Filed under: Bücher, Crime Fiction, Krimis, Manfred Sarrazin, NEWS | Schlagwörter: Alibi, Krimi, Manfred Sarrazin
Nun ist es doch passiert: Die Kölner Krimi-Buchhandlung ALIBI (eine der beiden ältesten in Deutschland) schließt die Pforten zu fiktionalen Höllenqualen. Und damit wird eine legendäre Institution zu Grabe getragen.
22 Jahre gab es ALIBI in Köln an verschiedenen Standorten. An zweien gehörte ALIBI zu den schönsten Buchhandlungen der Stadt und hob sich wohltuend von atmosphärelosen Großbaustellen wie THALIA oder MAYERSCHE ab.
Für die Atmosphäre war ein Mann zuständig: Manfred Sarrazin (vom Schicksal gestraft mit dem Bruder Theo). Manni gehört zu den umfangreichsten Kennern der Kriminalliteratur; wahrscheinlich kennt er von uns allen die meisten Titel. Denn er muss sich jeden Scheiß reinziehen, der gerade en vogue ist und von irgendwelchen Krimilemuren verlangt wird. Kein Subgenre, in dem Manni sich nicht auskennt. Unter vielen anderen verdanke ich ihm die Entdeckung von Stephen Hunter (was ich aber nie zugeben werde). In Köln läuft kein Crime-Afficionado rum, der ihm nicht mindestens einen Lieblingsautor verdankt.
Als er 1990 in der Engelbertstrasse 11 das erste ALIBI aufmachte, war er in einer ähnlichen Situation wie ein katholischer Missionar des 19.Jahrhunderts im Kongo. Er brachte das Wort. Anders als Missionare verkaufte er aber keine spinnerten Normen, sondern Ratio und Aufklärung (Denn der Krimi ist in seinen guten Werken nicht nur Kind sondern auch aktueller Vertreter der Aufklärung). Echte Kernerarbeit, die nur einer mit stählernen Nerven durchsteht. Und große Unterstützung durch die Kölner Medien bekam er dabei (bis auf den WDR ) nicht. Er musste den Job alleine erledigen – wie Charles Bronson oder Alain Delon.
Und Manni ließ es krachen: Er überzeugte die Buchhalter Kölner Kultur zur Mitfinanzierung von Lesungen der Elite der internationalen Kriminalliteratur: Ross Thomas, Lee Child, James Ellroy, George V.Higgins – um nur einige, wenige zu nennen. Alle waren in Köln und Manni hatte immer die Finger im Spiel.
Seit einigen Jahren macht er bei WDR5 alle zwei Monate bei der „telefonischen Mordsberatung“ mit. Und er ist der einzige Grund, sich dieses Krimistadl anzuhören, das sich ansonsten nur durch abstoßenden Frohsinn auszeichnet.
Das zehnjährige bestehen feierte ALIBI in der Ehrenstrasse. Zwar war dort das zweitschönste ALIBI, aber auch eine Gegend mit fürchterlichen Läden und elender Laufkundschaft, die eher darauf abzielt, ihre Wildschweinkörper in modisch-geschmacklose Outfits pressen zu lassen. ALIBI wirkte dort weite Trails lang wie Fort Apache in der Bronx. Die schönste ALIBI-Version war übrigens die auf dem Ring. Aber vielleicht meine ich das auch nur, weil Manni dort sein umfangreichstes Antiquariat hatte und mir zu fairen Preisen Paperback Originals überließ, nach denen ich ewig gefahndet hatte.
Neben der halbverblödeten Laufkundschaft („Der Herr Mankell schreibt so menschlich tief, nicht?“) lungerten im ALIBI zum Glück auch immer gute Freaks und vorlaute Stammkunden herum. Das sorgte dafür, dass die Kaffeemaschine nicht still stand, wir Stammtischkapazitäten uns über Manchette die Köpfe heiß redeten und jeden Zufallskäufer zu vergraulen drohten. Aber irgendwie wuselte Manni dazwischen hin und her um das Niveau einer Joy Fleming-Leserin auf die nächste Evolutionsstufe zu heben. Dort sind so manche Freundschaften und einige Stammtische begründet worden. Aber auch Loser wie Peer Steinbrück haben Mannis Regale besudelt und eingekauft.
Es wäre natürlich ungerecht zu unterschlagen, dass Mannis Partner großen Anteil an Erfolg und Mythos von ALIBI hatten; Vor allem seine Frau Barbara hielt ihrem genialischen Ehemann den Rücken frei. Und Michael Möhrke sorgte dafür, dass die betriebswirtschaftliche Komponente nicht unter der Begeisterung platt gedrückt wurde.
Aber der Star bei ALIBI war Manfred Sarrazin.
Manni, ich vermisse Deinen Laden jetzt schon und wünsche Dir nur das Allerbeste. Vor allem vermisse ich, wie wir uns dort oft gefetzt haben, da Du ja nie kapieren wolltest, dass ich alles besser weiß. Auch meinen Vorschlag, dass man ALIBI nicht ohne polizeiliches Führungszeugnis und einen von mir ausgestellten Geschmacksnachweis betreten dürfe, hast Du schmählich abgelehnt. Und Du hast auch mittags nie abgesperrt, um mit mir in Ruhe eine Flasche Whisky zu trinken.