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„Was wirklich fehlt, ist eine Kriminalgeschichte des Films, besonders der Wirtschaftskriminalität“
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Rolf Giesen, bekannt als Dr. Horror, ist der wohl bedeutendste deutsche Experte für den phantastischen Film und Tricktechnik. Er schrieb zahlreiche Bücher zu diesen und anderen Themen, die auch in den USA veröffentlicht wurden. Seine Lehraufträge brachten ihn bis in die Chinesische Volksrepublik, wo er mehrere Jahre unterrichtete.
In der ersten Hälfte der 1980er Jahre war er Filmkritiker beim Berliner TIP-Magazin, für das auch Jörg Fauser arbeitete. Außerdem waren beide Stammautoren für die von mir herausgegebene Reihe „Populäre Kultur“ bei Ullstein.
Wir zogen häufig gemeinsam um die Häuser und bezweifelten gerne bei geistigen Getränken die allgemein anerkannten Interpretationen des kulturellen Lebens in Europa.
MC
AYAYAY, AYAYAY, AYAYAY:
DIE GEGENWART DER ZUKUNFT DES JÖRG FAUSER
von Rolf Giesen
I.
Vor allem hatte Jörg Fauser ein unvergessenes Gesicht, eine Mischung aus Trübsinn, aus Schwermut, einer gesunden Portion Skepsis und jeder Menge Boshaftigkeit, allerdings keiner bösen Boshaftigkeit, sondern einer kindlichen, die sich der Konsequenzen nicht immer bewusst ist und selbst erstaunt über die Folgen. Die Mordswut, die zu haben er behauptete, stand ihm nicht ins Gesicht geschrieben. Sein Lächeln wirkte gequält und verschmitzt zugleich. Schüchtern und angriffslustig: ständig the chip on the shoulders, wie die Amerikaner sagen, nicht direkt the Wild One, wie der Held seiner Brando-Biografie, sondern ein Angstbeißer. Aber genau wie Brando wirkte er verletzlich. Das konnte man in seinen Augen lesen, die ihre Umgebung mit Interesse beobachteten und musterten, ständig auf der Suche nach journalistischem, nach literarischem Futter, das er zu Munition verarbeitete.
Im Gegensatz zu uns, die wir ihn vielleicht noch vor uns haben (was anderes sollte die Menschheit tun angesichts einer bedrohlich in Mitleidenschaft gezogenen Umwelt?), hatte er einen Krieg erlebt, wenn auch nicht bewusst. Er war 1944 geboren, da hat man noch wenig Bewusstsein. Damit gehörte er nicht direkt zur Generation der Nachgeborenen wie wir, aber wir vereinnahmten ihn gern als unseren Pied Piper. Zwei Politiker kamen im selben Jahr zur Welt wie er: Proll-Gerd und Uwe Barschel. Barschels freien Fall hat er nicht mehr erlebt. Und Schröders Aufstieg, den ersten deutschen Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg und eine mit Adolfs, nein: mit Peters Volkswagen ausgeheckte Agenda, die die SPD, seit jeher das „kleinere Übel“, endgültig unmöglich machte, auch nicht. Peter das war Peter Hartz, das war Schröders Niedersachsen-Mafia, in der sich Gestalten wie Carsten Maschmeyer tummelten. Kann, fragte eine Zeitung, kann diese Männerfreundschaft korrupt sein?
1944 war auch das Geburtsjahr von George Lucas, der nach einem Autounfall entschied, nicht Rennfahrer zu werden, sondern Filmemacher, ein milliardenschwer-saturierter, der den Krieg nach Vietnam wieder salonfähig machte: als Cyberkrieg im Weltall, was selbst Ronnie Reagan auf eine Idee brachte, wie man das Reich des Bösen aushebeln konnte. Auch Fauser hatte einen Unfall. Anders als Lucas überlebte er ihn nicht. – und so konnte er die Konsequenzen von Reagans propagandistischer Weltraum-Politik, das Ende der Sowjetunion, nicht mehr miterleben. Der LKW, der ihn am 17. Juli 1987 in München erfasste, in der Nacht, die seinem 43. Geburtstag folgte, war zweifellos stärker als er. Die Vorsicht schwindet, wenn man wütend oder betrunken ist oder beides zusammen.
Fauser ging uns, den missratenen Jungs von Karl Marx, G-Man Jerry Cotton, Mirácoli, Coca-Cola, Rolling Stones, Rattles, Raketenheften, Donald Duck und Hansrudi Wäscher (Zeichner der anatomisch bedenklichen Comic-Hefte Marke Akim aus dem Walter Lehning Verlag), den bedauernswerten Opfern der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften voran in den Tod: unsere Ikone des Schreibens, unser messiah of malice. Zu einem zünftigen Messias gehört notwendigerweise ein gewaltsamer Tod mit nachfolgender Wiederauferstehung.
Wir, seine Jünger, hatten derweil Probleme ganz anderer Natur.
EINSCHUB: Frage in einem Internet-Forum: Wie bekommt man aus alten Comic-Heften den „Müffel“geruch heraus? Für ein Archiv wurden sehr viele Softcover Ausgaben aufgekauft, die fast alle stark müffeln und die anderen „anstecken“. Was ratet Ihr mir?
Wegwerfen!
Bei Schimmelgeruch, mit kleinen farbigen Pickeln, so ein Rat, ist schon Vorsicht geboten! Da besteht bei einigen Sorten schon akute Gesundheitsgefährdung beim Einatmen der Sporen.
Im Wetterbericht hoffen sie, dass die durch den Klimawandel mitverursachten Unwetter mal eine Pause einlegen.
Unwillkürlich muss ich an Atlantis denken, den versunkenen Kontinent.
Angesichts des Klimawandels hätten Comic-Hefte sowieso keine Chance. Entweder sie verbrennen, oder das Wasser weicht sie auf und spült sie weg,
Bis dahin, erfahre ich sodann, ist gegen muffigen Geruch folgende Hilfe angezeigt:
Comic in einen verschließbaren Behälter (Plastikbox etc.) geben, dazu reichlich Kaffeepulver. Nach ca. 14 Tagen ist der Geruch verschwunden.
Im Comic-Fandom ist übrigens ein Akim-Messer aufgetaucht, das Anfang der 1950er-Jahre in limitierter Stückzahl von Lehning auf Jahrmärkten unters Volk gebracht worden sein soll. Bevor es für 3000 Euro an einen Dummen versteigert werden konnte, entlarvte es ein beherzter Comic-Kenner übrigens als Fälschung.
Im Medienzeitalter ist es unmöglich, sich auf einen Gegenstand zu konzentrieren. Es fließt eben noch jede Menge Scheiße durchs menschliche Gehirn. Na gut, besser sie verdreckt das Gehirn als die Comic-Sammlung.
Wir hatten es nicht leicht. Ständig fürchteten wir.
Fauser hatte andere Probleme. Er trank sich geradezu in die Unsterblichkeit, bevor ihn die wiedervereinigte Kulturindustrie hätte vereinnahmen und bürokratisieren können, bevor er ein Fettwanst hätte werden können wie Marlon Brando zum Schluss. Fauser glaubte an den jungen Brando, den Unangepassten, und er glaubte auch an Brandos geflügelte Worte: Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden. Tatsächlich hatte ihn der LKW nicht überholt, als er seinen eigenen Weg über die Fahrbahn ging, sondern mitgeschleift.
Womöglich hätte man ihn, wäre er noch am Leben, als Juror zum Bachmannpreis eingeladen, besser noch als Wortführer der Jury, als Nachfolger von Reich-Ranicki, der ihm, als er 1984 in Klagenfurt las, vorgehalten hatte, dass einer wie er nicht dazu gehöre: „Er passt nicht in diesen Wettbewerb. Man sollte einmal deutlich sagen, warum. Nicht deshalb, weil der Text gut oder weniger gut oder schlecht ist. Das ist nicht der Grund. Hier gibt es auch schlechte Texte, die gelesen wurden und wahrscheinlich noch gelesen werden, die sehr wohl in diesen Wettbewerb passen. Er passt nicht in diesen Wettbewerb, weil er geschrieben ist, Herr Fauser, das wird Sie vielleicht überraschen, es ist meine tiefste Überzeugung, ohne den geringsten literarischen Ehrgeiz. Hier haben Sie nichts riskiert, nichts versucht. Sie arbeiten mit Klischees, mit Versatzstücken in der Sprache, in den Motiven, im Schauplatz. Das ist – und da hat Wolfgang Kraus vollkommen recht – eine Literatur einer ganz anderen Ebene.
Mit Kunst hat das nichts zu tun!
Das hat zu tun mit einer Unterhaltungsware, die sehr anständig oder schlecht sein kann, gut gearbeitet, ordentliches Handwerk, weniger ordentliches Handwerk, aber dies zu entscheiden oder zu beurteilen ist unsere Sache nicht. Wir sind für andere Literatur zuständig als diese Geschichte. Deshalb sage ich nur, sie ist gar nicht mal schlecht, sie gehört nur nicht hierher.“
Schwacher Applaus.
Ein anderer Juror lässt sich kurz über die „zynische Dimension von Trivialliteratur“ aus.
Peter Härtling zeigt sich verdrossen.
Walter Jens gibt vor, nichts gegen Unterhaltungsliteratur auf höchster Ebene zu haben, aber hier habe man es mit aneinandergereihten Versatzstücken zu tun und mit einer – wörtlich! – Computerliteratur, die auf Unterhaltung spezialisierte Verlage nicht annehmen würden.
Computerliteratur! Die Schreibmaschine war doch, wie Fauser sagte, sein Maschinengewehr. An der Schreibmaschine wurde er zum Werwolf, verwandelte sich Fausers Jekyll in Hydes Jörg. Maschinengewehre und Schreibmaschinen hämmern. Dieses Gefühl, dieser Takt geht bei der Arbeit am Word processor, wie es damals hieß, verloren: tack-tack, tack-tack.
Eine Schweizer Quotenfrau in der Jury, die älter aussieht als sie ist und außerdem Obermüller heißt, beklagt sich bitter, dass sie als Frau und so weiter und so fort: „Ich hab‘ den Text als Frau gelesen [als was sonst?] und hab mich gefragt, ob mir hier der Autor eine Moral verpassen will, nämlich die, dass ich mich nie von der Seite meines Beschützers entfernen soll, weil ich sonst vergewaltigt werde…“
Frau Klara Obermüller schaut befriedigt in die Runde, aber niemand will sie vergewaltigen. Es tritt auch kein Beschützer auf.
Peter Härtling und Reich-Ranicki kriegen sich vor Lachen nicht ein.
Fauser sitzt die ganze Zeit vor dem Gericht der in Klagenfurt versammelten Literaten der Hochkultur, macht ein bedröppeltes Gesicht und lässt die barschen Worte an sich vorbeirauschen.
Der Angeklagte sollte das letzte Wort haben. Er zog es vor, wortlos abzuziehen.
„Wogegen wir hier sind oder was ich meinte, ist die Unterhaltungsliteratur, die nicht mehr ist als bare Konfektion“, rief ihm Reich-Ranicki nach.
