Martin Compart


c by Martin Compart
29. Januar 2016, 2:53 pm
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Der Mann zwischen den Welten: Algis Budrys von Werner Fuchs by Martin Compart
20. Januar 2016, 2:11 pm
Filed under: ALGIS BUDRYS, Porträt, Science Fiction, WERNER FUCHS | Schlagwörter: , , ,

Algis Budrys (1931-2008)

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2008 verlor die SF-Szene mit Algis Budrys einen ihrer wegweisenden Autoren der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Wie seine literarischen Zeitgenossen Walter M. Miller, Philip José Farmer, Robert Sheckley, Richard Matheson und Philip K. Dick wurde er in der Genre-SF groß, gab dieser aber entscheidende Impulse und vermochte sie zusammen mit seinen Kollegen nachhaltig zu verändern.

Algirdas Jonas Budrys wurde am 9. Januar 1931 in Königsberg geboren. Sein Vater war Diplomat und  Angehöriger der litauischen Exilregierung, und der Name Budrys (das litauische Synonym für „Wachtposten“) war ursprünglich nur ein Deckname, den die Familie aber 1936 nach Übersiedlung in die USA offiziell annahm.58dc213f-0ebe-4e92-924d-5d0cb2fde4aa[1]

AJ, wie er von seinen Freunden genannt wurde, arbeitete zunächst für seinen Vater und studierte dann an der Universität von Miami (1947-49) und der Columbia Universität, New York, 1950-51, heiratete 1954 Edna Duna, mit der er vier Söhne hatte. Er arbeitete für die American Express Company, bevor er als Herausgeber für diverse Buch- und Magazinverlage tätig wurde. Gnome Press, einer der frühen SF-Hardcoververlage war seine erste Station, Jobs für die Magazine Galaxy, Venture, The Magazine of Fantasy and Science Fiction, Ellery Queens Mystery Magazine folgten in den fünfziger Jahren, Tätigkeiten für Regency Books und Playboy Press  in den sechzigern. Daneben trat er auch immer wieder als Rezensent in Erscheinung und machte sich als Kritiker und Kolumnist einen Namen, zuletzt für die Chicago Sun-Times ab 1986.

TomorrowSF1[1]Von 1984-1992 betreute er als Koordinator und Juror den „L. Ron Hubbard Presents Writers of the Future”-Wettbewerb zur Förderung von SF-Nachwuchsautoren und gab zwischen 1985 und 2003 eine Reihe Anthologien mit den besten daraus resultierenden Stories heraus. Da dieser Wettbewerb in gefährlicher Nähe zur Scientology-Sekte stand, war Budrys, der seinerseits stets die Wichtigkeit einer solchen Einrichtung für junge Autoren hervorhob, erheblicher Kritik aus der SF-Szene ausgesetzt.

Von 1993-2000 gab er das Magazin Tomorrow Speculative Fiction heraus, das es auf 24 gedruckte Ausgaben brachte, bevor es online weitergeführt wurde.

Seine schriftstellerische Karriere begann mit der Erzählung „The High Purpose“ in der Novemberausgabe 1952 von Astounding und in der Folgezeit er­schienen eine ganze Reihe von Stories in ver­schiedenen Magazinen, die ihn als ideenreichen Autor und begabten Stilisten auswiesen. Durch Geschichten wie „The Real People“(1953), „End of Summer“(1954), „The Executioner“(1956) oder „The Edge of the Sea“ (1958) wurde AJ rasch be­kannt und zu einem der führenden Nachwuchs­autoren der fünfziger Jahre. Seine Stories waren komplex, tiefgründig, häufig mit Mainsteam-Einflüssen durchsetzt und dadurch für unbedarfte Leser der damaligen Magazin-SF manchmal etwas schwer verständlich. Als ich ihn Mitte der sechziger Jahre entdeckte, klang sein Name „strange“ und seine Geschichten waren es auch. Sie kamen „frostig“ rüber, hielten einen auf Abstand. Der Mann war für mich auf der Stelle Kult.

AJs Autorenlaufbahn verlief aber nicht geradelinig, sondern in mehreren Schüben. Immer wieder gab es Zeiten, in denen sehr wenig oder gar nichts von ihm erschien, dann war er wieder außerordentlich produktiv. Insgesamt hat er etwa 200 Stories verfasst, von denen die meisten in den fünziger Jahren publiziert wurden. Dazu benutze er auch mindestens ein Dutzend Pseudonyme, von denen John A. Sentry (Sentry = Wachtposten) die meisten Rückschlüsse zulässt. Drei seiner Geschichten wurden für Preise nominiert: „The Edge of the Sea“ 1959 für den Hugo, „The Silent Eyes of Time“ 1976 ebenfalls für den Hugo und „A Scraping of the Bones“ 1976 für den Nebula.

