Filed under: Politik & Geschichte, RUSSISCHER BÜRGERKRIEG, TV | Schlagwörter: deutsches Fernsehen, Doku-Drama, Pidax, Polit-Thriller, Qualitätsfernsehen, Russischer Bürgerkrieg, TV
Es ist immer wieder verblüffend, auf welch hohem Niveau mal in Deutschland Fernsehunterhaltung gemacht wurde! Es war wohl Helmut Kohl, der mit der Einführung der kommerziellen Sender das Fernsehen für die Idioten erobert hat. Aber schon zuvor gab es bei den öffentlich-rechtlichen geistige Aufweichbewegungen zu verzeichnen.
Heute unterscheidet sich die öffentlich-rechtliche Unterhaltung (insbesondere „Krimi-Spiele“ und Sonntagsgärten, die einem das Leiden einer Heroin-Entgiftung vermitteln) nicht im geringsten mehr von der Pathologie der privaten. Von den Verantwortlichen wird Dummheit gepriesen und Qualität gemieden.
Dass dies mal anders war, zeigt einmal mehr der nicht genug zu lobende PIDAX-Verlag, der u.a. Höhepunkte der deutschen TV-Kultur rettet, restauriert und wieder zugänglich macht.
„Qualität, Flexibilität, Herzblut…nur auf diese Weise sind wir in der Lage, uns stark zu machen, wofür wir stehen: Die Veröffentlichung wahrer Schätze und Bestseller aus dem Film-, TV- und Hörspiel-Bereich! Wo hier ein Großteil der Konkurrenz passen muss, passen wir uns flexibel auch mit kleineren Auflagen den Erfordernissen dieses besonderen Marktsegments an.
Unser Augenmerk legen wir vor allem auf Qualität und hochwertige Inhalte. Durch Sorgfalt und modernste Restaurationstechnik versuchen wir vor allem bei älteren Produktionen eine neue Qualitätsstufe zu erreichen, um unseren Kunden ein ungetrübtes Seh- und Hörerlebnis zu ermöglichen“, ist die Firmenphilosophie.
Dass sich darunter Produkte befinden, die nicht jedem gefallen und/oder aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch erscheinen, gehört zum umfangreichen wie mutigen und bewunderungswürdigen Unterfangen.
Aber der bisher veröffentlichte Kanon ist auch ein audio-visueller Vorwurf an die Einfallslosigkeit, intellektuelle Begrenztheit und Feigheit der heutigen Unterhaltungsmacher.
Nun hat PIDAX in seiner Reihe „Historien Klassiker“ ein absolutes Meisterwerk des (nicht nur deutschen) Doku-Dramas aufgelegt. BÜRGERKRIEG IN RUSSLAND zeigt in beeindruckenden Spielszenen mit hervorragend integriertem Zeitmaterial eine brutale Zeitenwende, die blutig und hoffnungsvoll und vor allem chaotisch war. Die brillante Regie spielt sogar mit der Ästhetik des sowjetischen Revolutionsfilms und ist auch nach internationalen Maßstäben bis heute eine herausragende Produktion. Detailierter wurde die Revolution und der Bürgerkrieg m.W. nicht aufbereitet. Ähnlich anspruchsvolles dürfte man aktuell höchstens bei ARTEE erwarten.
Kein zeitgeschichtlich Interessierter kommt um diese DVD herum. Einziger Wermutstropfen: Ich vermisse ein Booklet, das die Hintergründe dieses Meilensteins deutscher Fernsehunterhaltung erzählt.
Kaum zu glauben, dass ein Großteil der Außenaufnahmen in und um Oldenburg gedreht wurden! Unfreiwillig komisch erscheint manchmal der sowjetische Lenin-Darsteller, der wie im Stummfilm chargiert aber insgesamt ein überzeugendes Lenin-Bild abliefert. Alle Schauspieler sind grandios. Besonders beeindruckend ist Friederich G. Beckhaus als Trotzki. Regie und Buch beherrschen ein heute selten umgesetztes dramaturgisches Prinzip: jede Szene muss aus such heraus und in sich ihre eigene Spannung entwickeln!
Für mich eines der intensivsten Bildschirmerlebnisse seit langem.
Die komplette 5-teilige Historienepos über die Russische Revolution
Im Kriegsjahr 1917 steuert das zaristische Russland auf die Revolution zu. Die Truppen und die aufständischen Arbeiter verbünden sich, Sozialrevolutionär Kerenski wird Minister einer provisorischen Regierung, der Zar dankt ab. Lenin kommt aus dem Schweizer Exil zurück, hat mit seiner Forderung, den Krieg zu beenden, jedoch kein Glück. Der Sturm auf das Winterpalais in St. Petersburg besiegelt den Sieg der Bolschewisten …
Hintergrundinformationen:
Zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution versuchte diese fünfteilige, hochwertige Historienreihe die wichtigsten Vorgänge wahrheitsgemäß nachzuvollziehen. Wochenschauaufnahmen, Amateurfotos, Korrespondenzen und Dokumente wurden dazu herangezogen, die Hauptakteure nach größtmöglicher Ähnlichkeit ausgesucht. 186 Schauspieler kamen zum Einsatz und über 1000 Komparsen. Bild und Funk (47/ 1967) schrieb: „Mit ungeheurem Aufwand in Szene gesetzt. Da agieren ganze Heere von Komparsen. Eine imponierende Fülle von Details wird dem Zuschauer vorgesetzt.“ Hörzu (47/ 1967) sprach von „aufwendig inszenierten Massenszenen, souveräner Kameraführung, schwelgerischen Dekorationen, blendenden Masken, hervorragender Besetzung und einem durchaus überzeugenden Buch.“
Episodenliste:
1. Revolutionsjahr 1917
2. Der Kampf um die Macht
3. Die Konterrevolution
4. Das Ende in Sibirien
5. Die verratene Revolution
Trailer:
HANS SCHAFFNER PRÄSENTIERT „Bürgerkrieg in Russland“ MIT Nikolaj Rytjkov, Friedrich Georg Beckhaus, Kurd Pieritz, Friedrich Schütter, Hubert Suschka, Otto Stern, Rolf Schimpf, Helmut Förnbacher, Wolf von Gersum, Reinhard Kolldehoff, Günther Jerschke, Tilo von Berlepsch, Paul Glawion
Buch: Hellmut Andics
Kamera: Albert Benitz, Heinz Bohn
Schnitt: Peter Harlos
Kostüme: Nicola Hoeltz
Szenenbild: Ellen Schmidt, Ermanno Giannotti
Produktionsleitung: Fritz Hoppe
Redaktion: Werner Murawski
Regie: Wolfgang Schleif
3 DVDs in einem Amaray-Case mit Wende-Inlay (inwendig ohne FSK-Logo)
Laufzeit: ca. 460 Min.
Bildformat: PAL 4:3 s/w
Sprache: Deutsch
Tonformat: Dolby Digital 2.0
Ländercode: 2 (Europa)
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Produktion: Deutschland 1967-1968
https://www.pidax-film.de/Historien-Klassiker/Buergerkrieg-in-Russland::2159.html
Filed under: Politik & Geschichte, RUSSISCHER BÜRGERKRIEG | Schlagwörter: Mark Zak, Nestor Machno, Ukraine, Victor Peter
Nestor Machno war eine Art ukrainischer Che Guevara (allerdings Anarchist) und trieb Trotzki und Lenin fast in den Wahnsinn.