Fauser hatte sie alle satt, die Konfektionäre ebenso wie die Nonkonformisten, wie er in Rohstoff, seinem für mich besten Buch, schrieb – „die Nietenjacken wie die Rollkragenpullover, das Gesabber der einen wie die Standpunkte der andern, Sodom und Gomorrha oder Marxismus-Leninismus, Jacke wie Hose, aber wenn mich schon alle anstarrten, wo ich mich hinsetzen würde, dann nahm ich doch lieber bei denen Platz, die keinen Bausparvertrag, kein Parteitagsmandat und keine politische Illusion mehr zu verlieren hatten, nur noch ihre Backenzähne.“
Endlich, fand ich, gehörte ich dazu. Ich fühlte mich verstanden. Auch mir wurde der Eintritt zur Vordertür verwehrt. Auch ich wurde, unterhaltungsbeflissen mit Comics, Gruselfilmen und Pommes frites rot weiß gefüttert, zur Hintertür verwiesen.
Mir fehlten sogar zwei Backenzähne.
Rohstoff war der Sprengstoff, auf den wir Zukurzgekommenen des Wirtschaftswunders gewartet hatten, um uns den Weg zur Vordertür freizukämpfen.
Fauser war, so seltsam das klingen mag, der Katalysator zum Verständnis auch unseres eigenen Lebens, der Nachkriegsgeneration, ihrer Unterhaltungsmusik, ihrer Unterhaltungsfilme, ihrer Unterhaltungscomics, ihrer Unterhaltungsdrogen und ihrer eher weniger geistigen Getränke, ja, des deutschen Nationalcharakters überhaupt, der reichlich grenzwertig ist.
Für uns Jungen war, ehrlich gesagt, nicht Letztes Jahr in Marienbad das Größte, sondern Peblum: Herkules, Samson & Odysseus, das Nonplusultra des Sandalenfilms, 1963 von Pietro Francisci gedreht. Pietro Francisci, der Regisseur, hatte die Muskelmann-Serie mit Steve Reeves als Herkules aus der Taufe gehoben. Er war ein kleiner, dicker Mann (mit Jura-Examen), für den die kommerzielle Seite der Filmkunst keine Schande bedeutete. Nicht einmal die einsfünfzig, die wir jeden Sonntag unseren Alten für die Jugendvorstellung abgeluchst hatten, verachtete er. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Er war eben ein echter Lateiner, der, anders als seine Kollegen von der Novelle vague oder vom Jungen Film, wusste: Non olet!
Und die Alten waren froh, uns für zwei, drei Stunden loszuwerden und ihr schlechtes Gewissen dazu, an das wir sie bei Bedarf erinnerten, also mindestens zweimal in der Woche. Jaja, Krieg und Drittes Reich. Den Leichengeruch hatten sie wahrgenommen, aber gewusst… nein… und bitte nicht daran erinnert. Dann lieber einsfünfzig Schweigegeld.
Die Mädchen hatten derweil ihr eigenes Reich: Tausend Takte Übermut, Vinylschallplatten, Roy Black, Eisdielen, wo sie uns auflauerten, ganz früher in Petticoats. Damals waren sie noch schlank dank Hula-Hoop-Reifen. Jede zweite hieß Manuela. Geradezu hysterisch wurden einige von ihnen, als die Beatlemania aufkam.
Nur Frau Obermüller war nicht dabei.
Schreibend habe ich Fauser natürlich nicht erlebt, redigierend, ja, beim Tip-Magazin in West-Berlin, wo ich ihm meine Artikel über Fantasy- und SF-Filme in die Hand drückte, und trinkend, oft im Duo mit dem trinkfesteren Ullstein-Lektor Martin Compart, mit dem er um die Häuser zog. An der Ecke Pestalozzi-, Krumme Straße (in der Krummen fiel am 2. Juni 1967 der Todesschuss auf Benno Ohnesorg, hier wohnte Fauser eine Zeitlang), frequentierten sie das Martini-Stübchen, das es heute nicht mehr gibt, ebenso wenig wie das merkwürdige West-Berlin der Provinzpolitiker Eberhard Diepgen und Heinrich Lummer, Tag und Nacht geöffnet, das zeitweilig Fausers geliebt/gehasstes Zuhause war.
Wir tranken doch alle. Leben hieß trinken. Die einen vertrugen mehr, die anderen weniger, wieder andere gar nichts. Das gehörte dazu. Hemingway, Dashiell Hammett, Raymond Chandler und der ganze Pöbel – man befand sich in der erstbesten Gesellschaft.
Ich lege gerne jeden Gerass und Walserrr beiseite und nehme mir dann lieber einen Fauser-Text vor und genieße die unterhaltende literarische Konfektion wie einen Roman von Charles Bukowski oder Henry Miller: eine zeitlose Schreibe, wie sie natürlich nicht ins spießbürgerliche Kärnten gehört. Ich fühle mich dann wieder jung, jetzt, da ich alt und selbst auf der Zielgeraden bin, die unweigerlich in irgendeine Versenkung führt, die man Grab nennt.
FORTSETZUNG FOLGT
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THE BRUTAL, THE STUPID, AND THE NEEDLESS
THE FINAL (PLAGUED) YEARS OF MANKIND
This is the title of a virtually unknown horror movie from the early 1970s (when the Vietnam War) was still going on that seems to be lost. Here are excerpts from a recently found (damning) film review:
Wow, what a silly movie.
I don’t believe it would be possible to make one sillier.
Concerning the future, it gives in one eddying concentration almost every possible foolishness, cliché, platitude, and muddlement about progress of science and society served up with a sauce of self-pity that is all its own.
It’s all about anonymous conspirators of brutal intelligence – may the be hippies, billionaires, or aliens or all of the three – who are going to accomplish the ultimate brain damage among their followers. They link them by a computerized mind, artificial intelligence so to speak that has total access to huge databases but renders those unhappy masses completely stupid and turns them into mindless zombies playing computerized games and in between killing each other: Only the stupidest calves choose their own butcher.
In this case, they elect a comedian from television to lead them. The guy has apparently ditched the hair dye and swapped his notoriously blonde hairdo for his natural silver shade: a hairspray labyrinth instead of mind. This man is a hunter of souls who sells all the souls to aliens or devils or to Deutsche Bank or to the Mafia (after the success of The Godfather, the mindless filmmakers could not leave it out!) and leads the people to destroy the symbols of democracy including the White House when, at the same time, they suffer not only a brain virus but a pandemic spreading – of all places – from Mao’s China! Two viruses for the price of one. What kind of absurdity is this?
A quaint smell of Mephistopheles is perceptible for a while. With a broomstick between their legs, the filmmakers celebrate Walpurgis Night and ride to the Brocken to kiss Satan’s ass. Never for a moment does one believe any of this foolish story; for a moment is there anything amusing or convincing in its dreary series of strained events. It is immensely and strangely dull. It is not even to be laughed at. There is not one good-looking nor sympathetic nor funny personality in the inept, hammy cast; there is, indeed, no scope at all for looking well or acting like a rational creature amid these mindless, imitative absurdities. The film’s air of having something grave to say is transparent pretense.
It’s a tepid horror movie about an unlikely dystopian future that despises mankind and all values of humanity. At the end of the movie, nobody survives as the stupid swarm out to welcome the disease and plague with open arms, without any protection and turning down each vaccine because it would cure them from their mental state. They are like lemmings.
Let’s hope that the brutal will never be joined by the stupid and the needless and that such absurdity, the figment of a screenwriter’s sick mind will never become the object of mindless future cultists who devour any trash.

Er wurde für seine Darstellung des Virus und des Comedian in Doppelrolle für den Goldenen Otto nominiert.
Filed under: Dr. Horror, Science Fiction | Schlagwörter: Ataman Kalmykow, Daniel Galouye, Dr.Horror, George Orwell, Perry Rhodan, Philip K.Dick, Rolf Giesen, Science Fiction, Stanislaw Lem
Was für eine Zeit für Science-Fiction-Autoren!
Man kann die Zukunft mit Händen greifen. Die aktuelle Pandemie beschleunigt letztlich die Zeitenwende.
Aber wo sind diese Autoren in Deutschland?
Wo sind Schriftsteller wie George Orwell, der Neusprech beschrieben hat, wohinter wir heute mit Leichtigkeit die Computersprache der neuen digitalen „Übermenschen“ (frei nach Nietzsche) erkennen: komplett mit USB-Sticks, Android-App, WhatsApp, Clouds, ALGOL, BASIC, Backup, Base Memory, Excel, Scan und Drive, influencing und monitoring (Überwachung, aha!), Slash. Für sie, die diese Sprache sprechen, existiert kein Problem, alles wird zur Challenge und ist sofort online. Wenn die Digitalen die neuen „Übermenschen“ sind, was lässt sich dann über die Analogen sagen?
Stanisław Lem sah Nanotechnologie, künstliche Intelligenz und Virtuelle Realität voraus, die er Phantomatik nannte: künstlich und medial erzeugte Bewusstseinstäuschung. Während Wernher von Braun (I Aim at the Stars – but sometimes I hit London) in Peenemünde an Hitlers sogenannten Vergeltungswaffen arbeiteten, kämpfte der in Lemberg (Lwów) geborene Lem im besetzten Polen um sein Leben. Der Medizinstudent verschleierte mit gefälschten Papieren seine jüdische Herkunft und überlebte, im Gegensatz zu Familie und Verwandten, den Holocaust. In seinen utopischen Büchern finden sich die Spuren einer traumatischen Vergangenheit als Holocaust-Überlebender.
Daniel Francis Galouye, der in seinem Roman Simulacron-3 (im deutschen Fernsehen bekannt als Fassbinders Welt am Draht) das Höhlengleichnis Platons weiterspann und schon 1964 eine virtuelle Parallelgesellschaft erfand, die nichts von ihrer Scheinhaftigkeit ahnt. Eine schöne neue Welt – wie Aldous Huxley sie nannte.
Philip K. Dick, Paranoiker und Visionär: „Ich habe mal eine Geschichte geschrieben, in der es um einen Mann geht, der einen Unfall hat und ins Krankenhaus gebracht wird. Als er auf dem Operationstisch liegt, zeigt sich, dass er kein Mensch, sondern ein Android ist, was er selbst aber nicht weiß. Man muss ihm die Neuigkeit schonend beibringen.“
Der Bedeutendste unter diesen aber ist der vergessene, verdrängte Tscheche Karel Čapek, denn ohne sein 1920 erschienenes Drama R.U.R. (Rossumovi Universálni Roboti) würden wir heute gar nicht von Robotern sprechen. 1937 wurde sein Stück Bílá nemoc von und mit Hugo Haas verfilmt: Die weiße Krankheit.