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Die Stories waren AJs eigentliche Stärke, und seine drei besseren Romane aus dieser Zeit, Who? (1958), Rogue Moon (1960) und Some Will Not Die (1961, dt. Einige werden überleben, 1981)), bauen alle auf vorher erschienenen Kurztexten auf. Man of Earth (1956, Auf Pluto gestrandet, 1960) und The Falling Torch (1959, dt. Exil auf Centaurus, 1965)) sind konventionelle SF-Abenteuer, Some Will Not Die, die erweiterte Fassung von False Night hat schon mehr Ttiefgang. Mit Who? und Rogue Moon wurde AJ aber international bekannt. Beide Titel wurden für den Hugo nominiert und Rogue Moon verfehlte den begehrten Preis nur knapp; Who? wurde 1973 von Jack Gold sehr textnah verfilmt.

Who? (dt. Zwischen zwei Welten, 1958, 1983) ist ein „Near Future“-Roman zur Zeit des kalten Krieges zwischen Ost und West. Der amerikanische Atomphysi­ker Lucas Martino wird bei einem Geheimprojekt nahe des Eisernen Vorhangs Opfer eines Unfalls, von einem Ein­satztrupp des Ostens gerettet und vier Monate spä­ter wieder in den Westen entlassen. Er hat nur noch einen Arm, der andere wurde durch eine kunstvolle Metallprothese ersetzt, und an­stelle seines Kopfes besitzt er nun eine Metall­kugel, aus der künstliche Augen starren. Da man Martino nicht sofort identifizieren kann, wird der Sicherheitsmann Shawn Rogers auf den Kyborg angesetzt. Er überwacht dessen Genesung und versucht herauszufinden, ob er wirklich Martino vor sich hat, oder einen Agenten der Gegensei­te.

Auf den ersten Blick ist WHO? Ein Spionageroman, der sich bei genauerem Studium als philosophisch-psychologische Charakterstudie erweist Der Titel ist zweideutig. Er wirft die unpersönliche Frage auf: „Wer ist der Kyborg?“ Sie bestimmt die Handlung, wird aber von der persönlichen Frage Martinos: „Wer bin ich?“ verdrängt. Martino, der mit Menschen Kontakt aufnehmen konnte, als er noch menschlich aus­sah, sich damals aber ganz auf die Wissenschaft konzentrierte, sieht sich jetzt, da er Kontakt aufnehmen will, aufgrund seines Aussehens völ­lig isoliert. Um zu sich selbst zu finden, negiert er sein früheres Ich.

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Identität und Exil sind zwei Leitmotive in Ajs Werk; sie treten hier wie auch in seinem nächsten Roman Rogue Moon

(1960; dt. Projekt Luna, 1965) deutlich zutage.

Auf dem Mond befindet sich ein geheimnisvol­les, unerklärbares Labyrinth, offenbar ein Arte­fakt außerirdischer Intelligenzen. Zur Erfor­schung dieser Struktur wird ein kurz zuvor ent­wickelter Materietransmitter herangezogen, mit dem Forscher auf den Mond transportiert wer­den. Das menschliche „Original“ kommt dabei um, aber eine „Kopie“ unterscheidet sich in nichts von der ursprünglichen Person. Das La­byrinth erweist sich als Todesfalle, jedes Quan­tum Wissen wird mit dem Tod eines Forschers bezahlt. Augenscheinlich herrschen bestimmte Gesetze innerhalb der Struktur: Manche Gänge dürfen nicht betreten, bestimmte Bewegungen nicht ausgeführt und gewisse Geräte nicht mit­gebracht werden. Aus diesem Grund muß jeder Forscher zweimal durch den Transmitter, ein Körper bleibt dann auf der Erde, der andere untersucht das Labyrinth. Beide stehen mitein­ander in telepathischem Kontakt. Allerdings kann jeder Forscher nur einmal eingesetzt wer­den, das Pendant auf der Erde wird beim schrecklichen Tod seines Doppelgängers auf dem Mond meist wahnsinnig. Um Menschenleben zu schonen, wird Barker eingesetzt, der geistig intakt erleben kann, wie sein „eigenes Ich“ stirbt. Barker geht viele Male durch den Transmitter und stirbt viele Tode im Labyrinth.

