Martin Compart


PETER GUNN – DER ERSTE NOIR DETEKTIV by Martin Compart

Bevor Blake Edwards als Komödienregisseur (PINK PANTHER) und Ehemann von Julie Andrews berühmt wurde, war er Krimiexperte bei Funk und Fernsehen und einer der einflußreichsten TV-Produzenten der späten 50er Jahre. Für Dick Powell erfand er die Radio-Serie RICHARD DIAMOND, in deren TV-Adaption David Janssen von 1957 bis 1960 erstmals als Protagonist einer Serie auftauchte. Edwards Reputation war bestens, als er dem Produzenten Don Sharpe das Konzept der Privatdetektivserie PETER GUNN vorlegte. Es brach mit der Tradition, Serien aus anderen Medien wie Buch oder Radio zu übernehmen.

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Peter Gunn, gespielt von Craig Stevens, war nicht mehr der Trenchcoat-Privatdetektiv à la Humphrey Bogart, der die Medien in den 40er- und 50er Jahren beherrschte. Natürlich war er knallhart, aber er war auch elegant und hatte formvollendete Manieren. Er war eher ein Söldner, den man anheuern konnte. Meistens traf man ihn in der Jazzbar Mothers, wo seine Freundin Edie als Sängerin coole Weisen ins Mikrofon hauchte, Gunn ein herzliches Verhältnis mit der Inhaberin pflegte, und der unvermeidbare Polizeifreund Lt.Jacoby nicht weit war.

Der Bruch mit dem Schmuddelimage der früheren Privatdetektive war damals etwas radikales. Es bereitete den Weg für Warner Brothers Edelangestellte in 77 SUNSET STRIP, BOURBON STREET, HAWAIIAN EYE oder SURFSIDE SIX. Gunn stand nicht in der Tradition von Chandler oder Spillane, sondern orientierte sich an den Nachkriegsdetektiven aus den Romanen von Henry Kane, Robert Lee Martin, Richard S.Prather oder Bart Spicer. Für das Fernsehen, das anderen medialen Entwicklungen immer hinterher hinkitw, war er keine echte 50er-Jahre-Figur mehr. Die Beatnik-Noir-Stimmung und die Coolness der Hauptfigur weisen in die 60er Jahre voraus auf sophisticated Helden wie James Bond, John Steed und die UNCLE- und KOBRA-Agenten.

PETER GUNN war von der Anlage konsequent auf die damaligen Möglichkeiten des Fernsehens zugeschnitten. Da Farbe zu teuer war, nutzte Edwards die Besonderheiten von Schwarzweiß, sprich eine Noir-Ästhetik, die im Medium innovativ war.

gunn[1]Da man kein Geld für teure Tagesdreharbeiten on location ausgeben konnte, filmte man nachts und meistens im Studiogelände, wo Kamerawinkel und ausgeklügelte Beleuchtung die altbekannten Kulissen in neue Noir-Perspektiven tauchten. Lange, unwirkliche Schatten, die nächtliche Atmosphäre unterlegt mit Jazz, machten Gunns Los Angeles zum mythischen Ort, zur ultimativen Noir-City des Fernsehens. Ähnlich wie dreißig Jahre später Michael Mann bei MIAMI VICE (der von PETER GUNN einiges gelernt haben dürfte; etwa das Nässen nächtlicher Strassen) schuf Edwards einen neuen, originären Stil, der den Inhalten entsprach.