Filed under: China, Dja Lama, Ossendowski, Politik & Geschichte, Porträt, RUSSISCHER BÜRGERKRIEG, Ungern-Sternberg | Schlagwörter: Ja Lama, Japan, Mongolei, Ungern-Sternberg
1914 begann Ja-Lama gegen die angebahnten freundlichen Beziehungen zwischen Russland und der Mongolei zu hetzen. Die russische Regierung schickte eine Kosakenabteilung über die Grenze. Mit einem Überraschungsangriff eroberten sie Kobdo. Sie fanden den Dscham Lama in seiner Jurte sitzend auf einem Thron aus den Häuten der abgeschlachteten Chinesen. Nach einigen Schwierigkeiten und durch Verrat gelang es den Russen ihn zu überwältigen und gefangen nach Russland zu schaffen. Hierzu taucht in der Legende eine Variante der oben erzählten Geschichte auf: Eine Abteilung soll er mit seinen hypnotischen Kräften irre gemacht haben. Die Kosaken fielen plötzlich in großer Wut über ihren Rittmeister her und schlugen ihn tot, weil sie glaubten, er sei der Dscham Lama. Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges blieb Dscham in Russland im Gefängnis.
Die mongolische Unabhängigkeit hatte gerade mal zwei Jahre gedauert. Russen und Chinesen arbeiteten zusammen, um das Land unter sich aufzuteilen. Bogdo Khan erntete die Frucht seiner Ausschweifungen und wurde zu einem syphilitischen, fast erblindeten Mann. Die Mongolei war einer der unangenehmsten und gefährlichsten Orte der Welt Anfang der 1920er Jahre. Das Gefängnis von Urga – die Zellen waren wie hochkant gestellte Särge – galt als das Schlimmste der Welt.
Nach der Revolution ließen ihn die Bolschewisten, die Ja-Lamas Fähigkeiten kannten, gegen das Versprechen frei, in der Mongolei für die bolschewistische Idee Propaganda zu machen.
Rastlos durchstreifte er die Mongolei. Die Stämme fürchteten oder feierten ihn als Wiedergeburt des legendären Freiheitshelden Amursana, der im 18.Jahrhundert gegen die Manchus focht. Angeblich hatte dieser Amursana den Schwarzen Stein des Königs der Welt nach Urga zum Bogdo Gigen gesandt. 1918 gründete er einen unabhängigen Staat „in der Gegend von Kobdo, indem er sich selbst zum König ernannte und die Anerkennung jeder anderen Autorität neben sich verweigerte. Zuweilen fiel es ihm auch ein, die Befehle des Bogdo Gigen zu übersehen. Und wenn es sich um Durchführung seiner Pläne handelte, war er in seinem Vorhaben nicht sanft. Wer es wagte, sich ihm entgegenzustellen, wurde rücksichtslos entfernt. Die Anhänger des geheimnisvollen Kalmücken wurden blinde Werkzeuge in seinen Händen, die in abergläubischer Furcht vor ihm zitterten… Dscham hatte keine Schwierigkeit, seine Macht in der Provinz Kobdo zu festigen und zu vergrößern. Er hielt sich endlich für größer als den Bogdo Gigen und gehorchte ihm nur noch, wenn es ihm gefiel. Mit Beharrlichkeit bereitete er sich auf die große Abrechnung mit den Fremden vor, die sich in der Mongolei niedergelassen hatten. Er tauchte an den verschiedensten Stellen des Landes überraschend auf, und wo das geschah, fand man überall seine Spur – Russen und Chinesen mit durchschnittenen Kehlen. Es war unmöglich, schien es, ihm Widerstand zu leisten; seine hypnotische Macht schlug seinen Opfern die Verteidigungswaffe aus der Hand. Es war auch unmöglich, ihn festzunehmen oder gar zu töten, denn das Volk schützte ihn und betete ihn an“ (Forbath, S.222f.). Seinen Gegner stach er die Augen aus und bewahrte sie in einem Säckchen auf und führte die gefolterten Kreaturen, die er mit einer bestialischen Methode lebend verwesen ließ, mit sich. Wenn der Fäulnisgestank der armen Geschöpfe unerträglich geworden war, tötete er sie und ließ Überzüge aus ihrer Haut machen.
1919 schloss er sich angeblich der Soldateska von Ungern-Sternberg an, der 1920 mit seiner etwa 1000 Mann starken Armee aus Weißrussen, Mongolen, Burjaten, Chinesen und Tibetern in die Mongolei einfiel. Angeblich stellte er dem blutigen Baron eine Leibgarde aus besonders grausamen Tibetern zur Seite. „Später, nicht gar solange nach meinem Besuch, als die Mongolen sich gegen die blutsaugerischen Fremden erhoben, erging es den Russen nicht anders wie den Chinesen. Vergeblich erwarteten sie damals Baron Ungern-Sternberg als Erlöser, der mordend und plündernd die Mongolei durchzog.“ (Forbath, S.130)
Palmer bestreitet die Kumpanei der beiden Irren: „Falls Ungern sich je mit dem Ja Lama getroffen hat, war er wohl von ihm enttäuscht – er hatte vor seiner Ankunft in der Mongolei (1913) sein Lob geszngen, sich später aber nur noch herabsetzend über ihn geäußert – obwohl er von uhm einiges gelernt haben dürfte.“ (Palmer, S.90)
Im Westen hatte Dscham Lama die Provinz Kobdo von der restlichen Mongolei inzwischen vollständig abgespaltet. Der nur pro forma mächtige Bogdo Khan hatte die Raserei Ungern-Sternbergs und Dscham Lamas bald satt. Wahrscheinlich fürchtete er inzwischen selbst um sein Leben. Er verbündete sich heimlich mit Sukke Bator und der Volkspartei. Er verfasste einen Hilferuf, den Sukke Bator versteckt im Griff einer Bullenpeitsche aus der Mongolei schmuggelte. Dschamsaramo, Sukke-Bator, der wahnsinnige Koibalsan und andere Kommunisten und Unabhängigkeitskämpfer reisten nach Moskau, um die Bolschewisten gegen Ungern und Dscham Lama zu Hilfe zu holen. Ein guter Grund für Trotzki, die Rote Armee in die Mongolei zu schicken und die Bindung des künftigen Regimes an Moskau zu festigen. An der Spitze der Roten Armee kam Sukke Bator zurück. Ungern hatte inzwischen das ruinierte Urga verlassen um gegen Russland zu ziehen und im Norden die Schlacht zu suchen. Die Einnahme Urgas war unproblematisch und Sukke benannte die Stadt zu seinen Ehren in Ulan Bator um.
Nach der Niederlage Ungern-Sternbergs zog sich Dscham Lama mit seinen Gefolgsleuten zur Oase von Bayanbulag in der Gobi zurück. Dort gründete er die Festung Tempei Gyaltsen, die auch Nicholas Roerich auf einer Reise besuchte. Er musste vor den Kommunisten fliehen, die inzwischen mit Hilfe der Sowjets die ganze Mongolei unter ihren Machteinfluss brachten. Dagegen sammelte Dscham die „reinrassigen“, die so genannten Chalcha-Mongolen. Mit ihnen bildete er Kriegertrupps, die gegen alle Fremdlinge kämpften und die Errichtung eines Nationalstaates anstrebten, in dem nur Mongolen leben sollten. Hass gegen alles Fremde, raste nun, angeführt von Dscham Lama, durch die Mongolei.
Die neue nationale mongolische Regierung musste mit den Kriegsherren und konterrevolutionären Kräften aufräumen, wenn sie überleben wollte. Sie schickten eine Abordnung zu Dscham, der sich nun wieder in Kobdo festgesetzt hatte, um ihn zur Unterwerfung aufzufordern. Mit wilder Volksverhetzung hatte er sich die Provinz zurückerobert. „Dscham Lama war beim Anhören der Regierungsbotschaft in lautes Lachen ausgebrochen. Dann starrte er die Gesandten so langte wütend an, bis sie im Banne seiner Hypnose steif dastanden und sich nicht mehr bewegen konnten. Hierauf zog er ein langes Messer hervor und schnitt jedem mit einem wilden Stoss das Herz heraus. Das ist die Art, wie man in der Mongolei Schafe tötet, und so verfuhr der hohnlachende Dscham mit der Abordnung der neuen Regierung“ (Forbath, S.224). Dies wurde der Regierung durch einen geflüchteten Urton-Reiter berichtet. Vorläufig traute sich niemand mehr, dem Dscham Lama nahe zu kommen. Aber auch beunruhigende Nachrichten erreichten die neuen Machthaber: Dscham rüste zum Kriege gegen die nationale Regierung, die er nicht anerkenne.