Wie schon in Who? benützt Budrys in Rogue Moon archetypische Personen. In eine rasante Handlung eingebettet sind mannigfaltige sym­bolische Probleme, von denen der Tod eines der am leichtesten ersichtlichen ist. Das Labyrinth hat mehrere Symbolfunktionen und steht als Metapher für das Streben der Menschen nach Erkenntnis, vielleicht sogar symbolisch für den Roman selbst, durch den sich der Leser eben­falls wie durch ein Labyrinth zu kämpfen hat, ohne dass er weiß, was letztendlich dabei her­auskommt – das Ende bleibt offen.

Ein vielschichtiger Roman, der ein Zentralthema der SF, den Durchbruch auf eine andere Erkenntnis- und Daseinsstufe, beein­druckend behandelt. Ein moderner Klassiker des Genres, der 2001 noch einmal neu veröffentlicht wurde, diesmal unter dem vom Autor bevorzugten Titel The Death Machine.9552119[1]

Nach The Amsirs and the Iron Thorn (1967; Das verlorene Raumschiff, 1972), einem klassischen Abenteuer-SF-Roman, dessen deutscher Titel schon viel von der Handlung verrät, machte der Autor erst 1977 durch Michaelmas (dt. 1980) wieder auf sich aufmerksam. Dieser Roman greift die Proble­me auf, die sich aus einem futuristischen Me­diendschungel ergeben, der noch undurchsichti­ger als unser heutiger ist. Allerdings wird die Kritik an aktuellen Zuständen dadurch etwas verwäs­sert, dass es Außerirdische sind, die unerkannt alles manipulieren und gegen die der Held Laurent Michaelmas anzukämpfen hat.

Ein überzeugendes Spätwerk ist Hard Landing (1993, dt. Harte Landung, 1998), wiederum ein Roman bei dem das Thema Exil im Mittelpunkt steht. Diesmal sind es von Menschen kaum zu unterscheidende Außerirdische, die auf der Erde notlanden mussten und nun überleben müssen. In unnachahmlicher Manier zeigt AJ, wer hier die wirklichen Aliens sind. In diesem dicht geschriebenen, lediglich 200 Seiten umfassenden Roman beschämt Budrys eine Vielzahl heutiger Zeilenschinder, die in ihren aufgeschäumten Sechshundertseitenschinken weniger zu sagen haben als ein kompetenter Autor in einer Kurzgeschichte.

Algirdas Jonas Budrys, ein Mann zwischen den Welten, der jahrzehntelang selbst Staatenloser gewesen war, starb am 9.Juni 2008 in Evanston, Illinois.

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NACHLESE 2015 von Andreas Winterer by Martin Compart
14. Januar 2016, 12:11 pm
Filed under: Andreas Winterer, Nachlese 2015, Rezensionen | Schlagwörter: ,

61pp5I3G+CL._UX250_[1]1. Fiction:

Da war nichts interessantes dabei.
2. Non-Fiction.
Auch nicht.
3. Filme
Bond? Nö, keinen Bock mehr. Mit großem Genuss schaute ich mir lieber Liam Neesons dritten Taken-Film an: ein Aufguss zwar, und leider versöhnlicher als die schön schamlos brutalen Teile 1 und 2, aber immer noch prima dümmlicher Action-Quark ohne jeglichen Sinn und Verstand. „Star Wars“ war gerade noch okay, aber halt nur ein mutloser Aufguss – Angst und Furcht führten hier zu innovationslosesten Seite der Macht und zu „noch einem Todesstern“; jenseits des armseligen Drehbuchs fiel noch auf, dass die beiden Bösewichter sich an grottenpeinlich inszenierter Lächerlichkeit übertrafen. Dass nun aber auch der „neue Darth Vader“ vor Gefühlsduseligkeit greint, ist irgendwo auch zeitgemäß, ebenso die eklige Anbiederung an alte und neue Zuschauer. Hassen sollte man Star Wars 7 dennoch: Weil der Film ohne echten Grund Han Solo auf völlig unwürdige Weise gekillt hat. Immerhin bietet die enttäuschte Reaktion der SW-Fans auf den Umstand, dass die nunmehr knapp 60jährige Prinzessin Leia im Bikini nicht mehr als Primärwichsvorlage für Spät- und Nachpubertierende taugt, eine gute Gelegenheit, sich von diesem ganzen Flucht-in-die-Fantasy-Fandom und Hollywoods allgemeinem Peter-Pan-Syndrom zu distanzieren.
https://www.youtube.com/watch?v=-fblra78zdg
3b. Serien
Das einzige Kulturgut, dass man derzeit konsumieren kann. „Hemlock Grove“ ist das interessanteste, was je im Umfeld ‚Was mit Vampiren & Werwölfen‘ gemacht wurde. „Penny Dreadful“ entwickelte sich in Staffel zwei zu einem echten Knaller. Aber der wirkliche Sensation ist „Jessica Jones“, die man sich sogar dann ansehen kann, wenn einem die Superhelden-Gülle eigentlich schon zum Hals raushängt. Mutig in zahlreichen Entscheidungen ist das eine Serie, die man sich nicht einfach rein-bingen kann wie die üblichen Stream-Burger, sondern jede nächste Folge lieber aufhebt, damit man sie noch vor sich hat. Gerne würde ich sowas über die allenthalben gehypte Dick-Verfilmung „The Man in the High Castle“ sagen, aber leider hab ich mir da beim Gähnen den Kiefer ausgerenkt. Dann doch lieber „Fallout 4“ spielen…
https://www.youtube.com/watch?v=s3UYWK2jeX0
https://www.youtube.com/watch?v=ZLDFVVCNNG8