Nichts überließ er dem Zufall. Selbst Hauptdarsteller Stevens wurde für die Edwardsche Vision maßgeschneidert: „Blake schleppte mich zum Friseur und erfand eine neue Frisur: den Bürstenhaarschnitt mit Scheitel, der als Peter Gunn-Haircut berühmt wurde und noch während der ersten Season überall in den USA in Mode kam. Dann ging er mit mir zu seinem Schneider und ließ Anzüge für mich machen. Wegen der Action-Szenen brauchten wir eine Menge Anzüge; irgendwann hatte ich etwa 380 im Schrank hängen. Alles war Blakes Vision. Als Kontrast zu den vielen miesen Typen, musste Gunn immer smart gekleidet sein und einen klaren, scharfen look haben.“

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Bizarre Charaktere und die alptraumhafte Ausleuchtung des Sets gaben der Serie etwas irreales. Sie spielt in einer fast symbolistischen Welt, in der es immer dunkel ist. Um Kosten zu sparen gab es keine Massenszenen und keine Verfolgungsjagden mit mehr als zwei Autos, die durch ausgestorbene Straßen rasten. Bei einem weniger stilsicheren Produzenten hätte all das billig ausgesehen, was Blake Edwards zum PETER GUNN-Touch stilisierte. Der TV-Historiker Ric Meyers: „Der Höhepunkt dieses speziellen Stils war die Episode THE HUNT von 1960, in der Gunn einen Kontraktkiller jagt. Nach der Exposition gibt es keine Dialoge mehr. Nur noch Scwarzweiß-Schemen, Stevens unnachahmliche Darstellung, Mancinis Musik und Edwards Kontrolle.“ Alles sehr impressionistisch, sehr mitreißend und vor allem sehr kostengünstig.

Ebenso wie bei MIAMI VICE war die Musik ein stilprägendes Element. Henry Mancini, den Edwards von Universal her kannte, schrieb die bis heute populäre Titelmusik. Die beiden Langspielplatten mit den Soundtrack der Serie hielten sich drei Jahre in den Charts (eine weitere Parallele zu VICE). Das PETER GUNN-Thema wurde zum Klassiker und Mancini reihte sich in die Unsterblichen der TV-Musik ein, auf demselben Level wie Lalo Schiffrin (MISSION IMPOSSIBLE), Ron Grainer (PRISONER, MAN IN A SUITCASE), LAURIE JOHNSON (AVENGERS) oder Earl Hagen (HARLEM NOCTURNE, I SPY). Bis heute gehört es zum Standard jeder gitarrenlastigen Beatkapelle; die wildesten Interpretation stammen aber nach wie vor von Remo Four und Mick Ronson, dem zu früh verstorbenen Gitarristen von David Bowie und Ian Hunter (Mott the Hoople).

Edwards Erfahrung mit Hörspielserien half ihm dabei, in kürzester Zeit Stories zu entwickeln. PETER GUNN-Episoden waren nur 25 Minuten lang, ein Format, das bis Mitte der 6oer Jahre auch bei Krimis sehr beliebt war, aber selten komplexe Geschichten ermöglichte. Es wird heute nur noch für Comedys oder Soaps genutzt. Edwards, der die meisten Drehbücher der ersten Season schrieb und alle überwachte, beherrschte das Kurzformat meisterhaft und fand für jede noch so banale Story den Rhytmus, der daraus eine PETER GUNN-Episode mit ihrem besonderen Stil machte.

Don Sharpe finanzierte die Pilot-Folge THE KILL, bei der Edwards Regie führte. Als er sie den Sponsoren präsentierte, war die Serie sofort verkauft. Edwards und Sharpe gründeten die Produktionsfirma Spartan Productions und behielten alle Rechte an der Serie, da sie nicht mit einem Sender, sondern dem Sponsor Bristol-Myers direkt abgeschlossen hatten. Damals kauften Sponsoren häufig eine Stunde Sendezeit, die sie dann mit einem Programm ihrer Vorstellung füllten. Dieser größere Einfluss der Sponsoren auf das Programm eines Senders wirkte sich oft positiv aus, da sie Fachleute beschäftigten, die ihr Metier kannten, und sich nicht von den Programmchefs deren Vorlieben oder Interessen vorschreiben ließen. Die Sender beendeten zu jener Zeit diese Praxis und PETER GUNN war die letzte unabhängige Serie für lange Zeit.