Ende 1922 ereilte ihn endlich sein Schicksal: „Da meldete sich eines Tages Baldan Dorsche, der Kommandeur der mongolischen Staatspolizei beim Ministerpräsidenten Sukkebator und erbot sich persönlich Dscham Lama unschädlich zu machen. Natürlich wurde sein Angebot freudig angenommen, und Baldan Dorsche brach nach Kobde auf. Er kannte Dscham Lamas gefährliche hypnotische Macht und reiste daher ganz geheim und sorgfältig verkleidet. In Kobdo angekommen, hatte Baldan Dorsche keine Schwierigkeit, festzustellen, wo Dscham wohnte. Eines Nachts brachte er es fertig, an den Eingang seines Zeltes heran zu kriechen, und sich auf den Knien emporrichtend, feuerte er seinen Revolver auf ihn ab. Er wusste genau, wenn er einen Augenblick zögerte, würde er dem hypnotischen Zauber des Ungeheuers verfallen. Aber das Glück war auf seiner Seite. Sein erster Schuss genügte, um das Leben des grossen Empörers auszulöschen. Noch in derselben Nacht jagte ein Urton-Reiter mit einem an den Sattel gebundenen Sack nach Urga. Der Sack enthielt Dscham Lamas Kopf, den Baldan Dorsche der nationalen Regierung mit Respekt übersandte.“ (Forbath,S.224f.)
Eine etwas andere Version seines grausamen, aber verdienten, Endes findet sich bei Trimondi: „Die Russen schickten einen mongolischen Fürsten vor, der sich als ein Gesandter des lebenden Buddha ausgab und deswegen das Lager unbeschadet betreten konnte. In Front des ahnungslosen Rächerlamas schoss er sechs Revolverkugeln auf diesen ab. Dann riß er dem Ermordeten das Herz aus dem Leibe und verschlang es vor allen Augen, um – wie er nachträglich sagte – dessen Anhänger in Angst und Schrecken zu versetzen. So gelang ihm die Flucht. Später kehrte er mit den Russen an den Ort zurück und holte den Kopf von Dambijantsan als Beweisstück ab. Aber das Herausreißen und Essen des Herzens war in diesem Fall nicht nur ein grausames Mittel, um Furcht zu verbreiten, sondern ein traditioneller Kult der mongolischen Kriegerkaste, der schon unter Dschinghis Khan praktiziert wurde und die Jahrhunderte überlebt hatte.“ (Trimondi, S.609) Die Kommunisten schafften die barbarischen Kulte genauso ab, wie die frühere Gesetzgebung gegenüber Dieben: Die Hand des Verurteilten wurde in einen Sack mit wilden Zwiebeln gebunden. Dann schnürte man den Sack so fest ab, dass die Hand abstarb und mit den Zwiebeln verfaulte. Dies bedeutete wochenlange Qualen, die meistens mit dem Tod endeten.
Der mumifizierte Kopf des Rächerlamas wird als Nr. 3395 unter der Bezeichnung „Kopf des Mongolen“ im Völkerkundemuseum von St.Petersburg aufbewahrt. Mumifiziert nach alter Tradition: geräuchert und eingesalzt. Den Schädel hatte der Orientalist Vladimir Kazakievitch im Auftrag des NKWD nach der Ermordung in einem Koffer aus der Mongolei geholt. Kazakievitch, der sich intensiv mit diesem mysteriösen Mann beschäftigt hatte, hinterließ wichtige Aufzeichnungen, die heute in den wieder geschlossenen KGB-Archiven vergammeln.
Filed under: China, Dja Lama, Ossendowski, Politik & Geschichte, RUSSISCHER BÜRGERKRIEG, Ungern-Sternberg | Schlagwörter: Dja Lama, Mongolei, Ossendowski, Ungern-Sternberg
Seine Legende wirkt bis heute in der Mongolei fort. Der Mann war und ist bekannt unter vielen Namen und Schreibweisen: Dja Lama, Dscham Lama, Tushegun Lama – alles Bezeichnungen für „Rächer Lama“ oder „den rächenden Lama“ (auch der „schwarze“ oder „falsche Lama“). Laut Ossendowski war er mit Baron Ungern Sternberg verbündet oder zumindest bekannt.
„Er war hager und von unbestimmbarem Alter. Er hatte auffällig vorspringende Backenknochen und darüber schräg stehende Augen. Den Augen konnte man sich nicht entziehen. Fast meinte man, durch diese Augen direkt in die Hölle blicken zu können. Er trug ein prächtiges gelbes Gewand, das ihn als hohen Lama auswies. Darüber eine blaue Scherpe unter der er allerhand Mordwerkzeuge versteckt hielt. Dieser Mann hatte die Fähigkeit nur durch seine Erscheinung Angst zu erzeugen. Dieser Mann war nicht nur menschlich; er konnte sicherlich ein paar Dämonen zu seinen Vorfahren rechnen. Er war unberechenbar und galt sogar unter den Steppenvölkern als besonders grausam und rachsüchtig. Niemand zwischen Altai und Pazifik drängte sich danach ihn zum Feind zu haben.“
Für die Kommunisten war Dscham Lama ein reaktionärer Abenteurer, für andere galt er als Freiheitskämpfer oder Verfechter eines Panmongolismus. Der Panmongolismus wurde seit Anfang des 20.Jahrhunderts von Japan geschürt um die Mongolen gegen Russen und Chinesen aufzuhetzen, um ihre eigenen Interessen an einem großasiatischen Reich unter japanischer Dominanz voranzutreiben.
So gesehen war Dscham Lama, ebenso wie Ungern-Sternberg oder Ataman Semjonow, ein Handlanger der Japaner.
Nach dem Volksglauben „war Dja Lama ein rotmütziger Lama, ein Priester des Herrn der Welt, der die geheimnisvollen Klöster des ewigen Lebens besucht hatte, den Wohnsitz der unsterblichen Lamas. Diese sind selbst den Gesetzen der Schwerkraft nicht unterworfen und zergehen in Luft, wenn es ihnen gefällt“ (Forbath, S.91).
Geboren wurde er als Dambin Jansang oder Dambijantsan zwischen 1860 und 1870.
1920 soll er jedenfalls über 60 Jahre alt gewesen sein. Als Sohn des kalmückischen Nomadenstammes der Durbete wuchs er im russischen Teil des Altai Gebirge an der Grenze zur Mongolei auf. Er studierte den tibetischen Lamaismus, engagierte sich schon bald gegen sowohl russische wie auch chinesische Unterdrückung der Nomadenvölker. Revolutionäre Propaganda brachte ihn ins Gefängnis und in die sibirische Verbannung. „Viele Geschichten über ihn gingen im Volke um. So erzählte man sich zum Beispiel, dass er auf seiner Flucht aus Sibirien erkannt und von einem Trupp Kosaken verfolgt wurde. Dscham wurde hierbei gegen das Ufer des Sur Nor-Sees gejagt und hatte nun die Fläche des Sees vor sich und die Verfolger hinter sich. Die Bewohner eines kleinen Nomadenlagers beobachteten dies mit angehaltenem Atem und erwarteten jeden Augenblick, daß Dscham von den Kosaken erschlagen werden würde. Zu ihrem größten Erstaunen änderten aber die Kosaken plötzlich ihre Richtung. Anstatt weiter hinter Dscham herzureiten, der ruhig ein paar Meter vor ihnen stand, galoppierten sie um den See herum. `Da ist er!‘ schrien die Kosaken. `Da ist er!‘ Aber dieses `da‘ bezeichnete für jeden einen anderen Punkt. Sie ritten nach verschiedenen Richtungen auseinander, dann trafen sie sich wieder und fielen nun mit ihren langen Lanzen übereinander her. Dscham Lama stand unterdessen am Ufer und sah zu, wie einer den anderen umbrachte; jeder von den Kosaken schien fest überzeugt, den verfolgten Dscham vor sich zu haben“ (Forbath, S.221).