Čapek musste noch erleben, wie kurz vor seinem Tod Hitler in die Prager Burg marschierte und die Staatsbank um ihr Gold erleichterte. In der Weißen Krankheit beschrieb er einen Autokraten wie Hitler (und – mit diesem nicht zu vergleichen, doch traut man auch ihm mittlerweile einen Staatsstreich zu: Donald T., die Karikatur eines Präsidenten, die Carl Barks nicht besser hätte zeichnen können). Diesem Diktator sind die Jungen wichtiger, denn sie braucht er zum Kriegführen. Menschen im fortgeschrittenen Alter werden derweil von einem Virus hinweggerafft, das sich durchs Händeschütteln verbreitet und, weil zuerst in einem chinesischen Krankenhaus nachgewiesen, das chinesische (!) heißt.
Leider haben wir in Deutschland keinen Čapek, nicht mal ein schnelles Internet (da hinkt es dann auch mit der Intelligenz, zumal der künstlichen): nur noch die traurigen Reste von Perry Rhodan, dem einstigen Star der sogenannten Raketenhefte, wir haben Andreas Eschbach, der immerhin ein Perry-Rhodan-Prequel schrieb, wir haben Wolfgang Hohlbein, der in Goethes Weimar geboren wurde, aber an diesen trotz seiner Auflagenrekorde nicht heranreicht, Andreas Brandhorst mit seinem ersten Roman Die Unterirdischen im Zauberkreis-Verlag, sie alle nicht die „Erben des Universums“, sondern Epigonen von Kurd Laßwitz, Hans Dominik & Co. Es mag Ausnahmen geben: Timo Leibig (vielleicht mit Nanos), aber der setzt inzwischen auch nur auf seine Serienfigur Leonore Goldmann, Tom Hillenbrand, nein, nicht Frank Schätzing, bitte nicht: „Wir haben die Chance, die Welt nach Corona besser zu machen.“
Rolf Giesen
Filed under: Conspiracy, Dr. Horror, Philosophische Fragen, Sternstunden der Verblödung | Schlagwörter: Corona, Dr.Horror, Rolf Giesen, SF
…war nicht nur der Titel eines Roger Moore-007, es ist auch das Schreckgespenst einer Wirklichkeit, die mit der unheimlichen Medien-Präsenz eines Zombie-Seuchen-Films über uns hereingebrochen ist.
Epidemien und Pandemien gehören zu den zyklisch auftretenden Damoklesschwertern der Menschheitsgeschichte: Pocken, Masern, Fleckfieber, der Schwarze Tod, Cholera und Spanische Grippe, Kollateralschaden eines globalisierten Krieges. O-Ton Boris Palmer: „Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.“
Wenn das, möchte man mit dem mythologischen Nazarener ausrufen, wenn das schon mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?
Was wird dann nach der zweiten oder dritten Welle von Covid-19 sein? Wird die Welt nachher wieder so sein wie vorher?
Werden die Jecken in Heinsberg wieder Kappenfeste feiern dürfen?
Wird Deutschland je wieder Fußball-Weltmeister werden?
Wird am Ende kommen, was Untergangspropheten schon lange versprechen: eine weltweite Rezession – Finanzcrash – Währungsschnitt – Massenarbeitslosigkeit – und Schlimmeres noch: nein, nicht die Klimakatastrophe, die sowieso, sondern ein Hauen & Stechen um Klopapier und ein Dammbruch der Fäkalien?
Stets war und ist man in solchen Situationen, die angeblich ebenso wenig vorhersehbar war wie Apokalypse und Jüngstes Gericht (O-Ton Jens Spahn, noch im Februar ein Apologet der „aufmerksamen Gelassenheit“: „Im Nachhinein ist man schlauer“) und deren Wahrscheinlichkeit doch jedem Virologen seit einem Jahrzehnt bewusst war, auf der Suche nach möglichen Verursachern: Juden, die die Brunnen von Christen vergiften; Hexen, die schuld waren an Missernten; augenblicklich die Fledermaus-fressenden Chinesen. Schnell waren und sind Antisemiten, Hexenjäger, Trump-Jünger und andere Verschwörungstheoretiker zur Stelle: gar ein Unfall im Wuhan-Labor chinesischer Vampire, die Fledermäuse untersuchten?
Das Coronovirus selbst – Lock Down hin, Lockerungen her – soll uns hier nicht beschäftigen, wohl aber die möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen, die es bei Infizierten auslösen mag, vom temporären Verlust des Geschmackssinns bis hin, man kennt es doch aus diesen Zombiefilmen, zum permanenten Verlust des sogenannten gesunden Menschenverstands.
Was aber kommt nach dem Verlust des gesunden Menschenverstands? Was kommt nach Spahn, Karliczek und Andi Scheuer, der das einzige, was er tun sollte, nicht getan hat: die politische Verantwortung für seine dämlichen Handlungen übernehmen?
Doch wohl nicht der Chef-Stratege des freien Marktes: Christian „Moomax“ Lindner, der schon als junger Mann einen Porsche fuhr, sehr bald Insolvenz anmelden musste, dabei zwei Millionen in den Sand setzte und stattdessen FDP-Chef wurde?
Oder Friedrich Merz: „Ich traue mir zu, die CDU in die Zukunft zu führen“?
Oder der seinem Naturell entsprechend schwammig formulierende Peter Altmaier, der „Ludwig Erhard des 21. Jahrhunderts“? Heile heile Mausespeck. In hunnerd Jahr is alles weg.
Wir können von Glück sagen, dass die extreme deutsche Rechte überwiegend aus größeren Hohlköpfen geschnitzt ist. Während das Virus sich schon zur Pandemie auswuchs, machte B. Höcke in Thüringen noch seine Mätzchen. (Oder wird gerade mangelnder Sachverstand gepaart mit populistischer Ignoranz unsere Zukunft besiegeln, so dass wir wieder zurück in die germanischen Wälder müssen, als Bewohner kränkelnder Bäume womöglich?)
Leider stehen zu viele Science-Fiction-Autoren noch in der Tradition der Raketenhefte (Liest du schon wieder Raketenhefte? fragte die um das Wohl des Sprösslings besorgte Mutter und warf sie in den Ofen: Kindheitstrauma jedes Sammlers).
Jetzt könnte man nach Herzens- und Pessimistenlust Orwellsche Dystopien entwerfen. Tatsächlich beschleunigt die Pandemie nämlich nur, was längst im Busch war: die Geburtswehen einer neuen Zeit.
Was Orwell im Stalinismus vermutete, ist längst Bestandteil der sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitenden digitalen Globalisierung geworden: Neusprech – totale Überwachung – Gehirnwäsche. Freiwillig öffnen wir uns den großen Brüdern Google, Facebook & Co. Würde es eines Tages ein „ewiges Leben“ in der Virtualität von Mind Control geben, wer weiß, wie viele ihre Körperlichkeit aufgeben würden für ein Linsengericht oder ein Freibier. Na gut, wir wollen mal nicht kleinlich sein: zwei Freibier.
Nein, ein Zurück in die Sicherheit des Mutterschoßes zwischen Befreiung vom Hitler-Faschismus und Kubakrise wird es nicht geben.
Vielleicht wird es auch der Anfang vom Ende der medialen Blockbuster sein, die vor Marvelscher Kraft kaum laufen konnten. Besonders hart trifft es zurzeit den Disney-Konzern. Aber die Start-ups der Zukunft, die Disney und seinesgleichen ablösen werden, stehen schon in den Startlöchern. Sie setzen auf Cocooning und Home Entertainment.
Aber um richtig effizient zu wirken, brauchen sie etwas mehr als eine Mattscheibe mit Schreibmaschine davor, sprich: mehr als PCs, sie brauchen ein Ding, das den „Volksgenossen“ richtig in die verseuchte Birne geht und jede Menge virtuellen Shit dort ablädt. Die Labors in Wuhan und anderswo in China arbeiten bekanntlich schon daran, das menschliche Gehirn zu infiltrieren, wenn man den amerikanischen Geheimdiensten glauben will.
Wird es irgendwann in Zukunft, so absurd, perfide und ungeheuerlich das klingen mag, virtuelle „Gaskammern“ geben statt Suppenküchen: wo die Armen und bösen Buben nicht wie in Pinocchio in Esel verwandelt werden, sondern in geistlose Energie? Natürlich wird man nicht von „Gaskammern“ sprechen, sondern von Herausforderungen in der Unendlichkeit des digitalen Universums.
Rolf Giesen
PS: Sie können diesen Artikel auch ausdrucken und ihn in Notzeiten als Klopapier-Ersatz verwenden. Der Autor hat nichts dagegen einzuwenden.
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DER LANGE WEG ZUM SCHLANGENMAUL 3/
HEUTE: ABENTEUER IM ÜBERBAU
Drei Tage vor dem Bruce Springsteen-Konzert 1981 war ich auf Speed gegangen und hatte bei meiner Brandrodung durch München einen neuen Rekord aufgestellt. Nachts vor dem Konzert konnte ich nicht pennen. Das Speed glühte nach. Ich war dabei, die Entgiftung mit summa cum laude abzuschließen: Da war doch dieses Buch, das ich schon ´ne Weile lesen wollte: MARLON BRANDO von Fauser. Ein bisschen was hatte ich von ihm schon im „TIP“ gelesen.
Und natürlich war ich von ALLES WIRD GUT begeistert, das mir verdeutlichte, wie tief man in München noch sinken kann…
Später bekundeten wir häufig und missionarisch, dass München viel härter wäre als Berlin mit seiner Subventionskultur, in der jeder für ein „Projekt“ ein paar Groschen abgreifen konnte. Das erzählten wir jedem, der es nicht hören wollte – wie hart sich unser Überlebenskampf in Minga gestaltet hatte:
„Wasser? Wasser gab es nicht jeden Tag. Manchmal war man zu schwach, um sich bis zur Isar zu schleppen, um zu trinken. Und wer hatte schon eine Flasche, um Wasser mitzunehmen? Ein seltenes und kostbares Gut für die bürgerlichen Schichten.
Essen? Nun ja, gelegentlich warf einem schon mal eine gutherzige Marktfrau eine glasige Kartoffel zu oder eine vertrocknete Brezen… Das waren dann Feiertage, an denen man weinend dem Herrn dankte, dass er doch über einen wachte. Man war zu arm, um sich Aberglauben leisten zu können. Wir hatten nur unseren Seelenadel.
Bier? Jaja, Minga-Bierstadt. Bayrisches Bier gilt da ja als Grundnahrungsmittel. Kein Getränk für jedermann. Für uns was ganz seltenes und besonderes. Da kam man ganz schwer dran. Das einzige Bier, das wir auch nur wenige Male gekostet haben, bestand aus zusammen geschütteten, abgestandenen Resten in der Blauen Nacht oder einem unübersichtlichen Biergarten, bevor man mit Tisch- oder Stuhlbeinen da weggeprügelt wurde.