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Zu den GUNN-Regisseure gehörten u.a. Lamont Johnson, Jack Arnold, Boris Sagal und Robert Altman. Bis auf die letzte Season wurden alle Folgen durch NBC ausgestrahlt, dann durch ABC.

Eine Folge von Altman-

Ein Unikum in der Seriengeschichte war das Ende. Steven erinnerte sich: „Ende 1961 kam Edwards zu mir und sagte, er wolle künftig nur noch Kino machen und könne die Show nicht weiter betreuen. Er habe aber auch keine Lust, die Kontrolle aufzugeben um zu erleben, dass die Serie schlechter produziert würde. Natürlich war er der Meinung, außer ihm selbst könne niemand das Niveau garantieren. Also wolle er auf dem Höhepunkt aufhören, die Serie beenden. PETER GUNN wurde nie abgesetzt. Edwards machte einfach Schluss. Natürlich waren Sponsoren, Sender und Zuschauer stinksauer. Wir waren so etwas wie die erste echte Kultserie.

gunn-poter[1]Zehn Jahre lang versuchte man eine Wiederaufnahme zu erreichen.“  Was erreicht wurde, war 1967 ein Kinofilm, der aber eher ein buntes Pop-Spektakel wurde, als ein Noir-Film mit dem Feeling der Fernsehserie. GUNN – ohne Peter – war einer der ersten Kinofilme nach einer erfolgreichen Fernsehserie und auch damit seiner Zeit voraus. Co-Autor William Peter Blatty, der später den Welterfolg EXORZIST schrieb, orientierte sich mehr an Mickey Spillane als an der Fernsehserie. 1989 wurde nochmals ein Wiederbelebungsversuch unternommen: in einem TV-Movie von Edwards, das 1964 spielte, übernahm Peter Strauss die Titelrolle in dem mittelmäßigen Film.

Der Erfolg der Serie in ihrer Zeit brachte reichlich Nachahmer hervorgebracht: John Cassavetes spielte in JOHNNY STACCATO einen Jazzpianisten, der im Greenwich Village Club Waldos seine Fälle erhält. Blake Edwards selbst (wieder mit der Musik von Henry Mancini) produzierte mit Regisseur Jack Arnold 1959 noch MR.LUCKY mit John Vivyan als Zocker. Mike „Mannix“ Connors gab sein Seriendebut in TIGHTROPE und Edmond O’Brian spielte JOHNNY MIDNIGHT, während Rod Taylor in HONG KONG die dortigen Nachtklubs unsicher machte. Schließlich konzipierte Edwards auch noch die Bar DANTE’S INFERNO, in der Howard Duff den Besitzer mimte und Rick Jason spielte einen coolen, gut gekleideten Versicherungsdetektiv in THE CASE OF THE DANGEROUS ROBIN.  Der Topos des Privatdetektivs, der in einer Bar rumhängt, wurde erstmals 1941 von Norbert Davis in seinen Max Latin-Stories für Dime Detective präsentiert.

Es gab Dutzende von Serien, die Stil, Haltung oder Konzept von PETER GUNN kopierten. Sie haben alle auch heute noch ihre besenharten Fans, aber jeder von ihnen gibt zu, dass PETER GUNN das Original war, das die coolen, schicken Detektive der 6oer Jahre startete, die in einer Welt agierten, die manchmal so bizarr wie ein BATMAN-Comic von Bob Kane war und Musik und Kamera die zweite Hauptrolle spielten.

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Comics: Four Colour Comics No.1087.

Roman: Henry Kane: Peter Gunn, Dell 1960.

USA 1958-61;114×25 Min;SW.

Peter Gunn … Craig Stevens

Edie Hart … Lola Albright

Lt.*Jacoby … Herschel Bernardi

„Mother“ (1958-59) … Hope Emerson

„Mother“ (1959-61) … Minerva Urecal

Die Serie wurde in den  1990ern eingefärbt, um sie besser vermarkten zu können. Wer sich diese Version ansieht, kann nur mit Colonel Kurtz stöhnen: „Das Grauen, das Grauen.“

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