Er floh südlich in die Mongolei und tauchte 1890 in Tibet auf, wo er sich mehrere Jahre intensiver mit dem lamaistischen Buddhismus beschäftigte. Er lernte die einflussreichen Lamas kennen und befreundete sich eng mit dem Dalai Lama. „Es gab in der Tat das Gerücht, dass der Gottkönig von Lhasa den militanten Kalmücken honoriert habe“ (Trimondi, S.608).
Anschließend ging er nach Indien, um sich die Kenntnisse der indischen Yogis anzueignen. Als antikolonialer Freiheitskämpfer soll er auf Ceylon aktiv gewesen sein. Er sprach Sanskrit, Russisch, Mongolisch, Chinesisch und Englisch.
Später arbeitete er am Astronomischen Institut in Peking, zu dessen Aufgaben die Präzisierung des mongolischen Kalenders gehörte. „Nach einer abenteuerlichen Flucht ging er nach Tibet und Indien, wo er sich in der tantrischen Magie ausbildete. In den Neunziger Jahren beginnt er seine politische Tätigkeit in der Mongolei. Ein irrender Ritter des Lamaismus, Steppendämon und Tantriker in der Art des Padmasambhava, erweckte er dumpfe Hoffnungen bei den einen, Furcht bei den anderen, scheute vor keinem Verbrechen zurück, ging aus jeder Gefahr wohlbehalten hervor, so daß er für unverwundbar und unangreifbar galt, kurz, er hielt die ganze Gobi in seinem Bann„, drückt es Robert Bleichsteiner in seinem noch immer bedeutenden (nie neu aufgelegtem) Buch DIE GELBE KIRCHE, 1937, aus (Bleichsteiner, S.110).
Um 1900 erschien er als Priester in der Mongolei und machte mit einer Gruppe von Gefolgsleuten Propaganda für die Befreiung der Mongolei von den Chinesen, die er auch blutig bekämpfte. Dann musste er sich vor den chinesischen Behörden verbergen. Während dieser Jahre reiste er im Auftrag des russischen Forschers Koslow nach Tibet.
Die Mongolei war zu einer chinesischen Provinz verkommen. 1911 kam es zur Rebellion und der „lebende Buddha“ wurde zum ersten Staatschef der autonomen Mongolei ausgerufen, zum „Bogdo Khan“. Er galt als die achte Inkarnation eines Buddha. Wie Tibet war die Mongolei zu einer Buddhokratie geworden, mit der Inkarnation eines Gottes als Staatsoberhaupt. Dieser Khan und Großlama war kein gebürtiger Mongole: Jabtsundamba Khutuktu (1870-1924) war der Sohn eines hohen Beamten in Lhasa. Gegen seine Untertanen war er brutal, oft grausam, und man beschuldigte ihn zahlreicher Giftmorde. Dem Alkohol und dem weiblichen Geschlecht war er ebenso zugetan, wie infantilen Spielzeugen. Er erklärte die Unabhängigkeit von China, und der Dscham Lama rüstete zu blutigen Aufständen gegen die chinesischen Garnisonen von Uljassutai und Kobdo.
Damals arbeitete er angeblich erstmals mit Ungern-Sternberg zusammen, der die mongolische Kavallerie des Bogdo Gigen geführt haben soll.
„Als Dscham Lamas Horden nach Uljassutai kamen, suchten die chinesischen Kaufleute vor der Wut der Mongolen bei den Russen Zuflucht, wobei sie ihren ganzen irdischen Besitz mit sich schleppten. Die Russen versteckten alles sehr gut samt den Chinesen, aber als die Mongolen ihre Häuser durchsuchten, empfingen sie sie mit lächelnden Mienen und schmeichelnden Worten, auf einmal erzbereit, den Mongolen zu dienen. `Ist eine Chinese hier?‘ war die ständige Frage der Mongolen… Die Russen verrieten sie fast alle. Die Mongolen erbrachen die Türen der Keller und Kammern, und Blutvergießen und Todesgestöhn war die Folge der russischen Freundschaft. Die Russen kümmerte es wenig, daß die Chinesen ihr Leben lassen mussten; sie kümmerten sich nur um die chinesischen Waren, die sie vor den Mongolen wohl zu verbergen wussten. Wochen und Monate dauerten diese blutigen Chinesenverfolgungen, bis schließlich das ganze Vermögen der Chinesen in russische Hände gelangt war.“ (Forbath S.128)
Diese Waren nutzten die Russen nun zum Aufbau eines neuen Kreditsystems, dass die Mongolen alsbald in unglaubliche Schuldknechte verwandelte und die Russen so „beliebt“ machte wie die Chinesen. Aus diesem Fremdenhass sog Ja Lama einen Großteil seiner Macht.
Auch Kobdo wurde genommen und drei Tage geplündert. Von den zehntausend Chinesen blieb keiner am Leben. Hundert schlachtete der Dscham Lama in zeremonieller Weise zur Feier des Sieges persönlich. „Die Kriegsführung von Dambijantsan war von kalkulierter Grausamkeit, die von ihm jedoch als religiöse Tugendtat angerechnet wurde. Am 6.August 1912 ließ er nach der Einnahme von Khobdo gefangene Chinesen und Sarten innerhalb eines tantrischen Ritus schlachten. Er stieß ihnen in vollem Ornat wie ein aztekischer Opferpriester das Messer in die Brust und riß mit der Linken die Herzen heraus. Diese legte er zusammen mit Teilen des Hirns und einigen Innereien in Schädelschalen, um es als Bali-Opfer den tibetischen Schreckensgöttern darzubringen.“ (Trimondi, S.609)
In den nächsten zwei Jahren übte er in der ganzen Westmongolei seine Schreckensherrschaft aus. Sein Einfluss im Lande wuchs, und Bogdo Gigen, der heilige Kaiser, ernannte ihn zum Fürsten. Nominell war er lediglich ein Stadthalter oder Gouverneur des Khutuku, aber er herrschte wie ein absolutistischer Despot. An den Wänden seiner Jurte hängte er die abgezogenen Häute seiner Feinde. Seine Grausamkeit und sein maßloser Stolz machten ihm auch reichlich Feinde. Und durch ihn war erstmals die Vorherrschaft des Bogdo Gigen über alle mongolischen Stämme des Westens herausgefordert worden.
http://english.cntv.cn/program/documentary/20120922/104356.shtml
1914 begann Ja-Lama gegen die angebahnten freundlichen Beziehungen zwischen Russland und der Mongolei zu hetzen.
Die russische Regierung schickte eine Kosakenabteilung über die Grenze. Mit einem Überraschungsangriff eroberten sie Kobdo. Sie fanden den Dscham Lama in seiner Jurte, sitzend auf einem Thron aus den Häuten der abgeschlachteten Chinesen.
Nach einigen Schwierigkeiten und durch Verrat gelang es den Russen ihn zu überwältigen und gefangen nach Russland zu schaffen. Hierzu taucht in der Legende eine Variante der oben erzählten Geschichte auf: Eine Abteilung soll er mit seinen hypnotischen Kräften irre gemacht haben. Die Kosaken fielen plötzlich in großer Wut über ihren Rittmeister her und schlugen ihn tot, weil sie glaubten, er sei der Dscham Lama. Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges blieb Ja Lama in Russland im Gefängnis.
Die mongolische Unabhängigkeit hatte gerade mal zwei Jahre gedauert. Russen und Chinesen arbeiteten zusammen, um das Land unter sich aufzuteilen. Bogdo Khan erntete die Frucht seiner Ausschweifungen und wurde zu einem syphilitischen, fast erblindeten Mann. Die Mongolei war einer der unangenehmsten und gefährlichsten Orte der Welt Anfang der 1920er Jahre. Das Gefängnis von Urga – die Zellen waren wie hochkant gestellte Särge – galt als das Schlimmste der Welt.
