼ Stunden Unterhaltung vom Besten um das Wochenende fröhlich anzugehen, von keinerlei Werbung unterbrochen – ausgenommen, die dämlichen, auf ARTE schielenden, nutzlosen Zwischenspiele, die sich in ihrer ambitionierten Idiotie für einen GRIMME-Preis empfehlen.
KAISERMÜHLEN BLUES ist nur mit den weltbesten Serien zu vergleichen. In seiner schamlosen Nutzung und Vermischung unterschiedlichster Genres und ihrer Topoi, vom Sozialdrama über Soap bis zum police procedural, gar nur mit den allerbesten britischen Serien, die bekanntlich immer einen Tick besser sind als die besten US-Serien. Der bescheuerte Fachbegriff lautet Dramedy. Etwas schwach für einen kulturellen Höhepunkt einer degenerierenden Zivilisation.
Was bei Dietl und Süßkind (MONACO FRANZE, KIR ROYAL) als fernsehdramaturgisches deutsches Wunder von der Kritik ehrfurchtsvoll beklatscht wird, hat Hinterberger in seiner langen erfolgreichen Karriere zu Hauff besser rausgehaun – vom deutschen Feuilleton weniger wahrgenommen als ein Experimentalfilm aus Bukina Faso. Der noch immer in einer 44qm kleinen Wohnung in Wien lebende Hinterberger verbindet Joseph Roht und Oskar Maria Graf mit Steven Moffat. Inzwischen ist er 81 Jahre alt.
Der Ausgangspunkt der vielschichtigen Geschichten ist eine Gemeindebausiedlung in Kaisermühlen, einem Bezirksteil des 22. Wiener Gemeindebezirks Donaustadt. Hier leben die aberwitzigsten und unterschiedlichsten Charaktere, deren Schicksale, ausgehend vom gewöhnlichem, aufs originellste miteinander verwoben werden. Informieren lassen sich einige von ihnen gerne durch das Magazin „Die bunte Wahrheit“. Dieser Titel alleine schon ist ein Brüller. Hinterberger achtete eben aufs kleinste Detail.
Neben dem realistisch-zynischen Blick auf die Gesellschaft, zeichnen die Figuren auch die sprachliche Kreativität der Wiener aus. Das führt zu Dialogen, die man an Wortwitz und Tiefgang mit MONTY PYTHON, TWO AND A HALF MEN oder COUPLING vergleichen kann – aber eben wienerisch. Neben Politikern; Beamten und anderen kleinbürgerlichen Abscheulichkeiten kriegen auch die Popen ihr Fett weg („Der Monsignore ist ein geweihter Herr!“) und vermitteln etwas Distanz zum christlichen Irrglauben, dass Schmerzen der Preis für alles Gute sei.
Ein paar Dialogbeispiele, die geistreicher sind als die kompletten RTL- und SAT1/PRO7-Ketten zusammen:
„Ein Zombie wird doch mal eine Mittagspause machen können“, sagt der immer berückende Herbert Fux als angestellter Maskenträger der Geisterbahn, und zu seinem geschassten Vorgänger:“Ich bin eben universeller einsetzbarer als du.“
„Je älter du wirst, umso ähnlicher wirst du deinem Vater, der so jung hat sterben müssen.“
„Herr Polizist, helfen Sie mir!“
„Und wer hilft mir?“
„Was feiern´s denn?“
„Dass´deppert´s san, das feiern´s.“
„Das alles Schlechte zu uns kommen muss. Nachts schaust du dir <pornofilme an und tagsüber tus´t deine abwegigen Phantasien in die Tat umsetzen.“
„Lass es. Sonst bist du noch an einer Schicksalstragödie schuld.“
“Aber gerade die Schicksalstragödien hab´ ich doch so gern.“
„Amtshandeln muss man können!“
Die dargestellten menschlichen Schwächen, interpretiert durch Wiener Kreatürlichkeit, sind so beeindruckend und tiefsinnig und mit leichter Hand dargestellt, dass ihnen eine geradezu charmante Unbefangenheit anhaftet. Jeder deutsche Durchschnittsregisseur kann u.a. an der Serie lernen wie man Schauspieler inszeniert und timing macht. KAISERMÜHLEN BLUES ist noch lustiger als der andere 3SAT-Knaller: Wettlesen für Ingeborg Bachmann in Klagenfurth; nur optisch, stilistisch und inhaltlich auf weit höherem Niveau. Naja, die Produktionsfirma MR-Film hatte natürlich auch mehr Geld vom ORF bekommen.Unnötig noch zu sagen, dass Regiie (Harald Sicheritz, Erhard Riedlsperger, Reinhard Schwabenitzky), Produktion und die göttlichen Schauspieler zum Besten gehören, was das Medium hergibt.
