Martin Compart


ES WAR EINMAL IN WASHINGTON: GEORGE P. PELECANOS by Martin Compart

Mein Nachwort zu Dumont Noir Bd.6: DAS GROSSE UMLEGEN.

Im ersten Noir-Roman seiner historischen Washington-Trilogie, THE BIG BLOWDOWN (DAS GROSSE UMLEGEN), beschreibt George P.Pelecanos die amerikanische Hauptstadt der 40er- und 50er Jahre. Damals wurden für eine Reihe Entwicklungen die Weichen gestellt, die bis heute richtungweisend sind. Der Hass der ethnischen Gruppen untereinander, die alle auch kriminelle Fraktionen bilden, ist natürlich über das historische Washington hinaus aktuell. Genauso das Abgleiten perspektivloser Jugendlicher, die ihre neue Welt noch nicht richtig verstehen, in Gangs, um sich gegen reale wie vermeintliche Bedrohungen von Außen zu verteidigen.

Pelecanos schreibt über die Stadtteile der amerikanischen Hauptstadt, vor denen uns die Reiseführer warnen, falls sie überhaupt erwähnt werden.

Er ist Washingtoner griechischer Herkunft, hat die US-Klassiker des proletarischen Romans wie THIEVES LIKE US von Edward Anderson oder THIEVES MARKET von A.I.Bezzerides genauso studiert wie Hammett und Chandler. Seine Romane beleuchten die Machtzentrale Washington D.C., wie man diese Stadt bisher noch nicht in der Literatur gesehen hat. Es ist die Welt der Immigranten und Sklavennachkommen, die sich mehr schlecht als recht durchbeißen, um einen Stück vom Kuchen des amerikanischen Traumes herunterschlucken zu können.

Der 1957 geborene Pelecanos hat eine eigene originelle Stimme und ein eigenes Thema, von dem er geradezu besessen scheint. „Meine Idee war, als ich begann, über die Arbeiterklasse Washingtons zu schreiben in der Form des Kriminalromans. Meines Wissens hat das bisher keiner getan. Wenn Washington das Thema von Romanen oder Thrillern ist, dann geht es nur um hohe Politik oder einen verrückten Militär, der den roten Knopf drücken will. Es ist meine Lebensaufgabe geworden, über das wahre Washington vor den verschlossenen Türen zu schreiben. Durch alle Jahrzehnte unseres Jahrhunderts hindurch.“

Pelecanos Vater kam als Kleinkind in die USA. Die ganze Familie arbeitete in der Billiggastronomie, und George wuchs in den Küchen, Bars und Coffeshops der griechischen Einwandererszene auf. Ab dem zehnten Lebensjahr half er seinem Vater in den Sommerferien. „Ich tat dies mein ganzes Leben, bis ich Schriftsteller wurde.“ Nach seinem Kunststudium nahm er eine Reihe unterschiedlicher Jobs an.

1989 kündigte er seinen Job als Manager einer Kette von Haushaltsgeschäften, um einen Roman zu schreiben. Für den Lebensunterhalt arbeitete er nachts in einer Bar im Nordwesten Washingtons. Der Roman erschien 1992 unter dem Titel „A Firing Offense“ und war der erste einer Trilogie um den Washingtoner Privatdetektiv Nick Stefanos.

Ihm gelang mit den drei Stefanos-Romanen, was inzwischen zu den schwierigsten schriftstellerischen Aufgaben gehört: neue Funken aus einem Klischee strotzenden Subgenre zu schlagen. Die Private-Eye-Novel stand Jahrzehnte unter dem übermächtigen Einfluss von Raymond Chandler und war schon fast in Stereotypen erstickt als Ende der 1970er Jahre und in den 80er Jahren Autoren wie Robert.B.Parker, Lawrence Block, Loren D.Estleman, Marcia Muller, James Crumley, Joe Gores, Joseph Hansen und einige andere neue Wege gingen. Aber ob Regionalismus-Trend, neuer Realismus oder harte weibliche Privatdetektive, in den 90er Jahren schien der Privatdetektivroman wieder in einer Sackgasse gelandet zu sein. Pelecanos schrieb mit der Stefanos-Trilogie einen im Regionalismus verwurzelten Entwicklungsroman, dessen Hauptperson jenseits abgedroschener Klischees angesiedelt war.