Nach der Revolution ließen ihn die Bolschewisten, die Ja-Lamas Fähigkeiten kannten, gegen das Versprechen frei, in der Mongolei für die bolschewistische Idee Propaganda zu machen.
Rastlos durchstreifte er die Mongolei. Die Stämme fürchteten oder feierten ihn als Wiedergeburt des legendären Freiheitshelden Amursana, der im 18.Jahrhundert gegen die Manchus focht. Angeblich hatte dieser Amursana den Schwarzen Stein des Königs der Welt nach Urga zum Bogdo Gigen gesandt. 1918 gründete er einen unabhängigen Staat „in der Gegend von Kobdo, indem er sich selbst zum König ernannte und die Anerkennung jeder anderen Autorität neben sich verweigerte. Zuweilen fiel es ihm auch ein, die Befehle des Bogdo Gigen zu übersehen. Und wenn es sich um Durchführung seiner Pläne handelte, war er in seinem Vorhaben bekanntlich nicht gerade sanft. Wer es wagte, sich ihm entgegenzustellen, wurde rücksichtslos entfernt. Die Anhänger des geheimnisvollen Kalmücken wurden blinde Werkzeuge in seinen Händen, die in abergläubischer Furcht vor ihm zitterten.
Ja Lama hatte keine Schwierigkeit, seine Macht in der Provinz Kobdo zu festigen und zu vergrößern. Er hielt sich nun für größer als den Bogdo Gigen und gehorchte ihm nur noch, wenn es ihm gefiel. Mit Beharrlichkeit bereitete er sich auf die große Abrechnung mit den Fremden vor, die sich in der Mongolei niedergelassen hatten. Er tauchte an den verschiedensten Stellen des Landes überraschend auf, und wo das geschah, fand man überall seine Spur – Russen und Chinesen mit durchschnittenen Kehlen. Es war unmöglich, schien es, ihm Widerstand zu leisten; seine hypnotische Macht schlug seinen Opfern die Verteidigungswaffe aus der Hand. Es war auch unmöglich, ihn festzunehmen oder gar zu töten, denn das Volk schützte ihn und betete ihn an“ (Forbath, S.222f.). Seinen Gegner stach er die Augen aus und bewahrte sie in einem Säckchen auf und führte die gefolterten Kreaturen, die er mit einer bestialischen Methode lebend verwesen ließ, mit sich. Wenn der Fäulnisgestank der armen Geschöpfe unerträglich geworden war, tötete er sie und ließ Überzüge aus ihrer Haut machen.
1919 schloss er sich angeblich der Soldateska von Ungern-Sternberg an, der 1920 mit seiner etwa 1000 bis 2500 Mann starken Armee aus Weißrussen, Mongolen, Burjaten, Chinesen und Tibetern in die Mongolei einfiel. Angeblich stellte er dem blutigen Baron eine Leibgarde aus besonders grausamen Tibetern zur Seite. „Später, nicht gar solange nach meinem Besuch, als die Mongolen sich gegen die blutsaugerischen Fremden erhoben, erging es den Russen nicht anders wie den Chinesen. Vergeblich erwarteten sie damals Baron Ungern-Sternberg als Erlöser, der mordend und plündernd die Mongolei durchzog.“ (Forbath, S.130)
Palmer bestreitet die Kumpanei der beiden Irren: „Falls Ungern sich je mit dem Ja Lama getroffen hat, war er wohl von ihm enttäuscht – er hatte vor seiner Ankunft in der Mongolei (1913) sein Lob gesungen, sich später aber nur noch herabsetzend über ihn geäußert – obwohl er von uhm einiges gelernt haben dürfte.“ (Palmer, S.90)
Im Westen hatte Dscham Lama die Provinz Kobdo von der restlichen Mongolei inzwischen vollständig abgespaltet. Der nur pro forma mächtige Bogdo Khan hatte die Raserei Ungern-Sternbergs und Dscham Lamas bald satt. Wahrscheinlich fürchtete er inzwischen selbst um sein Leben.
Er verbündete sich heimlich mit Sukke Bator und der Volkspartei. Er verfasste einen Hilferuf, den Sukke Bator versteckt im Griff einer Bullenpeitsche aus der Mongolei schmuggelte. Dschamsaramo, Sukke-Bator, der wahnsinnige Koibalsan und andere Kommunisten und Unabhängigkeitskämpfer reisten nach Moskau, um die Bolschewisten gegen Ungern und Ja Lama zu Hilfe zu holen. Ein guter Grund für Trotzki, die Rote Armee in die Mongolei zu schicken und die Bindung des künftigen Regimes an Moskau zu festigen. An der Spitze der Roten Armee kam Sukke Bator zurück.
Ungern hatte inzwischen das ruinierte Urga verlassen um gegen Russland zu ziehen und im Norden die Schlacht zu suchen. Die Einnahme Urgas war unproblematisch und Sukke benannte die Stadt zu seinen Ehren in Ulan Bator um.
Nach der Niederlage Ungern-Sternbergs zog sich Ja Lama mit seinen Gefolgsleuten zur Oase von Bayanbulag in der Gobi zurück. Dort gründete er die Festung Tempei Gyaltsen, die auch Nicholas Roerich auf einer Reise besuchte. Er musste vor den Kommunisten fliehen, die inzwischen mit Hilfe der Sowjets die ganze Mongolei unter ihren Machteinfluss brachten. Dagegen sammelte Dscham die „reinrassigen“, die so genannten Chalcha-Mongolen. Mit ihnen bildete er Kriegertrupps, die gegen alle Fremdlinge kämpften und die Errichtung eines Nationalstaates anstrebten, in dem nur Mongolen leben sollten. Hass gegen alles Fremde, raste nun, angeführt von Ja Lama, durch die Mongolei.
Die neue nationale mongolische Regierung musste mit den Kriegsherren und konterrevolutionären Kräften aufräumen, wenn sie überleben wollte. Sie schickten eine Abordnung zu Dscham, der sich nun wieder in Kobdo festgesetzt hatte, um ihn zur Unterwerfung aufzufordern. Mit wilder Volksverhetzung hatte er sich die Provinz zurückerobert. „Dscham Lama war beim Anhören der Regierungsbotschaft in lautes Lachen ausgebrochen. Dann starrte er die Gesandten so langte wütend an, bis sie im Banne seiner Hypnose steif dastanden und sich nicht mehr bewegen konnten. Hierauf zog er ein langes Messer hervor und schnitt jedem mit einem wilden Stoss das Herz heraus. Das ist die Art, wie man in der Mongolei Schafe tötet, und so verfuhr der hohnlachende Dscham mit der Abordnung der neuen Regierung“ (Forbath, S.224). Dies wurde der Regierung durch einen geflüchteten Urton-Reiter berichtet. Vorläufig traute sich niemand mehr, dem Ja Lama nahe zu kommen. Aber auch beunruhigende Nachrichten erreichten die neuen Machthaber: Dscham rüste zum Kriege gegen die nationale Regierung, die er nicht anerkenne.
Ende 1922 ereilte ihn endlich sein Schicksal: „Da meldete sich eines Tages Baldan Dorsche, der Kommandeur der mongolischen Staatspolizei beim Ministerpräsidenten Sukkebator und erbot sich persönlich Dscham Lama unschädlich zu machen. Natürlich wurde sein Angebot freudig angenommen, und Baldan Dorsche brach nach Kobde auf. Er kannte Dscham Lamas gefährliche hypnotische Macht und reiste daher ganz geheim und sorgfältig verkleidet. In Kobdo angekommen, hatte Baldan Dorsche keine Schwierigkeit, festzustellen, wo Dscham wohnte. Eines Nachts brachte er es fertig, an den Eingang seines Zeltes heran zu kriechen, und sich auf den Knien emporrichtend, feuerte er seinen Revolver auf ihn ab. Er wusste genau, wenn er einen Augenblick zögerte, würde er dem hypnotischen Zauber des Ungeheuers verfallen. Aber das Glück war auf seiner Seite. Sein erster Schuss genügte, um das Leben des grossen Empörers auszulöschen. Noch in derselben Nacht jagte ein Urton-Reiter mit einem an den Sattel gebundenen Sack nach Urga. Der Sack enthielt Dscham Lamas Kopf, den Baldan Dorsche der nationalen Regierung mit Respekt übersandte.“ (Forbath,S.224f.)