„Als Hinterberger 1999 den Kaisermühlen-Blues beenden wollte, fragte der ORF nach einem Drehbuch für eine Spin-Off-Serie. Hinterberger und Regisseur Harald Sicheritz entschieden sich für die Figur des Trautmann und produzierten im Jahr 2000 einen 90-minütigen Krimi mit dem Titel Wer heikel ist bleibt übrig. Eigentlich hätte dies ein österreichischer Beitrag zur Krimi-Reihe Tatort werden sollen, aufgrund des in Deutschland angeblich unverständlichen Dialekts wurde dies aber kurz vor der Erstausstrahlung aus dem Programm gestrichen.“(Wikipedia), Typisch für die ARD-Trottel. Als ob man das Genuschel der Micky Maus-Synchronstimme Til Schweiger verstehen könnte, der uns als nächster TATORT-Kommissar angedroht wird. Der kann vielleicht eine Million Prekariats-Trottel in nach Gammelfleisch stinkende Cinedome locken, aber nicht einen zivilisierten Menschen vor den Bildschirm.
Die Serie lief von 1992 bis 1999, brachte es in 7 Staffeln auf 64+7 Sonderfolgen, die es in einer 17 DVDs umfassenden Box gibt, auf diekein wahrer TV-Serien-Afficionado verzichten kann. Ich habe sie gerade bestellt, da ich mich nicht auf das schwankende Niveau des 3SAT-Samstags verlassen mag.
Wenn ihn eine Frau in den Wahnsinn treibt, reagiert er so temperamentvoll wie Jim Morrison im Koma. Aber lieben wir ihn nicht genau deswegen?
Filed under: Hunter S.Thompson, Paranoid, Politik & Geschichte, Rezensionen | Schlagwörter: Aufklärung, Edition Tiamat, Hunter S.Thompson
Die Edition Tiamat erfüllt für die heutige kritische Intelligenz eine ähnliche Aufgabe, wie früher die Edition Suhrkamp für die Pseudo– Intelligenz der 1960er- und 70erJahre. Das ermöglicht, dank der geistig-moralischen Wende, natürlich keine Bestseller mehr.
Seit Jahren beackert Verleger Klaus Bittermann, ein Kämpfer gegen „Literatur die die Ausstrahlung von Birkenstockschuhen hat“, nun schon das Oeuvre von Hunter S Thompsons. Dank seines Engagements (und das des Heyne Verlages) ist das umfangreiche Werk von Hunter weitgehend auch in deutscher Sprache zugänglich. Thompsons Einfluss auf den Journalismus im Besonderen, und auf Teile der zeitgenössischen Literatur im Allgemeinen, kann gar nicht überschätzt werden. Was als Gonzo-Journalismus in die Literaturgeschichte eingegangen ist, gehört nach wie vor zu den interessantesten literarischen Strategien um Realität virtuell erfahrbar zu machen. Hunter hat eindrucksvoll bewiesen, dass eine subjektive Herangehensweise dem Leser objektive Erkenntnisse vermitteln kann. Hunter steht in der Tradition der Beat-Literaten, indem er aus Literatur und Rock ’n‘ Roll eine literarische Synthese geschaffen hat.
Bisher war Bittermanns Verlag bekannt für qualitativ hochwertige Paperbacks; nun hatte er, meines Wissens erstmalig, ein qualitativ hochwertiges Hardcover veröffentlicht (als Band 222 der Critica Diabolis). Der würdige Anlass dafür ist eine umfangreiche Auswahl aus den Briefen von Hunter. Im Waschzettel zu dem voluminösen Band heißt es „Über 20.000 Briefe sind es, die Thompson in seinem Leben verfasst, und an prominente Zeitgenossen von Tom Wolfe bis Jimmy Carter verschickt hat; an Freunde, Feinde und Familie… Sie bilden nicht nur eine Chronik der jüngeren amerikanischen Gegenkultur; es sind seine Memoiren… eine Autobiografie als Live-Mittschnitt.“
http://www.amazon.de/Die-Odyssee-eines-Outlaw-Journalisten-Gonzo-Briefe/dp/3893201947/ref=sr_1_11?s=books&ie=UTF8&qid=1423924303&sr=1-11&keywords=hunter+s+thompson
»Lesen Sie diese Briefe – aber, um Gottes willen, geben Sie diesem Mann niemals Ihre Telefonnummer.« (Johnny Depp)
Für Leute, die beim Lesen nicht die Lippen bewegen, ist dieser Prachtband schon jetzt eines der Bücher der Saison. Jede der 606 Seiten ist ihr Geld wert. In diesem Monat wird man für 28 € nichts besseres bekommen, dass die Gehirnsynapsen fröhlicher zum klingeln bringt.