BARLOW SPRICHT: by Martin Compart
11. Januar 2016, 11:03 am
Filed under: Afrika, Eeben Barlow, Politik & Geschichte | Schlagwörter: , ,

Martin Daniken hat mich mehrfach gefragt, was Barlow zu verschiedenen Themen denkt. Hier nun einige Antworten, die unseren eurozentrischen Blickwinkel erweitern.

 

Africa is the battleground of a war aimed at seizing control over its resources. The war is being waged on a military level and on an infrastructure/investment level. Both approaches ultimately aim at getting governments into a position of weakness. The West and the US in particular is opting for the militarization approach whilst the Chinese are adopting a more passive approach in terms of investment and resource extraction. It is however the military level that has seen the rise of proxy forces and other anti-government forces and thus created massive internal instability, resulting in IDPs and refugees. The Chinese investment model has paid off for the Chinese and has increased their influence dramatically. Of course, they do have problems from time to time but in general they abide by their agreements and do not interfere in the internal politics of a country. African governments have taken note of this. African governments have also taken note of the chaos the military approach is causing and the collateral damage across numerous fronts and this is resulting in a groundswell of anti-West and in particular anti-US sentiments in many African countries.

 

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The Russians have been slowly reassessing Africa and have started their return back to Africa. Given that the Russians and China have working agreements on numerous levels, it is conceivable that they will form joint-ventures with Chinese firms where necessary. Traditionally though, the Russians have also not interfered at the political levels although they were always supportive of anti-government forces that were malleable enough to be used to achieve then-Soviet aims. I suspect they will focus on military equipment sales as their equipment has been proven in Africa and is known to work here.

 

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NEWS by Martin Compart
6. Januar 2016, 2:08 pm
Filed under: Interview, NEWS | Schlagwörter: ,

Auf https://compartsflashman.wordpress.com/ jetzt der erste Teil des Interviews mit Bernd Kübler.



NACHLESE 2015 by Martin Compart
4. Januar 2016, 6:21 pm
Filed under: Nachlese 2015, Rezensionen | Schlagwörter: ,

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OLIVER NÖDING:

Buch 2015

Für Romane fehlt mir meist die Muße und ich verfolge den Markt auch nicht mehr genau genug, um auf dem neuesten Stand zu sein. Das Buch, das mir 2015 am meisten Freude bereitet hat, ist daher schon etwas älter: „Hellraisers: The Life and inebriated times of Richard Burton, Richard Harris, Peter O’Toole and Oliver Reed“ von Robert Sellers ist eine locker-flockige Anekdotensammlung, die sich mit den Exzessen der genannten Legenden beschäftigt. Es wird gesoffen, geprahlt, geprügelt und abgestürzt auf den wie im Flug vorüberziehenden Seiten, dass es eine wahre Freude ist. Da bedauert man einmal mehr, dass heutige Stars von einem ganzen Beraterstab überwacht werden und nach den selten gewordenen Fehltritten so sicher wie das Amen in der Kirche der wohlfeil formulierte Entschuldigungstweet folgt. Die vier Helden des Buches hingegen wussten immer, was sie taten, selbst, wenn sie es nicht mehr wussten – und haben auf die Meinung des Publikums und der Kritiker stets einen großen, respektlosen Haufen geschissen. Schönste Episode: Harris entdeckt nach der Entgiftung im fortgeschrittenen Alter, dass er seit Jahrzehnten Parkplatzgebühren für einen Rolls Royce bezahlt, den er irgendwann mal gekauft und gleich wieder vergessen hatte.