Eine etwas andere Version seines grausamen, aber verdienten, Endes findet sich bei Trimondi: „Die Russen schickten einen mongolischen Fürsten vor, der sich als ein Gesandter des lebenden Buddha ausgab und deswegen das Lager unbeschadet betreten konnte. In Front des ahnungslosen Rächerlamas schoss er sechs Revolverkugeln auf diesen ab. Dann riß er dem Ermordeten das Herz aus dem Leibe und verschlang es vor allen Augen, um – wie er nachträglich sagte – dessen Anhänger in Angst und Schrecken zu versetzen. So gelang ihm die Flucht. Später kehrte er mit den Russen an den Ort zurück und holte den Kopf von Dambijantsan als Beweisstück ab. Aber das Herausreißen und Essen des Herzens war in diesem Fall nicht nur ein grausames Mittel, um Furcht zu verbreiten, sondern ein traditioneller Kult der mongolischen Kriegerkaste, der schon unter Dschinghis Khan praktiziert wurde und die Jahrhunderte überlebt hatte.“ (Trimondi, S.609)
Die Kommunisten schafften die barbarischen Kulte genauso ab, wie die frühere Gesetzgebung gegenüber Dieben: Die Hand des Verurteilten wurde in einen Sack mit wilden Zwiebeln gebunden. Dann schnürte man den Sack so fest ab, dass die Hand abstarb und mit den Zwiebeln verfaulte. Dies bedeutete wochenlange Qualen, die meistens mit dem Tod endeten.
Der mumifizierte Kopf des Rächerlamas wird als Nr. 3395 unter der Bezeichnung „Kopf des Mongolen“ im Völkerkundemuseum von St.Petersburg aufbewahrt. Mumifiziert nach alter Tradition: geräuchert und eingesalzt. Den Schädel hatte der Orientalist Vladimir Kazakievitch im Auftrag des NKWD nach der Ermordung in einem Koffer aus der Mongolei geholt. Kazakievitch, der sich intensiv mit diesem mysteriösen Mann beschäftigt hatte, hinterließ wichtige Aufzeichnungen, die heute in den wieder geschlossenen KGB-Archiven vergammeln.
Forbath, Ladislaus: Die neue Mongolei. Nach Joseph Geleta’s Tagebuch. Schützen Verlag, 1936.
Trimondi, Victor u. Victoria: Der Schatten des Dalai Lama. Patmos Verlag, 1999.
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Im rechts esoterisch ausgerichteten Regin Verlag wurde der 1938 erschiene Trivialschmöker ICH BEFEHLE von einem Berndt Krauthoff neu aufgelegt. Es behandelt auf sehr freie Art das Leben des blutigen Barons Ungern-Sternberg (u.a.wird ihm eine tragische Liebesgeschichte angedichtet). Da dieser Roman heute teuer in Antiquariaten gehandelt wird, ist es erstmal erfreulich ihn für Interessierte wieder zugänglich zu machen.
Ergänzt wird die Neuausgabe durch ein Theaterstück KREUZZUG 1921 von Michael Haupt) und einem Nachwort von einem russischen „Ungern-Sternberg-Experten“, der auf Teufel-komm-raus die faschistische Ideologie zu leugnen versucht.
Kusmin behauptet allen ernstes, der Roman sei weder „deckungsgleich mit den ideologischen Standpunkten des 3.Reiches noch vertrete er „unmittelbare politische Propaganda“. Das begründet er mit Ungerns monarchistischen Haltungen und dem Respekt „den Nationen Asiens gegenüber“. Im 3.Reich wurde aber geradezu ein Kult um feudalistische Fürsten in Romanen und Filmen verbreitet. Und sowohl Tibeter wie Japaner (immerhin ein Verbündeter) waren hoch angesehen und ihre verquaste Kriegeresoterik und autoritärer Lamaismus von Himmler und seiner Ahnenerbe-Gang mystifiziert. Propagandistisch werden Japans Interessen im Fernen Osten und besonders der Mongolei durch ein behauptetes Pan-Asiatentum fälschlich dargestellt (es ging den Japanern, wie den Deutschen, um ihre Idiotenideologie vom Übermenschentum, um Raub von Bodenschätzen und Landnahme). Die Japaner strebten auf dem asiatischen Festland nie etwas anderes an als eine imperiale Vormachtstellung. Der irre Baron (genau wie seine Kumpane Semjonow und Kalmykow) waren nichts anderes als nützliche Idioten für die Interessen des Kaiserreichs – auch wenn jemand wie der Baron gelegentlich aus dem Ruder zu laufen drohte. Was degenerierten russischen (oder baltischen) Adel mit Japan und Deutschland verbindet, ist der Irrglaube an die Überlegenheit der eigenen Rasse oder Klasse.
Im weiteren Verlauf seines Aufsatzes weist Kusmin auf die zahlreichen historischen Fehler in Krauthoffs Roman hin.
Der interessanteste Teil ist Kusmins kurzer Abriss des Lebens von Ungern, da er sich auf russische und mongolische Dokumente stützt, die im Westen schwer zugänglich sind. Aber alles in allem ist dieses mangelhaft edierte Werk eher eine nette Zusatzlektüre zu Palmers Biographie.
Letztlich ist diese Edition kein Ruhmesblatt für den Verlag. Wenn dieser schon den 125.Geburtstag seines „Helden“ mit einer Neuedition von Krauthoffs Machwerk abfeiert, hätten die Lektoren zumindest einen Aufsatz zu diesem unbekannten Autor und der Rezeptionsgeschichte des Buches beisteuern müssen. Denn über den Autor erfährt man weder etwas im Netz, noch in den einschlägigen Lexika. Wer war er? Wie kam es zu diesem Buch? Warum gibt es kein weiteres Buch von ihm? Die Antworten auf diese Fragen wären bestimmt spannender als Krauthoffs Primärtext (der es immerhin zu einer amerikanischen Übersetzung in kleiner Auflage gebracht hat). So wie es ist, erinnert die Ausgabe eher an eine unkritische Fan-Edition. Man findet auch keinen – längst überfälligen – Artikel zu Ungern-Sternberg in der Populärkultur: Schließlich wurde er in Comics (Corto Maltese), zahlreichen Romanen, Thrillern (Daniel Easterman), Filmen (Sie nannten ihn Sukhe Bataar) und Fernsehserien verewigt. Der französische Filmproduzent Bober versuchte in seiner Berliner Zeit in den 1990er Jahren ebenfalls einen Film über Ungern-Sternberg auf die Beine zu stellen. Regie sollte Lars van Trier führen und die Hauptrolle Willem Defoe spielen (der aber in Berlin absagte, nachdem er van Trier-Filme angesehen hatte – was man unschwer verstehen kann). Das (mir vorliegende) Drehbuch stammte von dem in Berlin lebenden Exilschriftsteller Friedrich Gorenstein (der bei uns vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Tarkowski bekannt ist). Durch den Autor, Journalisten und Filmkritiker Ulrich von Berg war ich persönlich damals kurzfristig an dieses Filmprojekt heran geführt worden.