Nachts suchte man Trost beim einzigen Buch, das man aus einem Sperrmüll gezogen hatte und der größte Schatz war, den man in seiner abgewetzten Wehrmachtsuniform immer bei sich trug. Im schummrigen Licht der Straßenlaterne (wenn man das Glück hatte, eine zu finden, von der man nicht mit bissigen Hunden vertrieben wurde) las man dann in der zerfledderten Vorkriegsausgabe von OLIVER TWIST, um ein wenig Hoffnung zu schöpfen. Das ermutigte manchmal, den Strick um den Hals an einer der Isarbrücken wieder zu lösen. Manchmal auch nicht. Dann hing man da, über der nächtlichen Isar, leicht im Wind baumelnd, mit gebrochenem Genick…“
Ich knallte mir das Buch rein und konnte nicht fassen, wie gut es war. So eine Star-Biographie hatte ich noch nie gelesen!
Ich nahm mir fest vor, diesen Typen kennenzulernen.
Später stellte sich heraus, dass wir in München wohl zur selben Zeit in teilweise dieselben Kneipen gegangen waren.
Wir hatten vielleicht am selben Tresen gestanden, ohne ins Gespräch zu kommen. Denn im Gegensatz zu Jörg, bin ich fast nie allein um die Häuser geschlichen. Weißbierkeller, Blaue Nacht, rund um den Viktualienmarkt, das Glockenbachviertel… Wahrscheinlich hatten wir in denselben Nachtvorstellungen dieselben französischen Gangsterfilme geguckt.
„Warum hast du mich nicht mal angerufen? Das haben andere auch gemacht“, fragte mich Jörg später.
„Erstens habe ich mich das nicht getraut, zweitens hättest du mich garantiert abserviert.“
„Nicht unbedingt.“
„Nee, nicht unbedingt.“
Für die „Arbeitsgemeinschaft Kriminalliteratur“ (im Umfeld der Münchener Uni 1980 gegründet) schrieb ich regelmäßig Artikel und Kolumnen für das Mitteilungsblatt. Aber auch schon mal ein Feature über das Sammeln von Kriminalliteratur für das „Sammlerjournal“.
Da ich zu zart für körperliche Arbeit bin, schrieb und übersetzte ich, um das karge Bafög aufzustocken.
In München bekam man sogar den Berliner „TIP“, der damals verstärkt überregional vertrieben wurde. Den las ich regelmäßig, denn der Kulturteil war moderner und progressiver als der durchschnittlicher Blätter. Film und Musik hatten mehr Platz, und mit den Rezensionen konnte ich mehr anfangen. Dass da Jörg Fauser seit Anfang 1981 am Werk war, fiel mir erst auf, als DER SCHNEEMANN vorabgedruckt wurde. Der Roman gefiel mir, klar, dass er als Redakteur stattfand, war mir nicht klar.
Der „TIP“ wäre vielleicht das richtige Forum für einen Artikel über Kriminalliteratur. Ich schickte, er wurde angenommen, veröffentlicht.
Nachdem Bernd Jost seinen bevorstehenden Wechsel zu Rowohlt als Nachfolger von Richard K.Flesch verkündet hatte, musste für Ullsteins Gelbe Reihe ein Nachfolger gesucht werden.
Ullsteins Geschäftsführer Viktor Niemann und Pressechef Wolfgang Mönninghof (in Personalunion als Chef-Lektor) trafen sich gelegentlich auf Drinks mit Fauser und „TIP“-Chef Werner Matthes, der Fauser nach Berlin geholt hatte. Es gab auch keine Zweifel, dass Niemann an Fauser als Autor für Ullstein interessiert war. Jedenfalls regte man an, die Ullsteiner sollten sich doch mal den Typen von der Arbeitsgemeinschaft ansehen, der diesen Artikel über Kriminalliteratur geschrieben hatte.
Niemann hatte ich schon zuvor als Chefideologe der AK belästigt
(„Hören Sie auf, die Innenklappe mit Marlboro-Werbung zu verunstalten.“
– „Wäre es Ihnen lieber, dass die Krimis dann teurer würden?
– „Nein. Senken Sie den Preis und lassen Sie gleichzeitig die Reklame weg.“
Ich hatte also meine betriebswirtschaftliche Kompetenz bereits nachgewiesen).
Der Rest ist bekannt: Nach einem Gespräch in Berlin hatte ich den Job, wurde jüngster Herausgeber Deutschlands, und bereits im ersten Job-Monat kreuzten sich Jörgs und meine Pfade.
Ich hatte zwar schon „TIP“-Chefredakteur Werner Mathes persönlich getroffen, aber Jörg noch nicht kennengelernt. Muss Anfang August ’82 gewesen sein, als Matthes mich zu einer Gaststätte bestellte, um über den „Literatur-Tip“ zur Buchmesse zu sprechen. Themenschwerpunkt: Kriminalliteratur.
Es war ein scheißheißer Tag, und ich frittierte im Büro im eigenen Schweiß. Mit einem Taxi fuhr ich durch das brütende Berlin zum Fronteinsatz. Vor der Gaststätte saßen zwei Stoiker und tranken Whisky. Matthes stellte Fauser und mich einander vor. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich es Ihnen zu verdanken hatte, bei Ullstein zum Vorstellungsgespräch geladen worden zu sein. Fauser war cool und skeptisch. Der Kellner kam, um meine Bestellung aufzunehmen. Ich wollte auch einen Whisky. Fauser grinste. Ich konnte kein ganz schlechter sein.
Aber wir saßen nicht nur da und waren hübsch anzusehen, wir gingen auch ernsthafter Trinkertätigkeit nach, und ich akzeptierte natürlich den Vorschlag, über Jim Thompson zu schreiben.
Nach der Veranstaltung in Loccum, verdichtete sich unsere Bekanntschaft und entwickelte sich zu einer zelebrierten Männerfreundschaft.
Wir besuchten gelegentlich Kultur-Veranstaltungen, gehörten aber nicht dazu, weil wir nicht dazu gehören wollten. Wir meinten eine Art „freundlichen Stalinismus“ der Apparatschicks auszumachen, der sich für Disziplin gegenüber genehmen Denkmustern und gegen abweichenden Individualismus richtete. Ihrem Kastendenken stellten wir die Wahrhaftigkeit der Noir-Avenues gegenüber. Diese Kulturszene interessiert (e) sich nur für Biedermeierthemen. Wie die Welt wirklich funktioniert, interessiert sie nicht. Da mussten wir schon zu Jim Thompson oder Ted Allbeury greifen. Es ging gar nicht mal um die Systemfrage, es ging darum, wie das System funktioniert. Erkennt man das, kommt die Systemfrage von selbst.
Existentialistische, an Camus erinnernde Aussage, wie diese von Jean-Pierre Melville passten hier nicht hin: „Ich mag nutzlose Anstrengungen sehr. Der Aufstieg zum Misserfolg ist eine ganz und gar menschliche Seite. Der Mensch geht von Erfolg zu Erfolg unentrinnbar auf sein letztes Scheitern zu: den Tod. In meinen Filmen gibt es immer eine Minute der Wahrheit: Der Mensch vor dem Spiegel, das ist die Prüfung, die Bilanz.“
Nein, hier kreiste alles um großbürgerliche Ästhetik, bürgerliches Glücksstreben in der Idylle eines progressiven Opernhauses und dessen Unmöglichkeit wegen der großen Schuld der Väter. Echokammern eines überholten Geisteslebens. Kulturelle Geisterfahrer.
Jörg wurde nicht vom bourgeoisen Feuilleton missachtet, er wurde von ihm nicht verstanden. Das zeigt sich auch darin, dass er jederzeit zu ihm Zugang fand. Ein Helmut Karasek hatte kein Problem, Jörg im „Spiegel“ über Mickey Spillane schreiben zu lassen, die „FAZ“ druckte seinen Essay über Ross Thomas vorab. „Lui“, „TransAtlantik“ und andere Zeitungen und Magazine standen ihm offen. Indem er den TIP (nicht nur mit der jährlichen Literaturbeilage zur Buchmesse) mit einer regelmäßigen literaturkompetenten Portion ausrüstete, wurde er selbst zum Player in diesem desparaten Genre. Seine Überlegenheit und Originalität kam eben nur nicht bei jedem Mitkombattanten gut an. Besonders nicht seine Tunnelbohrungen durch diesen überdimensionalen Misthaufen, der als deutsche Gegenwartsliteratur gefeiert wurde.
Denn unter den Möglichkeiten für eine zeitgemäße Literatur sahen wir Formen der Kriminalliteratur als überzeugendste Möglichkeiten (in der Umsetzung anders als der häufig talentlose Sozio-Krimi und seine stilistisch begrenzten Autoren). Denn in der sogenannten zeitgenössischen deutschen Literatur ging es ja nur darum, dass Leute, die einen nicht interessieren, nichts erleben.
Mit André Malraux teilten wir die Ansicht, dass Kriminalliteratur „das wirksamste Mittel ist, einen ethischen oder poetischen Sachverhalt in seine ganze Intensität zu übersetzen“.
Angesichts des Widerstandes (zum Teil Hass), der uns von Feuilletonisten und Autoren entgegenschlug, grinsten wir lediglich in unserer tief empfundenen Arroganz und hielten es (abgewandelt) mit John Milton: „Lieber in der Hölle herrschen, als im Himmel dienen.“
Eine unserer Strategien gegen unserer Meinung nach gestriges Kulturverständnis waren Debatten statt Diskussionen, da diese den höheren Provokationsfaktor haben. Jörg kannte die gegnerischen Konzepte genau: Oft las er diese Nabelschau-Bücher nur zu Ende, weil er wissen wollte, ob der Autor tatsächlich dieses miese Niveau halten konnte.
Vergangenheit ist nie zu Ende ist der Titel eines Romans von Ted Allbeury. Für mich sollte sich diese schöne Erkenntnis einmal mehr beweisen. Eines Abends – ich machte mich gerade für die Piste fertig – klingelten die Bullen. Ein Strafbefehl war offen – alter Scheiß aus der Münchener Zeit mit Karibik-Horst, den ich längst begraben wähnte, war noch anhängig. Ich sollte umgehend im Beisein der Cops am Bahnhof Zoo 400 DM auf die Münchener Gerichtskasse einzahlen, oder ich käme in Beugehaft, bis die Banken öffneten.
Soviel Kohle hatte ich nicht einstecken, noch verfügte ich über Eurochecks oder ähnlich neumodischen Kram wie Kreditkarten. Ganz bestimmt würde ich am nächsten Tag noch vor dem Zähneputzen die Überweisung tätigen. Nix da. Entweder sofort am Zoo oder sofort in den Knast.
Ich hatte an diesem Abend echt was Besseres vor. Hat man nicht immer besseres als Knast vor?
Ob ich einen Bekannten aufsuchen könnte? Der Springer-Ausweis wirkte in der Frontstadt damals manch kleines Wunder. Die Cops waren einverstanden und führten mich ohne Handschellen zu Jörg ins 13.Arrondissement.
Da Jörg Gäste erwartete, musste er zu Hause sein. Es war noch früh, zu früh für einen Joint, die Gäste waren erst angekommen. Keine Rauchschwaden zu erwarten.
Was für ein Partyknaller.
Ich klingelte, berichtete, und Jörg musterte die grinsenden Bullen, zog den Trench an, fuhr mit zum Bahnhof Zoo, hob Geld ab, gab es mir, ich zahlte ein und die Bullen wünschten uns noch einen schönen Abend.