Am besten gefällt er mir, wenn er in seinen gnadenlosen Analysen so richtig schön polemisch und wütend wird:
„Wenn auch nur die Hälfte der Geschichten über Big Sur stimmt, hätte der Ort längst ins Meer abrutschen müssen; und es wären dabei so viele wahnsinnige und Degenerierte ertrunken, dass eine Schiffsbrücke aus Körpern entstanden wäre, die bis nach Honolulu reichen würde. Die Vibrationen all der Orgien hätten die gesamte Bergkette von Santa Lucia zum Einsturz gebracht und die Zerstörung von Sodom und Gomorrha die das kleinliche Werk eines Geizkragen aussehen lassen. An den westlichen Ausläufern würde das Land schlicht das Gewicht all der Sexfanatiker und kriminellen, die hier angeblich leben, nicht tragen können. Die Erde selbst würde sich auftun und vor Ekel würgen – und über die langen steinigen Böschungen würde eine gespenstischer Armada aus Nudisten, Schwulen, Junkies, Vergewaltigern, Künstlern , Flüchtlingen, Vagabunden, Dieben, Verrückten, Sadisten, Eremiten und jedem erdenklichen menschlichen Abschaums herab steigen. Die alle würden samt und sonders sterben – und, wenn es gerecht zuginge, würde es einer Armee von Touristen und Schaulustigen genauso ergehen.“ (S. 122)
Diverse Online-Redaktionen entblödeten sich in ersten Nachrufen nicht, Hunter S. Thompson als „Idol der Hippie-Generation“ zu bezeichnen. Das ist natürlich völliger Schwachsinn. Neil Young (den braucht man sich nur anzusehen) ist ein Idol der Hippie-Generation, aber „Dr. Gonzo“ hat Hippies und deren logische Nachfolger („die Generation der Schweine“) immer verachtet. Er war Waffenfetischist, erklärter Gegner des „Love & Peace“-Geschwafels und ein unbarmherziger Gegner jenes Establishments, dem auch die 68er bald angehörten.
Bill Cardoso war der Urheber des Ausdrucks „Gonzo“, welcher auf das italienische Wort „gonzagas“, zu Deutsch, Absurditäten, bedeutet. Die subjektive Form der Reportage ermöglichte es dass sich Thompson ohne große Vorbehalte auf alles stürzte was ihm an der gesamten Veranstaltung missfiel und was er als verachtenswert empfand. Satirische Überhöhung, Schimpfwörter, Sarkasmus und die Aufhebung der Distanz zwischen Reporter und Reportage. Thompson wurde zur Hauptfigur seines eigenen Artikels und damit zum Schöpfer einer neuen Art von Journalismus.
Er scheute vor keiner Drogendosis zurück, schüttete sich mit Alkohol zu, lebte seine Paranoia voll aus, kämpfte gegen die Chefredaktionen (weil dort der natürliche Feind jedes Journalisten sitzt und im Auftrag der Anzeigenabteilung arbeitet).
Hunter S. Thompson war nach Tom Wolfe der bekannteste Vertreter des New Journalism, einer Form, die ab Mitte der 1960er Jahre den Journalismus neu belebte, indem er subjektives Erleben und literarische Stilmittel in Reportagen einfließen ließ.
Thompson begann Ende der 1950er Jahre als Sportreporter und war dann als Südamerika-Korrespondent unter anderem für den „National Observer“ in Peru, Kolumbien und Brasilien unterwegs. Er wurde 1967 bekannt durch sein Buch „Hell’s Angels – A Strange and Terrible Saga“. Als erster beschäftigte er sich darin mit den Motorradgangs Kaliforniens und lebte dazu ein Jahr lang mit
den Hells Angels.