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Film des Jahres 2015

Kind und Kegel haben es nicht zugelassen, das aktuelle Filmgeschehen im Kino zu verfolgen, den besten Film des Jahres zu benennen traue ich mich aber trotzdem: MAD MAX: FURY ROAD hat mir die Hoffnung zurückgegeben, dass man das großbudgetierte Mainstreamkino doch noch nicht komplett abschreiben muss. Der mittlerweile auch schon 70-jährige George Miller hat einen energiegeladen, bildgewaltigen Film hingelegt, aus dem die Power, Lust und die Leck-mich-am-Arsch-Haltung spricht, die sonst das Privileg der Jugend ist. Kino als 120-minütige Bilderflut, der Kinosessel vibriert unter dem Arsch wie eine röhrende Höllenmaschine. Ein großes „Fuck you!“ an dieser Stelle an die Leute, die angesichts dieses Wunderwerks die Chuzpe hatten, einen Mangel an Story (?) zu unterstellen. Der finale Coup, Max und seine weiblichen Kameraden nach vergeblicher Flucht einfach umdrehen und dem Feind entgegenfahren zu lassen, ist ein Meisterstück des Actionkinos und jetzt schon Filmgeschichte.

Filmische Wiederentdeckung des Jahres

SCHLEPPZUG M17, die einzige Regiearbeit von Götz Georges Vater Heinrich (zu deren Gelingen Werner Hochbaum entscheidend beitrug) aus dem Jahre 1933, ist ein komplett freidrehendes Melodram um den fleischigen Kutterfahrer Henner (George), der mit Frau und Kind in Berlin einschippert, sich dort Hals über Kopf in eine junge Hochstaplerin verliebt und seine Familie kurzerhand im Trubel der Großstadt stehenlässt, um einen Traum zu verfolgen, der für alle außer ihn selbst als zum Scheitern verurteilt erkennbar ist. George singt, George schmollt, George wirft seine gesamten drei Zentner Körpermasse in diesen Film und füllt jedes dramaturgische Loch aus, das er im Überschwang der schöpferischen Euphorie übersehen hat. Wenn er abends wie ein geprügelter Hund mit hängendem Kopf zu seiner wissenden Ehefrau zurückkriecht, sie anschweigt und noch nicht einmal einer Ausrede für würdig befindet, sich nicht anders zu helfen weiß, als mit dem Satz „Morgen gibt’s wieder Arbeit.“ zur Tagesordnung überzugehen, versinkt man vor Scham im Kinosessel. Film als totale Entblößung.

DVD/Blu-ray-Veröffentlichung des Jahres

Aus persönlicher Sicht tendiere ich zur Veröffentlichung von Jürgen Rolands lange Zeit nicht mehr verfügbarem Gangsterfilm DIE ENGEL VON ST. PAULI (Subkultur), für den ich meinen ersten Audiokommentar einsprechen durfte. Große Würfe sind auch die VÖ von Argentos OPERA (Koch Media), den deutsche Zuschauer zum ersten Mal ungeschnitten erleben (und dazu mein Booklet lesen) dürfen, sowie die makellose Heimkino-Umsetzung von Aleksei Germans monströsem Schwanengesang ES IST SCHWER EIN GOTT ZU SEIN (Bildstörung). Aus filmhistorischer Sicht muss meine Wahl aber auf die Veröffentlichung von Roger Fritz‘ MÄDCHEN MIT GEWALT (Subkultur) fallen, die einen zu Unrecht bis heute marginalisierten Filmemacher zurück ins Licht der Öffentlichkeit holt.

 

https://funkhundd.wordpress.com/

Olivers unverzichtbares Buch für schwer erziehbare Cineasten gibt es hier:

http://www.bod.de/buch/oliver-noeding/sauft-benzin–ihr-himmelhunde/9783960340065.

Zum Buch sagt Oliver fairerweise:

„Leider haben sich in die Erstauflage bei der Übergabe vom Satz an den Druck ein paar für uns ärgerliche Fehler eingeschlichen, die wir schnellstmöglich beheben wollen. Ich bitte die Leute, die das Buch bereits gekauft haben, um Verständnis. Es sind eher kosmetische Dinge, die schiefgelaufen sind, am Inhalt der Texte ändern sie nichts. Aber natürlich möchten wir trotzdem ein möglichst fehlerfreies Buch auf den Markt bringen. Ich werde einen Beitrag veröffentlichen, sobald die neue Fassung fertig ist.“

http://www.amazon.de/Sauft-Benzin-Ihr-Himmelhunde-Actionfilm/dp/3960340060