Gibt wohl nicht viele Autoren, die einen Lektor vor dem Knast bewahrt haben.
Gelegentlich war Jörg etwas aufgebracht. Allerdings liebte er es auch, erbost zu sein. Ein feuilletonistischer Streuner, Hass in der Feder, hatte ihn oder von ihm geschätztes dann angepinkelt. Das sezierten wir gerne minutiös, um einmal mehr festzustellen, wie gering doch der Verstand sein muss, um bei bestimmten Postillen schreiben zu dürfen.
Zeit seines Lebens, wurden Jörg und sein literarisches Konzept unter Wert behandelt. Aber Hemingway hatte ja gesagt: „Kritiker haben noch jeden Schriftsteller, der sie liest, ruiniert“. Jörg nicht. Das Leben auf der Straße hatte ihn viel zu sehr gepanzert. Sie kamen mit ihren Abrissbirnen nicht an ihn ran.
Wirklich geärgert haben wir uns nur, wenn Name, Titel oder Verlag falsch geschrieben waren. Da war Jörg ganz der Meinung von Mickey Spillane: Nur das zählt. Aber die Schiedsrichter des Konformismus versuchten es immer wieder, ließen nicht locker wie tollwütige Frettchen. Oft genug spürte man aus ihren krummen Zeilen den Hass auf Jörgs Überlegenheit, den Hass darauf, dass er ihren Spießerkanon nicht anerkannte und übernahm, den Hass darauf, dass er in jedem Genre – ob Reportage oder Songtext – Gold herstellte, den Hass darauf, dass er nicht mit ihnen fraternisierte, letztlich den Hass auf ihre eigene Unzulänglichkeit.
Noch heute gibt es ja solch ewige Buben, die mit dem traditionellen Lockruf der Sauhirten ihre Gefolgsleute herbeizitieren, weil sie Jörgs Wirkungsgeschichte nicht verkraften und krampfhaft ein Kastensystem zu erhalten suchen, dass von Fauser zu kalter Asche heruntergebrannt worden ist. „Wenn ein wirklich großer Schriftsteller in Deutschland erscheint, kann man ihn untrüglich daran erkennen, dass sich alle Dummköpfe gegen ihn verbünden“, kann als leicht verändertes Hemingway-Zitat für die Fauser Rezeption gelten. Jedenfalls zu seinen Schaffenszeiten.
Was zum Teil von denen zu halten ist, die ihre Talentlosigkeit damit überdecken, dass sie sich heute auf Fauser beziehen, ist eine andere Geschichte.
Wie wir alle (und insbesondere Künstler), war auch Jörg eitel. Wenn jemand clever genug war, die richtigen Knöpfe zu drücken, konnte er mit seiner Wohlgesonnenheit spekulieren. Mich hat das häufig verärgert:
„Aber der hat doch bereits nachgewiesen, dass er nicht schreiben kann!“
„Jeder fängt mal an. Und in seiner Bestrebung zu mir lässt sich erkennen, dass er nach dem richtigen Weg sucht.“
„Er schmiert dir Honig ums Maul, weil er hofft, dass du für ihn nützlich sein kannst.“
„Zweifellos ein Zeichen von Intelligenz.“
„Du hast selbst gesagt, wie schlecht er schreibt.“
„Er hat noch einen langen Weg vor sich. Um so wichtiger, von den Besten zu lernen.“
„Aber sicher. Du bist eine Vollkaskoversicherung für ästhetisches Gelingen.“
Alles was auch nur den Anflug von Hippie-Kultur und Verwandtem hatte, war für Jörg sehr schlecht beleumdet. In seiner TIP-Kolumne ließ er kaum eine Gelegenheit aus, um sich mit alternativen Subkulturen anzulegen („Lieber die Pershing im Vorgarten, als den Politkommissar am Schreibtisch“). Vom „Underground“ war da nicht viel übrig.
Es waren Zeiten der Polarisierung, und das liebte Herr Fauser. Außerdem gefiel ihm die Rolle des Advocatus Diaboli.
Abgesehen von seinem Gespür und Bewusstsein für (politische) Kriminalität war Jörg in vielem so progressiv wie ein sozialdemokratischer Ortsvereinskassierer.
Aber für die vielen Masken der Korruption hatte er ein feines Gespür.
Ich hatte zwar auch für den Rest meines Lebens genug von dem Alternativscheiss (siehe meine Aufzeichnungen in 2000 LIGHTYEARS FROM HOME – Eine Sozialisationsgeschichte mit den Rolling Stones), aber mir standen Hausbesetzer näher als Innensenator Lummer.
Jörg hatte ein Faible für kleinwüchsige autoritäre Spießer. Erkennbar auch in seiner kurzzeitigen Faszination von Proll Gert Schröder und Joschka Fischer. Deren volle Idiotie des Kommenden war damals noch nicht wirklich vorhersehbar; das muss man als mildernde Umstände anführen.
Das Meiste aus dem Alternativscheiss wird sowieso zum Mainstream von Morgen, wenn es sich kommerziell verwerten lässt. Zwischen den Stühlen konnten wir vortrefflich stehen um auf die Sitzenden herabzublicken.
Andererseits war Jörg immer interessiert am Anarchismus und an Freiheitskriegen. Ihm missfiel die Idiomatik, mit der die „Linke“ (was immer das sein mag) alles heroische verteufelte und klein zu machen versuchte. Wir hatten beide erlebt, wie die Linke sich seit den 70ern gegenseitig exkommunizierte. Diese dogmatischen Idioten ernst zu nehmen, fiel schwer, während wir der Roten Armee Fraktion Respekt nicht verweigern konnten.
Der Spanische Bürgerkrieg und George Orwell und die Beats hatten ihm jeden Dogmatismus ausgetrieben. Mit der Faszination des Faktischen, der Macht der Tat, war Jörg ganz bei seinen literarischen Idolen.
Zu meinen Freundschaftsaufgaben gehörte es auch, Jörg gelegentlich zu stabilisieren.
Da ich alles verachtete, was Häme oder Unverständnis über ihn ausschüttete, war das ziemlich leicht. Wenn ich mit meinem hypertrophierten Selbstbewusstsein diese Bagage lächerlich machte und vollkommen überzeugt darauf hinwies, dass es keinen Autor deutscher Zunge gab, der ihm das Wasser reichen könne, blieb ihm nur Zustimmung, bessere Laune und weitere Pläne schmieden.
Kritiker haben Jörg immer mal wieder vorgeworfen, er hätte Probleme gehabt mit Gefühlen umzugehen, sei unnahbar und arrogant gewesen, habe sich hinter einer Männerwelt verschanzt.
Gerade aufs SCHLANGENMAUL bezogen hat man das öfters gehört und gelesen. Alles völlig verblödeter Unsinn kontaktgestörter Stubenhocker. Der Preis für Autonomie ist Isolation.
Jörg konnte ein äußerst warmherziger und sensibler Freund sein. Genauso konnte er eiskalt und arrogant gegenüber Arschlöchern sein (oder weil er gerade schlecht drauf war).
Jörg schrieb über Männerwelten, weil er diese kannte und sich in ihnen bewegte. Für diese Kritiker ist das exotischer als eine Reise mit der Enterprise. Dieselbe Art kastrierter Marketender der Literatur haben Hemingway vorgeworfen, dass er über Stierkampf, Krieg oder das Fischen schrieb. Oder Dashiell Hammett, dass er die harte Welt der Pinkertons kannte. Jörg liebte es, durch Schlamm und Morast der dunkelsten Ecken unserer Gesellschaft zu waten.
Diese geistigen Feuilleton-Hinterlader finden ihre schlichten Freuden wohl nur bei lästigen Autoren, für die Rolf Giesens unsterblicher Satz über den deutschen Film gilt: „Wenn sie schon nichts erlebt haben, warum müssen sie dann Filme darüber drehen?“
Jörg, je mehr ich diesen Scheiß aufzeichne, um so mehr habe ich das Gefühl, mich von Dir zu entfernen.
Gewisse Autoren, die heute begeistert über Fauser sind, ahnen wahrscheinlich tief in ihrem Inneren, dass Jörg für ihr Geschreibsel nur Hohn und Spott übrighätte.
In ihren Betriebszeitschriften schreiben sie alles hoch, was bedeutungslos, langweilig, unerotisch und fade ist. Eben alles, was wie sie ist.
Und dazu gehört noch immer oder wieder das Gros „neuer“ deutscher Kriminalliteratur nach/seit Fauser. Ein guter Referenzpunkt für Idioten.
Leblose Romane für Alphabeten-Zombies mit Restmimik.
DIE KOMPLETTEN ERINNERUNGEN IN:
Filed under: Dr. Horror, Film | Schlagwörter: Dr.Horror, Film als 7.Kunst, Herkules, Pietro Francisci, Rolf Giesen, Samson usw.
Die 7.Kunst birgt noch viele Geheimnisse und Mysterien, die von waghalsigen Filmhistorikern entdeckt und aufgeklärt werden müssen. Kaum einer sieht die Röhren, Stollen und Querverbindungen, die unterhalb der Oberfläche verlaufen, so wie DR.HORROR. Mit seinem privilegierten Zugang zur Wahrheit gibt er uns Erkenntnisse, die uns aus dem Zustand tiefster Betrübung befreien.
Auch heute geht er wieder dahin, wo es weh tut. Wer denkt, er habe schon alle schlechten Filme gesehen, wird von Dr.Horror immer wieder erleuchtet.
Achja, nochwas: Für die Lektüre und Filmbetrachtung bekommt man diesmal keine Payback-Punkte.
Sie haben einmal die Behauptung aufgestellt, dass der Film HERKULES, SAMSON UND ODYSSEUS der beste Film sei, den es gibt. Das wird manchen Cineasten verdrossen haben.
Ich sehe diesen 1963 in Italien entstandenen Film, mehr noch als die Nouvelle Vague, als einen Vorläufer der 68er-Bewegung. Die jungen Radikalen Herkules (Dutschke & Co. in Westberlin) und Samson (Cohn-Bendit) lassen sich vom Heiligen Geist des listenreichen Odysseus (Ernst Bloch, Adorno, Marcuse) erleuchten und bilden über die Grenzen der Geschichte hinweg eine eindrucksvolle Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus.
Wie kommen Sie darauf, dass dies ein antifaschistischer Film ist?
Sind Sie noch bei Sinnen?
Es wird Ihnen entgangen sein, dass nach dem Kampf gegen ein Seeungeheuer (ein Walross in Vergrößerung), dem Erlegen eines Stiers und eines Löwen die Philister in Mannschaftsstärke gegen das Trio Infernal antreten und damit die Vorfahren terrorgeschulter Palästinenser. Und diese Typen tragen Wehrmachtshelme, echt. Ich habe es noch einmal gecheckt. Wahrscheinlich ein Geschenk des gut zehn Jahre später in Beirut verstorbenen Hitler-Bewunderers Mohammed Amin al-Husseini, eines erklärten Antisemiten, der Muslime für die Waffen-SS mobilisiert hat. Der Terror im Nahen Osten hat ja eine lange Geschichte, und wir Deutsche spielen da eine gewisse Rolle, die das Filmwerk pointiert thematisiert.