Ende der 1960er Jahre war er einer der ersten Autoren des neuen Magazins Rolling Stone. Thompsons exzentrischer und ausschweifender Lebens- wie Schreibstil war einer der Gründe für den Erfolg des Rolling Stone. In dieser Zeit schuf sich Thompson seine ganz persönliche Form, den von ihm so genannten Gonzo-Journalismus. Es entstand auch sein bekanntestes Buch, „Fear and Loathing in Las Vegas“. Dieses Buch, wie auch eine Reihe von anderen, wurde von Thompsons Freund, dem Engländer Ralph Steadman illustriert.
In den 1970er Jahren wandte sich Thompson aktiv der Politik zu. 1970 kandidierte er als Sheriff in Aspen, Colorado. Thompson verlor die Wahl nur knapp.
„Richard Nixon gehörte nicht zu den Menschen, die bei mir populär sind. Jahrelang habe ich allein schon die Tatsache seiner Existenz als Denkmal für all jene verfaulten Gene und kaputten Chromosomen angesehen, welche alle Realisierungsmöglichkeiten des Amerikanischen Traums korrumpieren.“
Thompson pflegte u. a. Freundschaften mit Keith Richards, Bob Dylan, Warren Zevon und Johnny Depp.
1963 siedelte er für immer nach Colorado über. Sein Biograph Paul Perry: „Nun konnte er nackt auf seinem eigenen Stück Land herumlaufen, aus seiner .44 Magnum auf verschiedene Gongs feuern, die er an dem nahegelegenen Berghang aufgestellt hatte. Er konnte Meskalin essen und die Stereoanlage auf 100 Dezibel drehen. Dies war das Landleben, das er sich immer gewünscht hatte.“
Am 20. Februar 2005 tötete sich Hunter S. Thompson mit einem Kopfschuss.
Thompson, Hunter S.:
Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten
Es war ein brutales Leben, und ich habe es geliebt.
Gonzo-Briefe 1958-1976
Herausgegeben von Douglas Brinkley
Aus dem Englischen von Wolfgang Farkas
Critica Diabolis 222
Hardcover, 607 Seiten,
28.- Euro
P.S.: Ein dickes Lob auch für die Übersetzung, die nicht einfach ist und selbst einen Literaten verlangt.
Filed under: Clint Eastwood, Film | Schlagwörter: American Sniper, Clint Eastwood, Film
A View To A Kill
von MiC
Eastwood ist ein perfekter Handwerker, sein überlanges Werk ist absolut ökonomisch und filmisch perfekt erzählt. Die Probleme das Sujet und der Protagonist: Krieg und Soldat. Eastwood erzählt vielschichtig und komplex und Bradley Cooper ist durchaus nuanciert, im Rahmen seiner darstellerischen Beschränktheit, so kommt der Film an der Oberfläche ganz anders daher, nämlich facettenreicher und scheinbar widersprüchlicher, als er in Wirklichkeit ist. Denn wie bei allen Eastwood-Filmen, ist die ganze Erzählform knallhartes kommerzielles Kalkül, dem sich alles unterordnet. Wahrheit und damit auch versteckte Kritik, die man durchaus sehen kann, ja sehen soll, sie erscheint nur dort, wo sie dramaturgisch nicht stört, mehr noch, wo sie der Illusion dient.
Das Rückgrat der Story bildet der Kampf Mann gegen Mann: Sniper-Hero Chris Kyle gegen den syrischen Olympiasieger und Sniper-Hero auf Seiten der Insurgents/Al Quaida. Das ist nicht neu, das ist klassischer Western, und gab es im Kriegsfilm bei Enemy at the Gates. Die Heldengeschichte endet natürlich nicht dort, sondern bleibt dem wirklichen Ende des Protagonisten treu, sogar ein Abgang mit Originalaufnahmen Chris Kyles letzter Reise, oder zumindest sehr dokumentarisch dem Original nachempfunden, geben dem Zuschauer noch einmal, wenn auch ‘restrained’, wie alles in diesem Film, einen ordentlichen Schuss aus der Pathosspritze.