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1918 flüchtete er vor der Revolution nach Sibirien und schloss sich der Verwaltung der Koltschak-Regierung in Omsk an. Er war Mitglied des Finanz- und Ackerbauministeriums. Ein ziemlich korrupter Haufen, wie die gesamte Regierung und Verwaltung des weißen Admiral Koltschaks. Nach Zusammenbruch des konterrevolutionären Koltschak-Regimes mußte er wieder fliehen. Die Geschichte dieser Flucht ist in seinem Bestseller TIERE, MENSCHEN, GÖTTER Buch eindrucksvoll berichtet.
Lewis Stanton Pahlen erzählte, wie das Buch zustande kam:
„Ich bin im Herbst 1921 auf ein und demselben Dampfer mit Dr.Ossendowski, also bald nach der erfolgreichen Flucht des letzteren vor den Bolschewisten, von Asien nach den Vereinigten Staaten gefahren. Wir reisten dann zusammen nach New York und von dort nach Washington, wohin Dr.Ossendowski von der polnischen Regierung als Ratgeber der polnischen Gesandschaft für fernöstliche Angelegenheiten für die Dauer der Washingtoner Konferenz berufen worden war und wo ich Aushilfsdienste in mandschurischen und mongolischen Fragen im amerikanischen Statedepartment leisten sollte. Wir wohnten in Washington in dem selben Hotel und nahmen dort oft unsere Mahlzeiten gemeinsam ein. Während der ersten sechs bis sieben Wochen unserer Bekanntschaft hatte mir Dr.Ossendowski niemals etwas von seinen sibirischen und mongolischen Abenteuern erzählt. Dieser Mann prahlt eben nicht mit seinen Erlebnissen. Eines Abends aber brachte er mir einen wissenschaftlichen Artikel über die Flora und Fauna in Arianhai in der nördlichen Mongolei und bat mich, ihm zu helfen, die Arbeit aus dem Russischen ins Englische zu übertragen. Er erzählte mir, er müsse Geld verdienen, um seine Familie aus Rußland herauszubekommen, denn die Bolschewisten hätten ihm alles weggenommen. Als ich mit ihm den Artikel durchlas, gab ich ihm zu verstehen, daß wir durch eine derartige gelehrte Abhandlung kaum die Schreibgebühren verdienen könnten, geschweige denn die Hotelausgaben, die wir während unserer Arbeit machen würden. Gereizt rief der Doktor aus: `Wie oft muß ein Mensch sein Leben aufs Spiel setzen, bevor er genügend Material erlangen kann, um von dem lieben amerikanischen Publikum Geld zu verdienen?'“ Es ist interessant, wie zynisch Pahlen den Markt einschätzt. Das sollte allen zu denken geben, die meinen, früher hätte es keine so geschmacklosen PR-Veranstaltungen oder kalkulierte Bestseller gegeben. Pahlen weiter: „`Ihre Aquarelle sonderbarer Pflanzen und Ihre Beschreibungen der Tiere der Mongolei zeigen nicht gerade, daß Sie große Gefahren zu bestehen hatten‘, sagte ich darauf scherzend. Nun begann Ossendowski zum erstenmal von den Erlebnissen seiner Flucht zu sprechen. Durch immer neue Fragen reizte ich ihn, so daß er die halbe Nacht hindurch erzählte. Als der Morgen graute, erklärte ich ihm: `Sie brauchen bloß das aufzuschreiben, was Sie erlebt haben – damit werden Sie Ihre Familie retten.‘ Die Antwort, die er gab, war abermals für den Mann charakteristisch. `Nein, ich will nicht aus meinen Erlebnissen und Leiden Kapital schlagen.‘ Erst nach langem Drängen willigte er ein, sich die Sache zu überlegen. Am nächsten Tag während des Mittagessens entschloß er sich. Das war die Entstehungsstunde des Buches. Wir arbeiteten in der folgenden Zeit mit großer Eile, hauptsächlich in der Nacht. Denn tagsüber war er in seiner Gesandtschaft beschäftigt, ich hatte im Statedepartment zu tun. Die Zeit drängte, denn Dr.Ossendowski mußte schon in wenigen Wochen nach Europa zurückkehren. Ossendowski schöpfte im allgemeinen aus dem Gedächtnis. Er hatte vor sich zwei Notizbücher, in die er lediglich Eintragungen über die Pflanzen- und Tierwelt der Mongolei und das Hauptsächlichste seiner Unterredungen mit Baron Ungern von Sternberg gemacht hatte.“
Durch Ossendowski inspirierter Comic.
Pahlen verfasste diesen Bericht als Erwiderung auf die Angriffe Sven Hedins gegen Ossendowski und veröffentlichte ihn am 11.Oktober 1924 im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels.
„Wenn dabei, etwa im Abschnitte Tibet, einige geographischen Fehler in der Fluchtbeschreibung Ossendowskis unterlaufen sind, so ist das einzig und allein der Entstehungsart des Buches zuzuschreiben. Zudem: Dr.Ossendowski hatte nicht wie Dr.Sven Hedin einen großen wissenschaftlichen Apparat zur Verfügung, er war nichts als ein von feinen Feinden, den Bolschwisten, durch die entlegenen Gebiete Innerasiens gehetztes Wild.“
Da fragt man sich natürlich wieder, warum wohl die Bolschewisten soviel Wert auf Ossendowskis Gefangenschaft oder Tod gelegt haben sollen? Andererseits könnten seine Verwicklungen in Intrigen dafür sprechen, daß die Kommunisten mehr Gründe hatten Ossendowski gefangennehmen zu wollen, als uns der Professor wissen ließ. Zahlreiche Auseinandersetzungen in Frankreich und Deutschland machten Ossendowski zwar das Leben schwer, halfen aber auch dem Absatz des Buches. Besionders Sven Hedin arbeitete minutiös falsche geographische Angabe und ethnische Wertungen heraus. Während Ossendowskis Abenteuer in der Mongolei (und sein Portrait Ungern-Sternbergs) nicht angezweifelt wurde, waren seine Tibet-Darstellungen höchst umstritten. Ossendowski reagierte wenig überzeugend auf diese Angriffe. Er verstieg sich sogar zu der Äußerung, daß Hedin und seine Helfer von Moskau bezahlt würden, da dem Roten Regime an seinen Berichten nicht gelegen sein konnte. Sven Hedin weist in dem Bändchen OSSENDOWSKI UND DIE WAHRHEIT ziemlich genau nach, daß viele geographische Schilderungen und Erlebnisse nicht stimmen. Und daß der Teil MYSTERIUM DER MYSTERIEN „von Anfang bis zu Ende gestohlen ist, nur mit dem Unterschied, daß der Schauplatz von Indien nach der Mongolei verlegt worden ist.“ Gestohle oder Abgeschrieben aus dem Buch MISSION DE L’INDE EN EUROPE EN ASIE, das Buch, das den Sambala-Mythos in Europa einführte. Der Franzose Alexandre Saint Yves d’Alveydre war der erste Europäer der in seinem Buch MISSION DE L’INDE EN EUROPE die Legende von Agartha verbreitete.
Obwohl man es besser wissen müsste, halten sich die Gerüchte von einem geheimen und mysteriösen Land im inneren Asiens, das nur Auserwählten zugänglich ist. Die moderne Tibetschwärmerei hat damit zu tun. Gerüchte über dieses unzugängliche Reich verbreiteten sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in Europa (wahrscheinlich vermischt mit den Berichten über das schwer zugängliche Tibet). Forscher und Abenteurer stiessen immer wieder auf Sagen oder von ihnen falsch interpretierte Legenden. Diese Reiche haben so klangvolle Namen wie Shambbala, Kalapa oder Agartha. Sie sollen unter der Erde liegen und ihre Eingänge irgendwo versteckt im Himalya.
Nach dem gigantischen Erfolg von von TIERE, MENSCHEN, GÖTTER ließ Ossendowski weitere Reiseberichte folgen. Das vieldiskutierte und vielgekaufte Buch fand einen ganz besonders zweifelhaften Fan: Heinrich Himmler. Himmler hatte bekanntlich eine besondere Ader für alles Okkulte. Gut vorstellbar, dass Himmlers Interesse an Tibet, das mehrere SS-Expeditionen zur Folge hatte, durch die Lektüre von Ossendowskis Buch ausgelöst wurde. Auch für die Mongolen begeisterte sich der Reichsführer-SS, und er empfahl immer wieder enthusiastisch Michael Prawdins Tschingis-Chan-Bücher.