Leidet der Film unter der Abwesenheit von Mark Forest?
Das Fehlen von Maciste ist sehr bedauerlich, wie auch die Abwesenheit eines Goliath auf Seiten der Philister. Der Amerikaner Mark Forest singt heute ja Wagner-Opern. Er hat Gesang studiert. Aber der italienische Herkules Kirk Morris hat ja auch Maciste gespielt und in dieser Rolle die Feuerteufel besiegt (heute würden wir sagen: Andreas Baader und seine Kaufhaus-Brandstifter). Und Odysseus Enzo Cerusico hat schon als Achtjähriger vor der Kamera gestanden und unter der Regie von Vittorio de Sica und anderer Neorealisten gespielt. Übrigens war der unter den Decknamen Richard Lloyd oder Rod Flash geführte Samson ein gebürtiger Iraner: Iloosh Khoshabe verstarb 2012 in Teheran. Palästina und Iran, Syrien noch dazu – da kommt einiges in diesem monumentalen Filmwerk zusammen! Und der Eintritt kostete damals in der Jugendvorstellung nur eine Mark fünfzig.
In Witten kostete der nur einszwanzig!
Da sehen Sie mal: ein Film, der Rücksicht nahm auf die Geldbörse. Heute zahlt man für die Disney-Marvel Avengers doch mindestens zehn Euro, aber was sind Spider-Man, Captain America oder Dr. Strange gegen Herkules, Samson und Odysseus?
Würden Sie sagen, dass er als Regisseur anständig gehandelt hat? Da gibt es ja wohl international den einen oder anderen Zweifel.
Der Autorenfilmer Pietro Francisci hatte ein Jura-Examen in der Tasche und hob dann erst mit Steve Reeves als Herkules die Muskelmann-Filmmythen aus der Taufe. Ein großartiger, kleiner, dicker Mann, für den die geschäftliche Seite der Filmkunst keine Schande bedeutete.
Er war Lateiner und wusste, was viele junge Kollegen in Deutschland nicht begreifen: non olet! Steve Reeves, so sagt man, habe seine Partner beim Dreh nicht verletzen wollen, aber Francisci sagte ihm: „Wenn du ihnen nicht weh tust, werden sie nicht bezahlt!“ Das ist noch echte kommerzielle Filmregie und keine amphibische Film/Fernsehscheiße. 1966 drehte er übrigens ein Pendant zu unserer faschistischen Raumpatrouille: Raumkreuzer Hydra – Duell im All. Er ist zu früh von uns gegangen: 1977.
Postskriptum:
Je mehr ich über HERKULES, SAMSON & ODYSSEUS nachdenke, umso eindringlicher wird die Botschaft: Unter dem Pflaster liegt der Strand. Louis Malles VIVA MARIA gab der Protestbewegung die Bomben, HERKULES, SAMSON & ODYSSEUS schon vorher die preiswerteren Steine, die überall herumliegen. Herkules und Samson begruben die Philister unter schweren Felsbrocken. In Wahrheit waren es natürlich Special Effects und die Felsbrocken aus Pappmaché. (Wieder eine Illusion von damals weniger.) Und da auf Berliner und Frankfurter Straßen damals keine Felsbrocken herumlagen und Joschka und Genossen auch zu schwach gewesen wären, nahmen sie Pflastersteine. Die Idee kam von Herkules, Samson und dem listenreichen Odysseus. Heute laufen solch inspirierend mythologischen Filme nicht mehr, sondern nur noch Raketenfilme. Deshalb werfen sie keine Pflastersteine, sondern vertiefen sich in Computerspiele und bewerben sich bei Frau von der Leyen für das Cyberkrieg-Department.
Das Erbe des Films lebt! Die Kraft des Legendären, Dynamischen und Weltentrückten übt immer noch eine nahezu magische Anziehungskraft aus. Doch die technologische Entwicklung hat eine grundlegende Umwälzung der Medienindustrie in Gang gesetzt.
Immer mehr Studienanfänger streben zum Film, obwohl die späteren Berufs- und Verdienstmöglichkeiten voraussichtlich schlechter sind als in anderen Berufsfeldern. Aber Berufe wie Regisseur, Kamerafrau, Drehbuchautorin oder Szenenbildner versprechen ein Leben voller Kreativität und Abenteuer. Über Jahrzehnte waren Rollen, Kompetenzen und Aufgabenfelder der Filmschaffenden klar umrissen und die Optionen ihrer beruflichen Perspektive klar beschreibbar. Heute ist ihre Zukunft hingegen voller Unwägbarkeiten. An der Schwelle zu einem neuen digitalen Medienzeitalter stellt sich für die Filmausbildung ganz konkret die Frage, welche Lehrinhalte dauerhaft von Bestand sein sollen. Was stellt den Kern der Filmausbildung der Zukunft dar? Welche wesentlichen Kompetenzen müssen vermittelt werden? Wie werden künstlerische Praxis, Forschung und Theorie gewichtet? Wird das individuelle Kino im Kopf bald wirklich sein – und welche ethischen Folgen hat das für eine liberale Gesellschaft?
Ist es überhaupt noch sinnvoll, in Zukunft weiterhin von Film und Filmförderung zu sprechen angesichts des drohenden intermedialen Totalitarismus? Denn längst geht es ja nicht mehr um Filmstreifen, sondern um ein virtuelles Phänomen, das die chinesische Sprache treffend “elektrische Schatten” nennt.
Der Filmwissenschaftler Dr. Rolf Giesen hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und versucht zu ergründen, in welche Richtung die Entwicklung der Film- und Medienschaffenden gehen wird. Mit seinem Buch Der Angriff der Zukunft auf die Gegenwart bietet er eine “schwungvolle Achterbahnfahrt durch die Zukunft des Films” sowie eine Bestandsaufnahme und Orientierung in einem sich im Wandel befindlichen Umfeld. Er bearbeitet jene Themenbereiche, die drängende Fragen der Filmausbildung aufwerfen. Am 13. Juni wird er bei den Kölner Mediengesprächen den ›State of Mind‹ einer neuen Generation von Filmschaffenden visualisieren, deren zukünftiges Berufsleben von ganz neuen Gegebenheiten geprägt sein wird.
Dr. Rolf Giesen
Bewegtbilder im Wandel: Der Angriff der Zukunft auf die Gegenwart
am 13. Juni 2018 um 19 Uhr
im Herbert von Halem Verlag, Schanzenstr. 22, 51063 Köln
Einlass ab 18:30 Uhr. Da die Zahl der Sitzplätze begrenzt ist, bitten wir um Anmeldung per E-Mail an karina.selin@halem-verlag.de oder unter der Nummer +49 221 92 58 29 0. Der Eintritt ist frei.
VORTRAGENDE / DISKUTANTEN
Rolf Giesen, Dr., geboren am 4. Juli 1953 in Moers, studierte Soziologie, Psychologie und Geschichte an der Freien Universität Berlin und promovierte 1979 mit einer Arbeit über den Phantastischen Film. Als Lehrbeauftragter und Honorar-Professor unterrichtete er an Hochschulen in der Bundesrepublik und in China. Er verfasste filmhistorische und filmtheoretische Schriften, Essays, Romane und Drehbücher, war Herausgeber, gestaltete Ausstellungen und betreute zwanzig Jahre lang eine nach ihm benannte Schwerpunktsammlung der Deutschen Kinemathek in Berlin. …
Filed under: Dr. Horror, Ekelige Politiker, MEILENSTEINE DER VERBLÖDUNG, SPD | Schlagwörter: 2017 Jahresrückblick, alles mögliche, Dr.Horror, Jahresvorschau 2018, Kochsendungen, Mehdorn, Proll-Gert nur so, Rolf Giesen
Eine Vorschau – Demnächst in diesem Theater
Im Fernsehen häufen sich die Jahresrückblicke wie die Kochshows. (Bestimmt wird irgendwann einmal einer dieser Köche ein hohes Regierungsamt übernehmen: Früher wurde für Deutschland geritten, jetzt wird gekocht.) Jahresrückblicke jedenfalls sind schnell zubereitete Kost aus digitalen Konserven, die nicht anbrennen kann, weil sie schon angebrannt ist. Niemand will so was essen, geschweige denn sehen.
Was aber ist mit einem Jahresvorblick?
Die Sterne im persönlichen Jahreshoroskop stehen bekanntlich immer gut, auch wenn wieder ein Jahr Lebenszeit im Eimer ist, aber in die Wunderkiste der Zukunft schauen mag so recht niemand, am wenigsten die Autoren der Science Fiction, die lieber Weltraumsagas für Blöde erzählen. (Die Blockbuster sind mittlerweile auf RTL2-Niveau gelandet und Deutschland, das Land der Dichter, Denker und Nazis, die den Massenmord industrialisiert haben, auf dem Level von FACK JU GÖHTE TEIL 3. Hurra, ich hab den Titel richtig geschrieben, also richtig falsch.)
Persönlich viel Glück und viel Segen und einen gut gefüllten Gabentisch: Fressen – Saufen – Surfen, nur das Beste für den Allerwertesten. Brot für die Welt: das Gammelfleisch bleibt hier. In Deutschland haben sie mehr Angst vor zugegeben üblen Islam-Terroristen (im Kino kennen wir sie spätestens, seit Laurence Olivier als Mahdi ihre Scharen nach KHARTOUM führte) als vor den Terroristen der Zucker- und Fleischmafia, deren Verbrechen so gut wie gar nicht geahndet werden.
Aber es kommt noch ärger: Mittlerweile kommen nicht nur Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten, sondern die Kartoffeln auch aus Ägypten. Möglicherweise wird das Jahr 2018 eines, das wir uns werden merken müssen. Es wird geschichtlich relevant sein; man wird diese Jahreszahl im Geschichtsunterricht, wenn es das in Zukunft noch geben sollte, lernen müssen wie „3-3-3 bei Issos Keilerei“, und wir dürfen uns freuen, als Zeitzeugen mit dabei gewesen zu sein. Dabei sein ist alles.
Zum 1. Januar gibt es für die, die Nachwuchs haben, wieder mehr Kindergeld. Mehr Geld (7 € zum verprassen) soll es auch für Bezieher von Hartz-IV-Leistungen geben. Während die Zahl der Kinder im Wunderland der Export- und Fußballweltmeister (wir sehen uns 2018 wo? in Russland?) nicht signifikant steigen wird, zeigen die Hartz-IV-Bezieher, dass es doch auch noch weiter nach oben geht. (Zu Zeiten des vorbestraften gebürtigen Saarländers Peter Hartz bestimmte noch der von Hitler ins Leben gerufene Volkswagen-Konzern, wo und wie es langzugehen hatte in Deutschland, und die Sozialdemokratie bewies, dass sie politischen und wirtschaftlichen „Notwendigkeiten“ ebenso ins Auge zu sehen wusste wie weiland der unvergessene „Bluthund“ Gustav Noske.