Restrained, kontrolliert, dosiert, das ist die wahre Größe der Eastwood-Regie. Der Mann hat alles unter Kontrolle. Er ist der Master seines Universum. American Sniper ist ein Film der stellenweise Videospiel-Ästhetik hat und Combat-Thrill nachempfindet, was im Kino beeindruckend rüberkommt. Nur ist das alles nicht die Geschichte. Die wahre Geschichte geschieht zwischen den Bildern und man muss sie sich zusammenreimen. Denn niemals wird die Frage nach der Berechtigung, dem Sinn, der Notwendigkeit des Krieges ernsthaft erhoben – und zweifelt einmal ein Soldat am Sinn seines Einsatz, dann stirbt er auch gleich darauf. Weil‘s tragisch ist und dem Helden einen Freund nimmt. Der böse Krieg nimmt dem Helden ständig Freunde und er leidet darunter, sie nicht alle retten zu können. Frage am Rande: tötet zweifeln? Nachdenkenswert. Dass sich diese Frage für Eastwood nicht stellt, ist sogar in Ordnung, weil ich glaube, dass diese Frage in dem Umfeld seiner Charaktere auch niemand stellt. Sie reflektieren ihre Umwelt nicht, sondern hadern mit sich selbst und ihrem Los. Damit ist der Regisseur wahrhaftig weil echt. Nur liegt er völlig falsch. Die ganze Prämisse dieses Filmes ist falsch.
Diesen Film so zu erzählen, heißt die wahre Tragödie zu verdrängen: Wer die Frage nach dem Warum des Krieges nicht grundsätzlich stellt, ist letztlich ein Kriegspropagandist. Das gilt auch für Eastwood. „Ein Mann tut, was ein Mann tun muss,” die dumme Westernplattitüde heißt hier „Gott, Vaterland, Familie”. Der Slogan, vom Helden ausgesprochen, gilt über seinen Tod hinaus. Und die Tragik des Helden ist, dass er ausgerechnet von einem Veteranen getötet wird – damit das auch schön ominös daher kommt, muss Sienna Miller, Gattin des Helden, auch misstrauisch schauen. Und natürlich sieht der spätere Mörder gestört und irgendwie verschlagen aus. Beim zweiten Blick auf den Film springen übrigens all die Klischees ins Auge, die Eastwood reitet. Die gelernten Einstellungen, die ewig gleichen Bilder, wie aus einem Rekrutierungsvideo der Marines, die pathetisch bis zur Unerträglichkeit daher kommen, wobei der Regisseur versteht, sie nicht völlig aufzupumpen wie man bei peinlichen Regiefummlern, von Michael Bay bis Ridley Scott, immer wieder sehen kann, sondern seine vorgenannte Kontrolle über das Material demonstriert.
Fazit: American Sniper ist handwerklich perfekt fabrizierte Propaganda – schon der Titel verweist auf Patriotismus – die bei allen persönlichen Opfern des Helden, und brachten Helden nicht schon in der Antike persönliche Opfer?, welche von der Gesellschaft nicht ignoriert werden können und daher sublimiert werden müssen, nur scheinbar schonungslos und ehrlich ist. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein völlig absurder Film, ungewollt komisch, stellenweise geradezu lachhaft. Übrigens, inmitten patriotisch gesinnter US-Kinogänger an den falschen Stellen zu lachen, zieht nicht nur von den NRA-Anhängern böse Blicke auf sich. Chris Kyle ist dummer Protagonist, dessen ungebildete Blödheit von den Mächtigen gerne benutzt und ausgenutzt wird. Er ist kein Held, er ist ein nützlicher Idiot. Von ihm bleiben seine über 160 ‚registered kills’, die ihn zu The Legend machen, zu einem Vorbild für Heerscharen nützlicher Idioten nach ihm.
Warum schreibe ich das alles, wenn American Sniper ein so elendes Machwerk ist? Weil es ein ziemlich perfektes, elendes Machwerk ist. Eastwood ist ein absoluter Könner und das verdient Respekt. Beim Betrachten dieses Films ist mir allerdings klar geworden, Eastwood ist nicht Hamlet, er war niemals Hamlet. Eastwood hat mit Shakespearschen Helden absolut nichts gemein. Eastwood hat keine Selbstzweifel, er zaudert nicht, er ist nicht tragisch oder absurd oder albern, selbst wenn er sich gelegentlich so inszeniert und dafür von der verblödeten Filmkritik Beifall bekommt. Clint Eastwood war und ist Zeus und Hollywood ist sein Olymp.
-MiC