Martin Compart


DER SCHLÄCHTER VOM USSURI – ATAMAN KALMYKOW /1 by Martin Compart

Seit einigen Jahren arbeite ich an einem Buch über den „blutigen Baron“ Ungern-Sternberg. Wer glaubt, dass dieser Massenmörder eine Ausnahme war, wird bei näherer Betrachtung des Russischen Bürgerkriegs schnell eines besseren belehrt. Einer dieser üblen weißrussischen Führer war Iwan Kalmykow. Hier einige Auszüge aus meinem Kapitel über Ataman Kalmykow:

Iwan Kalmykow „Äußerlich war Kalmykow klein und schmächtig. Mit seinen verschleierten Augen und dem gaminartigen Lächeln, das ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem bekannten Typ des Pariser Apachen gegeben haben soll, war er eine auffallende Erscheinung. Persönlich war er vollkommen furchtlos, er konnte auch, wie einige Ausländer versicherten, die in Berührung mit ihm gekommen sind, eine große Liebenswürdigkeit entwickeln, wenn er wollte.“ So schilderte ihn der schwedische Diplomat Rütger Essen.
Iwan Kalmykow war ein noch üblerer Schurke als Semjonow Er war mit sechsundzwanzig Jahren, als seine politische Laufbahn in Ostsibirien begann, jünger als Semjonow. Aber es gab wohl auch einige andere Unterschiede: „Während Semjonow ein Mann mit politischen Zielen und Sinn für Regierungsaufgaben war, kann Kalmykow kaum anders als ein reiner Bandit angesprochen werden, der sich nie vor Morden, Plünderungen und Gräueltaten scheute und dem es vor allem an jedem höheren Ziel fehlte.“ (Essen, S.159) Und General Graves beschrieb den Unterschied zwischen Semjonow und Kalmykow so: „Ersterer befiehlt anderen zu morden, letzterer tut es mit seinen eigenen Händen.“

Iwan Pawlowitsch Kalmykow wurde in der Armurprovinz als Sohn eines Offiziers der Ussuri-Kosaken geboren. Die Ussurikosaken galten als die Wildesten aller Kosaken und ihre Stärke betrug um 1918 etwa 40000 Menschen. Er wuchs in Grodekovo auf, ein Ort an der Eisenbahnlinie, 100 Kilometer vor Wladiwostock und 10 Kilometer östlich der chinesischen Grenze.
Im Weltkrieg diente er in einem Kosakenregiment und zeichnete sich durch Tapferkeit aus. Einmal gelang ihm die Flucht aus deutscher Gefangenschaft.
Im Sommer 1917 kehrte er als Rittmeister nach Grodekovo zurück. Er begann in der Politik mitzumischen und gruppierte unzufriedene Elemente aus Kosaken und Konterrevolutionären um sich.

Kosakenrudel

Vier Monate später ließ er sich zum Ataman wählen. Seine Wahl war nicht unumstritten und teilte die Kosakengemeinde. Eine Minderheit folgte Kalmykow, die anderen schlossen sich Grigori Schevchenko an. Dieser, ebenfalls Kriegsveteran, wollte mit seinen Männern den Soviet von Wladiwostok verteidigen.
Gehasst vom Direktor der chinesischen Transsibirenbahn, Dimitri Horvath, toleriert vom machurischen Warlord Tschang Zulin und unterstützt von den Japanern, richtete er im Februar 1918 seine Operationsbasis in Pogranichnaya, einem manchurischen Ort an der chinesischen Bahnlinie ein.
Im März 1918(?) überquerte er mit hundert Mann die Grenze nach Russland und ritt auf Grodekovo. Der Sowjet von Wladiwostok schickte Rotgardisten und ein Bataillon Internationalisten an die Grodekovo-Front. Die Kämpfe zogen sich über drei Monate.
Nach diesen Aktionen gegen die bolschewistische Regierung erweckte er das Interesse der Japaner, die ihn von da an mit Waffen und Geld unterstützten. Auf die Ärmel seiner Soldaten war eine gelbe Route mit einem großen schwarzen K genäht. Ein japanischer Offizier erzählte folgende Anekdote, die ein bezeichnendes Licht auf Kalmykow wirft: Kalmykow ritt an der Spitze einer kleinen Abteilung neben einem japanischen Offizier, der zu Besuch im Lager weilte. Plötzlich stürzte das Pferd des Japaners und verletzte sich am Knie. „Ich werde Ihnen gleich ein anderes Pferd besorgen“, sagte Kalmykow, drehte sich im Sattel, überblickte seine Leute, suchte einen Mann aus, der ein geeignetes Pferd ritt, und schoss ihn mit dem Revolver nieder. „Bitte, hier haben Sie ein anderes Pferd.“ Es ist leicht vorstellbar, was er mit Bolschewisten und der Bevölkerung anstellte, wenn er schon mit den eigenen Männern so verfuhr. Eines Tages brachte man einen Chaborowsker Bürger, der auf seinen Befehl hin verhaftet worden war, in seine Wohnung. „Wir bringen ihn hierher, weil es keinen Platz mehr im Gefängnis gibt“, sagte ein Kosak. Kalmykow antwortete: „Schön, aber ich will ihn nicht hier haben. Tötet ihn.“ Daraufhin wurde der Mann ins Badezimmer geschleppt und erwürgt. Einmal erschoss Kalmykow eigenhändig zwei Ausbilder des Chabarowsker Kadettenkorps weil sie zu wenig Enthusiasmus gezeigt hatten, als er die Kadettenschule nach sich selbst umbenannte. Ein anderesmal ließ er eine ganze Musikkapelle töten, weil sie in einem Café die Internationale gespielt haben soll. Auch zwei schwedische Rotkreuzhelfer ermorden, die angeblich Bolschewiken zur Flucht verholfen haben sollen. Einige des Mordens und Plünderns müde gewordene Offiziere meuterten. Aber sie fanden in Kalmykows Soldateska keine Unterstützung, da der Ataman bei der Truppe äußerst beliebt war. Ermutigte er sie doch zu Massakern und Vergewaltigungen. Die Meuterei misslang vollkommen. Einigen Offizieren gelang die Flucht nach Wladiwostok, die anderen wurden bestialisch umgebracht.

FORTSETZUNG FOLGT
<img src=“http://vg08.met.vgwort.de/na/805adec6c6b54d0a9d1436455c8183e1&#8243; width=“1″ height=“1″ alt=““>