Allerdings wird sich eine Hoffnung für die Sozialdemokraten auch 2018 nicht erfüllen: Würselen wird nicht das Bethlehem des Vereinigten Europa werden. Hier wurde uns nicht der Heiland geboren und auch nicht St. Martin. Martin Schulz ist der lebende Beweis, dass der Aberglaube nicht ausgestorben ist, und Til Schweiger dafür, dass es keine richtigen Helden mehr gibt im Reich der Gartenzwerge.)
Mehr Wachstum (der Arbeitslosigkeit) verspricht auch das digitale Zeitalter, die virtuelle Zeitenwende, an deren Beginn wir staunend stehen wie Steinzeitmenschen. „Das Thema Digitalisierung beschäftigt uns alle, aber was wollen wir damit erreichen?“ lese ich auf einer Website und kann die Frage nicht beantworten. Alles will wachsen, aber niemand weiß, wieso und warum. Wachset und mehret euch – und macht euch die Erde untertan. Für eine einzige Erde sind unsere Wachstumsambitionen längst schon zu gewaltig. Deshalb vermehren die Dummen ihre Dummheit jetzt digital und posten sie global.
Zuerst hauen wir die Welt militärisch auseinander, vor allem unsere Bundesgenossen in Amerika tun das, die nach Afghanistan, Syrien, in die Ukraine (NATO-Osterweiterung) und sonst wohin drängen, angeblich um niederträchtige Terroristen zu erwischen oder bösartigen Tyrannen wie Saudum Hussein den Garaus zu machen, und dann wundern wir uns, dass die Menschen dort in Bewegung geraten, Naturkatastrophen noch nicht einmal eingerechnet. Der Trump ist ein kühler Rechner: Der Wachstumsprozess des Extremwetters ist nicht mehr aufzuhalten. Warum dann noch Klimaschutz? Das Geld ist besser angelegt, indem man weitere Krisenherde (was für ein Begriff: Krisenherd. Bauknecht weiß, was Frauen wünschen) schafft: das bitterarme Nordkorea, Iran, die Döner-Türkei… An allen Ecken und Enden wird an der Lunte gezündelt, in der Hoffnung, dass es bald mal wieder einen richtig großen Knall geben wird, den die Außerirdischen, die sich bedenklich rar gemacht haben in 2018, auch im Weltall hören werden. Weltweit horten wir fast 15.000 Atomsprengköpfe. Die Nordkoreaner haben daran einen Anteil von 15. Vielleicht haben sie sogar schon zwanzig Atombomben. Und das sind zwanzig zu viel.
Manchmal mag man am Allgemeinen Wahlrecht auch für Dumme verzweifeln: Brexit, Separatisten, Erdogan (über den sie in der Türkei inzwischen ein Heldenlied fürs Kino gedreht haben: REIS bedeutet in etwa der Führer), in den USA der Milliardär und potentielle Frauenfummler vom Trump Tower (1973 orakelte der SPIEGEL visionär: Tagediebe und Frauenfummler lungern in Fahrstühlen und Fluren…), Le Pen und AfD. Mittlerweile bin ich dafür, dass der IQ von Wahlberechtigen vor dem Gang an oder in die Urne überprüft wird.
Letztens sah ich Alexander Gauland in einem Berliner Restaurant in der Nähe des Reichstags einsam an einem Tisch sitzen und missmutig in sein Glas Rosé stieren: Wahrscheinlich ist ihm der enorme Zuspruch, den seine Amateur-Liga findet, inzwischen selbst unheimlich. Das Wachstum einer Partei, die nicht einmal ein halbwegs verständliches Wahlprogramm hat, ist vor allem auf das Wachstum der Dummheit zurückzuführen. Und das hat mehrere Gründe. Vor allem, dass das Gehirn, so Reste noch vorhanden sind, immer seltener eingeschaltet wird. Wie sonst ist es möglich, dass die Amerikaner einen wählen, der eine Steuerreform zugunsten der Reichen durchführt?
Zurück zur Frage, wem die Digitalisierung nutzt: weniger den Doofen als dem Überwachungsstaat, der selbst Orwell das Fürchten gelehrt hätte, dem es aber noch nicht gelungen ist, vollends in das menschliche Gehirn einzudringen und es zu unterwandern. Da wird noch einiges Hochwasser den Rhein herunterfließen und über die Ufer treten, bis das Ziel erreicht ist. Christian Lindner, der Reserveoffizier aus Wermelskirchen, fordert übrigens einen „Weltmeisterplan für die Digitalisierung“.
Dank der Digitalisierung sind wundersam in den Statistiken der Ein-Euro-Jobber die Arbeitslosenzahlen für sinnlose Arbeit rückläufig, obwohl de facto ganze Berufsgruppen verschwinden: In der Dekra Toys Company puzzelten Ein-Euro-Jobber, um herauszufinden, ob ein Puzzle mit 5000 Teilen vollständig ist.
Irgendwann muss ja der schon lange von uns Pessimisten herbeigesehnte Finanzcrash kommen. Die Digitalisierung wird ihn beschleunigen, weil wir die „schwarzroten Nullen“ der Schulden, die wir an nachfolgende Generationen weiterreichen, gar nicht mehr zählen können. Die Finanztransaktionen laufen mittlerweile digital so schnell, dass der menschliche Sachverstand kaum noch mitkommt und nur noch KI den Kollaps der Menschheit verhindern kann: Der Künstlichen Intelligenz wird es nicht schwerfallen, die menschliche Dummheit rechts zu überholen. Dann müssen wir auch nicht mehr wählen gehen, und es wird keine Regierungskrisen mehr geben und schon gar keine überhöhten Diäten für Abgeordnete und Hinterbänkler, die ihre Zeit nicht mit Puzzeln verbringen, sondern damit, Selfies über Facebook zu posten und zu twittern.
Für die breite Unterschicht der einstmals Werktätigen, Mägde und Knechte wird irgendwann alles via Chip in der Hand zentral und unbürokratisch an der Kasse beim Discounter gesteuert. Die ersten Versuche laufen schon in Schweden, wo eine Firma Mitarbeitern einen Chip zum Türöffnen implantiert hat. Die Technik gestattet eine lückenlose Überwachung von der Geburt bis zur Bahre.
Jetzt haben wir aber schon 2018 übersprungen und sind in 2019 gelandet, möglicherweise ganz weit in der Zukunft 2025 oder 2027 oder 2029, Jahre, die wir uns eigentlich gar nicht vorstellen können, denn sie bezeichnen ein Märchen von übermorgen: Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Dies ist ein Märchen von übermorgen. Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem.
Eins dieser Raumschiffe ist die Orion… und sie wird übrigens nicht, sie wird niemals vom Flughafen BER starten, denn die Flug- und Weltraum-Baustelle in Schönefeld stagniert weiter, trotz des 2013 von Hartmut Mehdorn (Deutsche Bahn, Air Berlin) verordneten „Sprint“-Programms, das fatal an den zum Ende des Zweiten Weltkriegs verordneten „Endsieg“ erinnert.
Apropos, in 2018 feiern wir den heimtückischen Dolchstoß im Ersten Weltkrieg, dessen Kosten mittlerweile, glaube ich, bezahlt ist. Da könnten wir uns ja bald einen Dritten leisten. Ich schreib schon mal an den Weihnachtsmann…
RG, Jahresende 2017
WEISE WORTE ZU 2018
2018 werden große Teile von Medien und Politik (Wirtschaft sowieso) verstärkt aus ideologischen Gründen den Begriff Ungerechtigkeit durch „Neid-Faktor“ ersetzen.
Den Widerspruch zwischen dem kapitalistischen Leistungsbegriff und dem mittelalterlichen Erbrecht mit Phrasen zu verkleistern, damit „Erbe“ nicht zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen heran gezogen wird, ist ebenfalls Aufgabe von Medien und Politik in diesem Jahr.
Und auch in diesem Jahr wird die Priesterschaft des „Liberalismus“ (der wie jede Religion eine Angelegenheit des Glaubens, d.h. des nicht Wissens, ist) weiterhin Gesellschaftseigentum privatisieren (Stichwort: Autobahnen), was einer Enteignung von Gesellschaftsvermögen entspricht. Dafür haben die Lobby-Vertreter im Bundestag, die in der Regel nach zwei bis drei Legislaturperioden ihre Korrumpiertheit durch einen Job in der Industrie krönen, Grundgesetzänderungen durch Winkelzüge erledigt. Diese Korrumpel werden uns diese Umverteilung häufig in den Medien sophistisch als Entlastung des Bürgers verkaufen.
Dank verschlagener Figuren wie Dobrint, Scheuer oder Söder, wird die CSU bei der Landtagswahl eine derartige Klatsche einstecken, die Rotatiosphänomene im Grab von Strauss auslösen wird. Das Schöne an den genannten Gestalten ist, dass ihre Karrieregeilheit gepaart mit asozialer Energie in den Visagen ablesbar ist und damit Wahlplakate konterkariert.
Nicht die Cleverness der AfD sorgt für weiteren Aufschwung dieser grenzdebilen Partei, sondern die unfassbare Dämlichkeit der korrupten Etablierten (die seit den Tabubrüchen von Bangemann und Proll-Gert) die politische Struktur in „diesem, unseren Land“ definiert.
In diesem Jahr wird Bildung noch stärker mit Qualifikation gleichgesetzt werden. Qualifikation für was? Um mit Mick Jagger zu antworten: „I mean really?!!“
In Berlin gibt es im Regierungsbezirk für Abgeordnete ein eigenes Hallenbad. Erinnert alles sehr an Ludwig und Nikolaus.
Das republikanische Fernsehen, bezahlt von Bürger-Geldern und politisch verteilten Zuwendungen, berichtet weiterhin verstärkt über „royale“ (was für eine dämlich klingende Eindeutschung! – kommt direkt hinter „challange“ und „wording“) Uninteressantheiten, um damit den Eindruck zu verstärken, dass Politiker unter vorguilletonierbare Unangreifbarkeit zu subsumieren sind.
Immer weniger Kinder werden 2018 schwimmen lernen. Von den unter dreißig-jährigen können jetzt schon an die 50% nicht schwimmen (was dabei heraus kommt, sieht man an Dobrint und ähnlichen Nichtschwimmern). Das werden 2018 durch Bäderschließungen und soziale Unverpflichtungen mehr werden. Unter Adenauer gab es 90% „schwimmfähige Deutsche“.
Und der Höchst ehrenwerte Papst wird 2018 zunehmend feststellen: Es gibt nichts Richtiges im Falschen.
Dieses Jahr kommt wohl endlich der Algorithmus auf den Markt, der die Bestsellerlisten aller Staaten durchsucht, um den Auftraggeber zu informieren, welcher Lizenzen in seinem Land vertraglich verfügbar ist. Für Großverlage eine Riesenchance zur Personaleinsparung.
AUCH DIESES JAHR WIRD FÜR DIE BELEIDIGTEN UND AUSGEBEUTETEN EIN JAHR IM KONJUNKTIV.
