Martin Compart


ZUM 20.JUBILÄUM VON KAISERMÜHLEN BLUES by Martin Compart

In den letzten fünf Wochen (März-April 2012) gelang es dem immer mehr in der Bedeutungslosigkeit versinkenden Sender 3SAT sein kaum noch vorhandenes Profil aufzuwerten. Schuld daran waren die Österreicher, die 10 Folgen (Folgen 44-54) der grandiosen TV-Serie KAISERMÜHLEN BLUES des Drehbuchgenies Ernst Hinterberger ausstrahlten. Wenn es eine deutschsprachige (jedenfalls teilweise) Kultserie gibt, die diese Bezeichnung auf hohem Niveau verdient, dann diese. Zuvor wurden die hinreißenden Wiener Milieustudien von Elizabeth T.Spita (etwa: „Am Würstelstand“ mit so herzigen O-Tönen wie „Mir hätt´ der Hitler nichtmal als Maler gefallen.“) ausgestrahlt, die einen vortrefflich auf den audiovisuellen Höhepunkt der Woche (neben SPOOKS auf Fox-Serie) einstimmten. Satte 2 ¼ Stunden Unterhaltung vom Besten um das Wochenende fröhlich anzugehen, von keinerlei Werbung unterbrochen – ausgenommen, die dämlichen, auf ARTE schielenden, nutzlosen Zwischenspiele, die sich in ihrer ambitionierten Idiotie für einen GRIMME-Preis empfehlen.

KAISERMÜHLEN BLUES ist nur mit den weltbesten Serien zu vergleichen. In seiner schamlosen Nutzung und Vermischung unterschiedlichster Genres und ihrer Topoi, vom Sozialdrama über Soap bis zum police procedural, gar nur mit den allerbesten britischen Serien, die bekanntlich immer einen Tick besser sind als die besten US-Serien. Der bescheuerte Fachbegriff lautet Dramedy. Etwas schwach für einen kulturellen Höhepunkt einer degenerierenden Zivilisation.
Was bei Dietl und Süßkind (MONACO FRANZE, KIR ROYAL) als fernsehdramaturgisches deutsches Wunder von der Kritik ehrfurchtsvoll beklatscht wird, hat Hinterberger in seiner langen erfolgreichen Karriere zu Hauff besser rausgehaun – vom deutschen Feuilleton weniger wahrgenommen als ein Experimentalfilm aus Bukina Faso. Der noch immer in einer 44qm kleinen Wohnung in Wien lebende Hinterberger verbindet Joseph Roht und Oskar Maria Graf mit Steven Moffat. Inzwischen ist er 81 Jahre alt.

Der Ausgangspunkt der vielschichtigen Geschichten ist eine Gemeindebausiedlung in Kaisermühlen, einem Bezirksteil des 22. Wiener Gemeindebezirks Donaustadt. Hier leben die aberwitzigsten und unterschiedlichsten Charaktere, deren Schicksale, ausgehend vom gewöhnlichem, aufs originellste miteinander verwoben werden. Informieren lassen sich einige von ihnen gerne durch das Magazin „Die bunte Wahrheit“. Dieser Titel alleine schon ist ein Brüller. Hinterberger achtete eben aufs kleinste Detail, Neben dem realistisch-zynischen Blick auf die Gesellschaft, zeichnen die Figuren auch die sprachliche Kreativität der Wiener aus. Das führt zu Dialogen, die man an Wortwitz und Tiefgang mit MONTY PYTHON, TWO AND A HALF MEN oder COUPLING vergleichen kann – aber eben wienerisch. Neben Politikern; Beamten und anderen kleinbürgerlichen Abscheulichkeiten kriegen auch die Popen ihr Fett weg („Der Monsignore ist ein geweihter Herr!“) und vermitteln etwas Distanz zum christlichen Irrglauben, dass Schmerzen der Preis für alles Gute sei.

Ein paar Dialogbeispiele, die geistreicher sind als die kompletten RTL- und SAT1/PRO7-Ketten zusammen:

„Ein Zombie wird doch mal eine Mittagspause machen können“, sagt der immer berückende Herbert Fux als angestellter Maskenträger der Geisterbahn, und zu seinem geschassten Vorgänger:“Ich bin eben universeller einsetzbarer als du.“

„Je älter du wirst, umso ähnlicher wirst du deinem Vater, der so jung hat sterben müssen.“

„Herr Polizist, helfen Sie mir!“
„Und wer hilft mir?“

„Was feiern´s denn?“
„Dass´deppert´s san, das feiern´s.“

„Das alles Schlechte zu uns kommen muss. Nachts schaust du dir <pornofilme an und tagsüber tus´t deine abwegigen Phantasien in die Tat umsetzen.“

„Lass es. Sonst bist du noch an einer Schicksalstragödie schuld.“
“Aber gerade die Schicksalstragödien hab´ ich doch so gern.“