Ossendowski ging zurück nach Polen, lebte bei Warschau und war Lehrer an der Militärakademie des Generalstabs und der Handelsschule. Seine Ehefrau Zofia Iwanowska galt als Violinenvirtuosin. Immer wieder unternahm er Reisen – etwa nach Afrika – und berichtete von ihnen in Bestsellern. Aber vor allem seine Sibirienbücher und eine äußerst zweifelhafte Lenin-Biographie festigten seine Popularität.
Er starb am 3. Januar 1945 in Zolwin, in der Nähe von Warschau. Es gibt Gerüchte, die besagen, er wurde ermordet. Wenn es der KGB gewesen sein sollte – was nahe liegend ist -, hätte ihn zu guter letzt Moskaus langer Arm doch noch erreicht.
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Ferdinand Ossendowski wurde am 27.Mai 1876 in Witebsk, Polen geboren. Sein Vater Martin war Arzt, seine Mutter Wiktoria eine geborene Bortkiewicz. Angeblich waren die Ossendowskis eine alte adlige Familie, ursprünglich aus Ossendowice. Nachdem Ferdinand das Gymnasium absolviert hatte, ging er an die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Universität von Petersburg. Er erwarb sich während des Studiums wertvolle Kenntnisse über die Goldgruben und Erzminen Sibiriens. 1899 reiste er erstmals nach Sibirien, als Assistent von Professor Stanislaw Zaleski, der den Regierungsauftrag hatte, die Salz- und Mineralseen der Steppen von Chulyma-Minusinsk zu erforschen. Diese Reise schilderte er u.a. in seinem Buch IN DEN DSCHUNGELN DER WÄLDER UND MENSCHEN (1924). Anschließend studierte er in Paris weiter. Von 1901 bis 1903 war er Sekretär der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Erforschung der Armur Region und gleichzeitig an der Universität von Tomsk Professor für Chemie und Physik. Im Russisch-Japanischen Krieg diente er unter General Kuropatkin als Marineangehöriger und Dezernent für die Brennstoffversorgung der russischen Armee. Bis 1905 gehörte er auch zum Beraterstab des Grafen Witte; er war Beirat und Assistent für industrielle Angelegenheiten. Als Professor für organische Chemie unterrichteter er am Polytechnikum von St.Petersburg, bevor er 1905 in die russische Revolution gerissen wurde. Sein Freund Lewis Palen dazu: „Ein Kapitel seiner Lebensgeschichte, das… mit seinem rasch reagierenden Temperament durchaus in Einklang steht, ist seine Präsidentschaft in der Revolutionsregierung des fernen Ostens zu Charbin in den letzten Tagen des Jahres 1905. Als der Zar sein am 17.Oktober 1905 dem Volke gegebenes Versprechen verleugnete, fühlte sich auch Ossendowski, wie so viele russische Untertanen, aufs bitterste enttäuscht. So kam es, daß er sich bereit erklärte, die Leitung jener Bewegung im Osten zu übernehmen, die die Trennung Ostsibiriens von Rußland anstrebte. Nur 60 Tage lang wirkte er an der Spitze der Organisation für die Verwirklichung jenes Planes, unterstützt von Subkomitees in Wladiwostok, Blagowestschensk und Tschita. Als die Revolution von 1905 zusammenbrach, riß sie in ihrem Fall natürlich auch diesen östlichen Vorposten mit sich. Dr.Ossendowski mit seinen Helfern wurde gefangen genommen und vor Gericht gestellt. In der Nacht vom 15. auf den 16.Januar 1906 wurden er und die Ingenieure S.Nowakowski, W.Lepeschinski, Maksimoff, Wlasenko und K.Dreyer, der Jurist A.Koslowski und noch siebenunddreißig andere verhaftet. Obwohl er gewarnt worden und für sein Entkommen Vorsorge getroffen war, zog Ossendowski es vor, das Schicksal seiner Genossen zu teilen, indem er sich dem Gerichte stellte. Dieses verurteilte ihn zum Tode, doch wurde auf Fürsprache des Grafen Witte die Todesstrafe in zweijährige Gefängnishaft umgewandelt.
Nach seiner Verhaftung und Einkerkerung am 16.Januar war Ossendowski abwechselnd in den russischen Gefängnissen zu Charbin, Chabarowsk, Nikolajewsk und Wladiwostock, schließlich in der Peter- und Paulsfestung zu Petersburg interniert. Dadurch, daß er einen Teil seiner Strafzeit in den Gefängnissen des Ostens abdiente, verkürzte er jene zwei Jahre um ungefähr fünf Monate, so daß er am 27.September 1907 aus der Festung an der Newa entlassen werden konnte.“ Sein Verleger und Freund Palen berücksichtigt natürlich nicht die Gerüchte, dass Ossendowski vielleicht ein Agent des russischen Geheimdienstes, der berüchtigten Ochrana, gewesen war, der besonders revolutionäre Elemente auszuspionieren hatte. Seine durchgehenden politischen Überzeugungen, die Umwandlung von Todesstrafe zu einer milden Haftstrafe lassen zumindest aus kultureller und historischer Distanz Verdacht aufkommen. Auch Ossendowskis spätere Aktivitäten liefern für seine Nähe zur Geheimpolizei einige Indizien. Anders ist es kaum zu erklären, dass Ossendowski sich so intensiv von den Roten verfolgt fühlte. Nach seiner Freilassung lebte er bis 1917 vor allem in St.Petersburg, wo er seiner Lehr-und Forschungstätigkeit nachging und zahlreiche Artikel und wissenschaftliche Untersuchungen veröffentlichte. Unter dem Pseudonym Mzura schrieb er 1914 für eine Petersburger Zeitung eine Reihe von Artikeln, in denen er Adolf Dattan, Direktor der Firma Kunst & Albert in Wladiwostok, als deutschen Geheimagenten diskriminierte. Dattan wurde verhaftet und später nach Tomsk abgeschoben. Seine Unschuld stellte sich schließlich heraus, und Viktor Panow, Redakteur einer Zeitung in Wladiwostok, beschuldigte Ossendowski der bewußten Verleumdung.
Bei Ausbruch des Weltkriegs war er „vortragender Rat im Marineministerium“, und während des Krieges schickte man ihn auf eine Forschungsreise in die Mongolei, bei der er die ersten Kenntnisse der Landessprache erwarb.
Zusammen mit einem Partner war Ossendowski maßgeblich an der Sisson-Affäre, an den sogenannten Sisson-Papers beteiligt. Edgar Sisson war ein Propagandaexperte der Hearst-Presse und im Sonderauftrag an der amerikanischen Botschaft tätig. Regelmäßig berichtete er in vertraulichen Papieren über die Zustände in Rußland dem amerikanischen Außenministerium. In den an Präsident Woodrow Wilson gerichteten Berichten hieß es, dass der deutsche Generalstab die russische Revolution mitgeplant habe und die Deutsche Bank deren Finanzierung betriebe. Sisson schmuggelte diese „Beweise“ im März 1918 über den Finnischen Meerbusen in den Westen. In ihrem Buch RUSSISCH ROULETTE (Das Neue Berlin, 1998) analysierten die Autoren Gerhard Schieser und Jochen Trauptmann die Affäre: „Ossendowski hieß der polnisch-russische Kujau, der zusammen mit einem russischen Partner eine in den Details höchst unzuverlässige, im Grundsatz aber richtige Nachricht aufblies und häppchenweise für viel Geld an den Diplomaten Sisson verkaufte.“ Eine Episode, die den umstrittenen Professor zumindest als begabten Fälscher auswies.
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