Filed under: AUF DER FLUCHT - THE FUGITIVE, TV-Serien | Schlagwörter: AUF DER FLUCHT, David Janssen, Roy Huggins, TV-Serie
Pitch:
Ein Unschuldiger, wegen des Mordes an seiner Frau, zum Tode verurteilter, flieht durch die USA auf der Suche nach dem wahren Mörder.
AUF DER FLUCHT war eine der Seriensensationen des Nachkrieges. In der Bundesrepublik war sie ungeheuer populär und bannte jahrelang am Freitagabend um die 70% aller Fernsehzuschauer vor den Bildschirm. Dr.Kimble, alias David Janssen, war so bekannt wie der Bundeskanzler. Es war die erste überzeugende Synthese aus episodischen- und seriellen Erzählens der Fernsehgeschichte.
Als am 17.September 1963 der Sender ABC zur Musik von Pete Rugolo und der Erzählerstimme von William Conrad , der bei uns als Darsteller der Serienhelden CANNON und JAKE & THE FATMAN bekannt geworden ist, die erste Folge ausstrahlte, ahnte niemand, welche sensationelle Folgen das haben würde. Roy Huggins hatte den Verantwortlichen des Senders ABC lediglich seine Idee vorgetragen und sie damit so stark beeindruckt, dass die Fernsehbosse, ohne auch nur einen Blick auf die Präsentationsmappe oder das fertige Konzept zu werfen, die Serie umgehend in Auftrag gaben. So lautete eine Legende. Huggins letzte Version:
Die von Roy Huggins für die Produzenten Quinn Martin und Wilton Schiller konzipierte Serie gehört zu den erfolgreichsten Serien der Fernsehgeschichte und ist ein echter Klassiker. Die letzte Folge hielt 15 Jahre (bis zur DALLAS-Episode mit der Aufklärung, wer auf JR geschossen hat) den Rekord der höchsten Sehbeteiligung in den USA: 72%. Der weltweite Erfolg (die letzte Folge wurde gleichzeitig in Kanada, Europa und Australien ausgestrahlt und war somit das erste Fernsehereignis, dass die halbe Welt zeitgleich vor dem Bildschirm bannte) bescherte Quinn Martin Productions einen Gewinn von über 30 Millionen Dollar und machte David Jannsen zum Weltstar.
Auf dem Gipfel der Popularität hatte Barry Morse, der Kimbles unbarmherzigen Verfolger spielte, Probleme sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, ohne von Fernsehzuschauern beschimpft zu werden. Es war sicher auch eine kluge Entscheidung, die Serie auf ihrem Höhepunkt inhaltlich befriedigend zu beenden. Dieses Ende wurde Top-Secret behandelt; man hatte mehrere Alternativen gedreht und selbst die Schauspieler wussten nicht welche Version ausgestrahlt würde.
Bei uns wurde der letzte Teil der längsten Flucht in der Geschichte des Fernsehens allerdings erst am 20.November ausgestrahlt, sinnigerweise der Tag, an dem Oberjäger Eduard Zimmermann zum ersten Mal mit XY UNGELÖST auf die Pirsch ging. In den 120 Folgen überlebte Kimble, wie ein englischer Fernsehkritiker errechnete, 30 Schlägereien, acht Schusswunden, vier Messerstiche, Amnesie und Lungenentzündung; er wurde zehnmal niedergeschlagen, war zeitweilig blind und wurde von Autos angefahren.
Viele Drehbücher, zu den Autoren gehörten Howard Browne, Hank Searls, Alan Caillou, Levinson & Link, hatten mehr mit dem Western SHANE (ein Fremder kommt in die Stadt und löst die Probleme der Einheimischen) zu tun, als mit einem Krimi.
An hochkarätigen Gaststars, von Warren Oates, Charles Bronson bis Mickey Rooney und Anne Francis, war nie ein Mangel und es beeindruckt heute noch, mit wie wenig Gewalt die Serie auskam und wie geschickt jede Folge ein Höchstmaß an Spannung aufbaute.
Ein New Yorker Psychiater erklärte: „Normale Bürger leiden mit Kimble, weil er noch ärmer dran ist als sie selbst. Er ist ein ganz normaler Vorortbursche, der in einer Falle aus unglücklichen Umständen sitzt. Sein Verfolger Lieutnant Gerard (in der deutschen Fassung Kommissar) ist ganz klar ein Vertreter des Establishments. Und die Fiktion, dass sich ein Einzelner Woche für Woche gegen das System behaupten kann, hat schon fast therapeutischen Wert.“
AUF DER FLUCHT war die erste Serie, die prinzipiell und strukturell Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Systems Ausdruck verlieh und damit früh die politischen Spannungen, die so typisch für die 1960er Jahre waren, unterschwellig und offen ansprach. Jedem Zuschauer wurde verdeutlicht dass der Justizapparat das Leben unschuldiger Bürger vernichten könne und würde. Das längste mediale Plädoyer gegen die Todesstrafe.
Lediglich Barry Norman von der Daily Mail war anderer Meinung als der Rest der Welt: „Ich glaube, Kimble ist schuldig. Er ist ein dreckiger Frauenmörder und sollte an der nächsten Straßenlaterne aufgehängt werden.“
Serienerfinder Roy Huggins erklärte einmal, dass er durch Victor Hugos im letzten Jahrhundert ähnlich viel Aufsehen erregenden Fortsetzungsroman LES MISERABLES zu der Serie angeregt worden war.
Der berühmte Noirautor David Goodis verklagte die Produzenten vergeblich wegen Plagiats: Er war der Meinung, die Serie sei direkt von seinem mit Humphrey Bogart verfilmten Roman DARK PASSAGE abgekupfert.
Ungewöhnlich für die frühen 60er Jahre war die Machart der Serie: bisher kannte man nur dramatische Serien, die ohne Fortsetzungscharakter abgeschlossene Episoden präsentierten. Ausgenommen natürlich Daily Soaps à la GENERAL HOSPITAL. Zwar wurde auch bei AUF DER FLUCHT jeweils eine abgeschlossene Geschichte erzählt (Ausnahme war die zweiteilige Folge die die Serie beendete), aber die endlose Flucht Dr.Kimbles sorgte für einen die einzelnen Folgen übergreifenden Spannungsbogen. Insofern war die Serie ein wichtiger Vorläufer für Fortsetzungsserien wie DALLAS, DENVER CLAN, HILL STREET BLUES oder CRIME STORY, die dieses Fortsetzungskonzept in den 80er Jahren perfektionierten.
1993 drehte Andrew Davis eine Filmversion mit Harrison Ford, die den Kinotrend zu Verfilmungen von Fernsehserien mit einleitete.
Roman:
Roger Fuller (Pseudonym für Don Tracy)Fear in a Desert Town, Pocket Books 1964.
J.M.Dillard: Auf der Flucht, Heyne 1993 (Novelisierung des Film-Drehbuchs).
AUF DER FLUCHT
The Fugitive
USA 1963-67; 120×45 Min.; 90xSW,30xF.
Dr.*Richard Kimble … David Janssen
Lt.*Philip Gerard … Barry Morse
Fred Johnson, der Einarmige … Bill Raich
Donna Kimble … Jaqueline Scott
Marie Gerard … Barbara Rush
Leonard Taft … Richard Anderson
Helen Kimble in Rückblenden … Diana Brewster
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