„Amtshandeln muss man können!“

Die dargestellten menschlichen Schwächen, interpretiert durch Wiener Kreatürlichkeit, sind so beeindruckend und tiefsinnig und mit leichter Hand dargestellt, dass ihnen eine geradezu charmante Unbefangenheit anhaftet. Jeder deutsche Durchschnittsregisseur kann u.a. an der Serie lernen wie man Schauspieler inszeniert und timing macht. KAISERMÜHLEN BLUES ist noch lustiger als der andere 3SAT-Knaller: Wettlesen für Ingeborg Bachmann in Klagenfurth; nur optisch, stilistisch und inhaltlich auf weit höherem Niveau. Naja, die Produktionsfirma MR-Film hatte natürlich auch mehr Geld vom ORF bekommen.Unnötig noch zu sagen, dass Regiie (Harald Sicheritz, Erhard Riedlsperger, Reinhard Schwabenitzky), Produktion und die göttlichen Schauspieler zum Besten gehören, was das Medium hergibt.
„Als Hinterberger 1999 den Kaisermühlen-Blues beenden wollte, fragte der ORF nach einem Drehbuch für eine Spin-Off-Serie. Hinterberger und Regisseur Harald Sicheritz entschieden sich für die Figur des Trautmann und produzierten im Jahr 2000 einen 90-minütigen Krimi mit dem Titel Wer heikel ist bleibt übrig. Eigentlich hätte dies ein österreichischer Beitrag zur Krimi-Reihe Tatort werden sollen, aufgrund des in Deutschland angeblich unverständlichen Dialekts wurde dies aber kurz vor der Erstausstrahlung aus dem Programm gestrichen.“(Wikipedia), Typisch für die ARD-Trottel. Als ob man das Genuschel der Micky Maus-Synchronstimme Til Schweiger verstehen könnte, der uns als nächster TATORT-Kommissar angedroht wird. Der kann vielleicht eine Million Prekariats-Trottel in nach Gammelfleisch stinkende Cinedome locken, aber nicht einen zivilisierten Menschen vor den Bildschirm.


Die Serie lief von 1992 bis 1999, brachte es in 7 Staffeln auf 64+7 Sonderfolgen, die es in einer 17 DVDs umfassenden Box gibt, auf diekein wahrer TV-Serien-Afficionado verzichten kann. Ich habe sie gerade bestellt, da ich mich nicht auf das schwankende Niveau von 3SAT verlassen mag.



WILLIAM BOYD SCHREIBT DEN NÄCHSTEN 007-ROMAN by Martin Compart
12. April 2012, 10:26 am
Filed under: Ian Fleming, James Bond, Spythriller | Schlagwörter: , , ,

Rechtzeitig zum nächsten Bond Jubiläum 2013 – diesmal „60 Jahre CASINO ROYALE“ – gibt es den nächsten Roman. Nun ist William Boyd dran, der sich mit exotischen Abenteuergeschichten und auch Agentenromanen einen gewissen Ruf erschrieben hat. Bei uns wurde er von Ulrich Wickert als „neuer Graham Greene“ etikettiert. Das darf man ihm nicht vorwerfen; einer Quasselstrippe wie Wickert, der einfach nicht die Tinte halten kann, ist schwer zu entkommen. Boyd ist natürlich bekennender Bond-Fan und hat Ian Fleming bereits in seinem Roman ANY HUMAN HEART (2002) als Rekrutierer der Hauptperson für den britischen Geheimdienst auftreten lassen. Sein Lieblings-Bond ist FROM RUSSIA WITH LOVE. Der Titel steht noch nicht fest, aber die beste Nachricht überhaupt: Es wird ein klassischer Bond, der 1969 spielt. Vielleicht knüpft er an Sebastian Faulks DEVIL MAY CARE an. Boyd: „Ich sagte sofort zu. Diese Chance bekommt man nur einmal.“

Eine weise Wahl, nachdem der Amerikaner Jeffrey Deaver (siehe in diesem Blog) in CARTE BLANCHE Bond unglaubwürdig in die Gegenwart transponiert hatte und 007 zu einem politisch korrekten harmlosen Thriller-Männchen umgestaltete. Die Strafe folgte: In der ersten Woche verkaufte Deaver nur ein Drittel von Faulks Roman; weltweit bisher „nur“ 160 000 Exemplare.

Die Idee der Fleming-Erben neue Bond-Romane von namenhaften Autoren schreiben zu lassen, ist interessant und spannend. Für anspruchsvolle Fans jedenfalls aufregender als wenn Hacks wie John Gardner oder Raymond Benson die Figur über viele Bücher fortschreiben.

P.S.: Der renomierte Comic Verlag CROSS CULT plant eine ungekürzte deutsche Gesamtausgabe der 14 Bond-Bücher von Fleming.



WEISE WORTE by Martin Compart
5. April 2012, 7:58 am
Filed under: Weise Worte | Schlagwörter:

„Wer kann den Fortbestand des westlichen Kapitalismus als ein hehres Ziel ansehen?“

„In den Augen der Regierung der USA war Terror kein Terror, außer er kam von der Linken.“

Graham Greene (Collected Essays)



zum Schäuble-Skandal by Martin Compart
3. April 2012, 9:33 am
Filed under: Ekelige Politiker, ORGANISIERTE KRIMINALITÄT, Politik & Geschichte | Schlagwörter: ,

Der Wirtschaftsminister erweist sich als größter Feind der Steuerfahnder. Natürlich mit Rückendeckung der noch ein wenig zuckenden Leiche FDP.

Da möchte ich doch an dieser Stelle an mein Interview im letzten Jahr erinnern:

HIESS: Wird es einen dritten Roman geben?

COMPART: Dank Schäuble habe ich Stoff. Der erste deutsche Minister der Mafia-Lobby. Mit seinem Schweizer Abkommen hat er dafür gesorgt, dass Steuerfahnder und Kripo nicht mehr der Spur des Geldes folgen dürfen. Damit ist Deutschland endgültig belgiesiert. Ich habe aber auch gehört, das Schäuble ein guter Mensch sein soll. Angeblich spendet er seine abgefahrenen Rollstuhlreifen afrikanischen Stämmen, damit sie sich Sandalen daraus machen können.

Das klang doch alles mal ganz anders:

Wenn da nicht System dahinter steckt:

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