Filed under: Dr. Horror, Drehbuch, Film | Schlagwörter: Dr.Horror, Führer Hitler, Film, Fritz Haarmann, Rolf Giesen, ROMAN
LESEPROBE aus der Erzählung
HITLER IM WELTALL
Ein Film-Roman
von Rolf Giesen
Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind möglicherweise nicht immer rein zufällig. Der Ich-Erzähler, ein Mann mit Namen Fick, der inzwischen unter der Erde liegt, ist dennoch hundert Prozent fiktiv. Er hat an der Filmhochschule der ehemaligen DDR studiert und ist dann, nach seiner Übersiedlung in den Westen, sprichwörtlich unter die Räder gekommen. Jetzt bemüht er seine alten „Kontakte“, damit er nicht vom Pfandflaschensammeln leben muss.
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Montini, die Lollo und Hitlers Telefonnummer
Die Wende holt den Ich-Erzähler in West-Berlin ein:
Auf einem Empfang der Berlinale – ich stand gerade mit meiner Lollo, die gedroht hatte, auszupacken über mich, wenn ich sie nicht zu den Filmfestspielen mitnähme, ich stand also mit meiner Nilpferd-Schönheit am Buffet – da fühlte ich verächtliche Blicke in meinem Rücken. Leute, die ich von früher aus dem Studio kannte, erwiderten meinen Gruß nicht mehr, gingen mir sogar aus dem Weg. Gut, so musste ich nicht meine ständig mäkelnde Lollo vorstellen. Ich schob mir ein Brötchen in den Mund und spülte, etwas zu hastig, mit Rotwein nach, als mir jemand unerwartet auf die Schulter klopfte. Schon hatte ich einen Rotweinfleck auf meiner weißen Weste.
Es war Pralines schärfster Konkurrent, der noch am Leben und inzwischen aus Rom zurückgekehrt war. Er war ein gläubiger Katholik und stammte aus Münster, wo ihn seine Mutter schon auf dem Bischofsstuhl sah. Darum nannten sie ihn in Rom auch nur Montini, nach dem Montini-Papst, der für andere der Pillen-Paul war. Einige unter den Älteren werden sich vielleicht noch erinnern. Montini hatte in Rom mit zweifelhaften deutschen Anlegergeldern und Mafia-Verbindungen Hannibals Zug über die Alpen verfilmt und wegen Überziehung des Produktionsbudgets um 20 Millionen Mark um ein Haar das europäische Completion-Bond-System gesprengt.
Auch Montini war ein Sportler, ganz so wie ich. Das machte uns auf Anhieb sympathisch. Aber im Unterschied zu mir hob er in seinem privaten Fitness-Studio auch noch Gewichte. Ansonsten lebte er nach der Devise: Nur Bares ist Wahres! Ich ahnte damals nicht, dass er genauso abgebrannt war wie ich und dringend wieder flüssig werden musste. Die Mafia saß ihm immer noch im Nacken, auch wenn er jede Verbindung bestritt und ins Reich der Dichtung verwies. Auch ich schwor, dass es mir gut gehe und ich die Flut von Angeboten und Aufträgen gar nicht bewältigen könne.
Nachdem wir eine Weile über die verblichene Praline geschimpft und überhaupt über die Filmindustrie und ihre Partizipanten gelästert hatten, fragte mich Montini, ob ich was Geeignetes für ihn auf Lager hätte, eine Geschichte, ein Drehbuch oder so. Ich wusste, einem wie ihm konnte ich nur mit etwas ganz Abgefahrenem kommen.
Wir verabredeten uns für den nächsten Tag standesgemäß in der Paris-Bar, wo Monti alle duzte. Wir bestellten Martini.
Ich hatte eine Geschichte vorbereitet, aber erst einmal musste ich mir Montis Erfolgsgeschichte anhören. So wie er es sah, hatte er Filmgeschichte geschrieben. Gerade sei er, erzählte er mir, an den Rechten von den Nibelungen dran.
„Aber die Nibelungen sind doch rechtefrei.“
„Wo denkst du hin! Nicht die Urgeschichte!! Die Version von Böll natürlich!!!“
„Böll hat eine neue Fassung der Nibelungen geschrieben?“
Ich sah ihn ungläubig an, aber sein bestimmter Gesichtsausdruck signalisierte mir, dass er keine Nachfragen zuließ, und Böll konnte man nicht fragen, weil der schon seit ein paar Jahren wie ich jetzt unter der Erde lag.
„Ich habe da auch eine Geschichte.“
„Lass hören.“
[…]
Ich hatte erfahren, er wolle etwas über den Vampir von Hannover, einen Film über den Serienkiller Fritz Haarmann machen.
„Als Haarmann sich in Hannover umtrieb, gleich nach dem Ersten Weltkrieg, da war die Leine voller Leichen“, behauptete er.
Das war eine stupende Prämisse.
[…]
„Sag mal“, fing ich an, „du willst von den verheerenden, rechtlosen und zügellosen Verhältnissen in Hannover nach dem Krieg erzählen.“
„Das ist der Background, ja. Da wurden die Leute umgebracht schon wegen Nichtigkeiten: Kleidung, eine Hose. Wegen nichts hat der Haarmann gemordet. Heute ist es ja nicht viel anders. Das war ein Schlächter, ein Kannibale.“
„Aber er war nicht allein.“
„Nicht allein? Wie meinst du?“
„Der hatte einen Komplizen.“
„Na ja, aber gemordet hat er.“
„Nicht unbedingt er allein. Du weißt doch, was er über den Hans Grans erzählt hat. Der Haarmann hat seinen Freund Grans in den ersten Verhören doch richtig schwer belastet. Ich glaube, der Grans war der Mastermind und der Haarmann nur sein gestörtes Faktotum. Grans war der Spiritus rector der abscheulichen Verbrechen.“ Ich zitierte aus dem Haarmann-Lied:
„In Hannover an der Leine,
Rote Reihe Nummer 8,
wohnt der Massenmörder Haarmann,
der schon manchen umgebracht.
Haarmann hat auch ein‘ Gehilfen,
Grans hieß dieser junge Mann.
Dieser lockte mit Behagen
alle kleinen Jungen an.“
Montini wurde hellhörig.
„Monti“ – sagte ich, ich gebrauchte die Kurzfassung seines Namens – „weißt du, Monti, wann dieser Grans gestorben ist?“
Montini sah mich an.
„1975. In Hannover. Er war 74 Jahre alt. Und verheiratet. Und nur ein Lokalreporter hat ihn jemals interviewt, bei Kaffee und Kuchen, schön kleinbürgerlich. Nicht Stern, nicht Spiegel oder Focus, nicht die FAZ oder die Süddeutsche, nein, ein Lokalblättchen. Das ist alles. Der Reporter lebt noch. Er ist halbblind, aber sein Gedächtnis funktioniert immer noch prima. Ich hab ihn angerufen.“
„Du hast mit ihm gesprochen? Was hat er gesagt?“
„Er beschreibt Grans als sehr intelligent. Der hatte sich auf das Interview vorbereitet und wollte seine Version der ganzen Geschichte darstellen. Seine Frau musste während des Gesprächs das Wohnzimmer verlassen. Die wusste von nichts. ‚Haarmann hat mein Leben verpfuscht‘, hat er angefangen. Nicht um das Leben der Opfer ging es ihm, sondern nur um sein eigenes armseliges Leben. Er saß ja im KZ, wo es ihm aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schlecht ging…“
„Es ging ihm nicht schlecht? In einem KZ?“
„Den Umständen entsprechend. Denn da konnte er seinen sadistischen Trieben nämlich ganz legal freien Lauf lassen. Eigentlich war er da ganz richtig. Na, fällt der Groschen?“
Montini schien nicht ganz bei der Sache, aber so viel verstand er: „War wohl Kapo gewesen.“
„Du sagst es. Hat die armen Schweine gedemütigt und verprügelt. Nach dem Krieg soll er geradezu empört gewesen sein, dass die britische Militärregierung ihn, das ausgewiesene KZ-Opfer, noch einmal einsperren ließ. Der Artikel erschien am 19. Juni 1974, und damit hatte es sich. Zeitlebens ist er als Opfer durchgekommen, dabei war er doch der Anstifter der Morde. Drei Welten hat er schadlos überstanden: die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus im KZ, das nur für ihn allein ein goldener Käfig war, und die Bundesrepublik.“
Montini überlegte.
Ich stand auf, um mich zu verabschieden. Er hatte mir nichts zu trinken angeboten: „Soll ich dich anrufen?“
„Ich ruf dich an“, sagte er.
Auf den Anruf wartete ich vergeblich, wochenlang.
Schließlich las ich in einem Branchenblatt, dass Montini Development-Förderung für ein Filmprojekt Der zweite Mann bekommen hatte, in dem es um die Geschichte des Haarmann-Hintermanns Hans Grans gehen sollte.
Empört rief ich Montini an:
„Das war meine Geschichte.“
„Was war deine Geschichte?“
„Die Sache mit Haarmann und Grans. Ich hab’s gerade gelesen.“
„Momentchen, jetzt werd mal nicht frech, Fick, das Haarmann-Projekt hatte ich schon auf dem Radar, bevor du deinen Riechkolben reingesteckt hast.“
Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung.
„Haarmann vielleicht, aber nicht Grans. Du musst mich als Autor nehmen. Die Kohle steht mir zu. Das war meine Idee.“
„Ich muss gar nichts, und dir steht auch nichts zu. Und es war auch nicht deine Idee. Und die Option an der Grans-Geschichte hab ich mir gesichert. Ich hab nämlich diesen halbblinden Journalisten aus Hannover besucht und hab seine Unterschrift. Der Deal ist perfekt. Ich hab schon zwei Giallo-Spezialisten aus Italien rangesetzt. Die kommen aus der Dario-Argento-Ecke. Und vielleicht führt der Dario ja auch Regie. Oder der Paul.“
„Der Paul?“
„Paul Verhoeven. Unter einem wie Paul mach ich’s nicht.“
Ein Wort gab das andere.
„Jetzt reg dich endlich ab. Ich will dir ja was geben.“
„Geld?“, fragte ich unschuldig.
Er sah mich mitleidig an: „Etwas viel Besseres. Eine Geschichte, die wir noch vor den zwei Aasgeiern Haarmann und Grans drehen. Natürlich nehm ich dich rein bei Grans. Aber erst machen wir ein paar Fingerübungen, was, Alter? Überschaubares Budget. Nur freie Natur und gute Luft. Sag mal, führst du auch Regie?“
„Ich hab Regie studiert.“
„Du hast Regie in der Zone studiert. Das ist etwas anderes.“
Ich erklärte ihm, dass ich durch meine regelmäßigen Kinobesuche auf dem Laufenden sei und dass ich ihm Action pur liefern könne.
„Das wird ein Actionfilm, über den wird Deutschland, was sage ich: über den wird Europa sprechen.“
Das gefiel mir. Ich war schon immer für Europa: Europa prima! (Leider hatte mir diesen werbewirksamen Slogan niemand abkaufen wollen.)