„Ich liebe das Genre. Ich wurde an der Universität, ich war an der University of Maryland, durch einen Lehrer damit bekannt gemacht. Von da an las ich mehrere Bücher pro Woche zehn Jahre lang. Und dann dachte ich mir, ich könnte selbst einen Privatdetektivroman schreiben. Aber ich hatte natürlich keine Ahnung von der Arbeit als Privatdetektiv. Also besann ich mich auf meine proletarischen Wurzeln und die Milieus, die ich kenne. Ich hatte auch eine ganze Reihe Romane gelesen, die eher an der Peripherie des Genres angesiedelt sind: THIEVES LIKE US von Edward Anderson, THIEVE’S MARKET von A.I.Bezzerides und die Bücher von Horace McCoy. Ich kannte diesen proletarischen Moment in der Hard boiled novel. Ich wollte nicht irgendwas Originelles erfinden oder konstruieren, ich schrieb nur aus einer anderen Perspektive über bisher literarisch nicht beachtete Milieus.“

Damit gab Pelecanos die Perspektive der Mittelklasse, die den Privatdetektivroman von Chandler bis Sue Grafton, Parker oder Sarah Paretsky beherrschte, auf. Aber Pelecanos sagt auch: „Heute nicht zuzugeben, dass Chandler die Standards vorgab, wie es einige Autoren tun, ist völliger Unsinn. Jeder von uns PI-Autoren schuldet oder verdankt ihm etwas.

Anders als bei den üblichen Privatdetektivromanen schrieb Pelecanos nicht dasselbe Buch mehrmals: in jedem der drei Stefanos-Romane macht der Protagonist eine radikale Veränderung durch, die aus seinen Erfahrungen rührt. „Wenn ich ein Buch in die Hand bekomme, dessen Klappentext behauptet, der Autor sieht sich als geistiger Nachfolger von Chandler, möchte ich es am liebsten an die Wand schmeißen. Ich bin sicher, Mr. Chandler würde von einem jungen Autor erwarten, dass er etwas neues, anderes wagt, selbst mit dem Risiko zu scheitern. Ich achte die Regeln des Genres, aber genauso ist es mir wichtig, diese Regeln zu verändern, ich will die Konventionen solange zusammenpressen, bis Blut herausläuft.

Den Kosmos, den Pelecanos in seiner Stefanos-Trilogie, entwickelt hat, nutzt er auch für spätere Bücher: Im GROSSEN UMLEGEN etwa taucht Nicks Großvater Big Nick Stefanos auf, und Nick selbst ist ein Baby. Das gibt seinem Gesamtwerk eine zusätzliche Dimension epischer Breite und seinem Jahrzehnte überspannenden Sittenbild glaubwürdige Geschlossenheit.

Über DAS GROSSE UMLEGEN sagt er:
„Der Anfang ist eigentlich die Geschichte meines Vaters. Er kam aus Griechenland und lebte in Washingtons Chinatown. Damals kein reines Chinesenviertel, sondern der übliche Ort, wo sich arme Immigranten niederließen. Im 2.Weltkrieg ging mein Vater zu den Marines; er nahm an den Nahkämpfen auf Leyte teil. Peter Carras im Roman kehrt aus dem Krieg zurück und schlägt dann einen anderen Weg ein als mein Vater, der seine Familie hatte. DAS GROSSE UMLEGEN wurde mein Big Book, mein großer Gangsterroman. Es schrieb sich von selbst und ist immer noch mein Lieblingsbuch. Naja, ganz von selbst schrieb es sich natürlich nicht. Ich verbrachte Monate im Washingtonraum der Martin Luther King-Bibliothek und fraß mich durch Zeitungen von damals. Mich interessierte natürlich alles über die Kriminalität. Es gab keine richtig große Gang, obwohl es natürlich organisiertes Glücksspiel gab und enge Verbindungen mit New York zum Costello-Syndikat. Außerdem sprach ich mit älteren Leuten, die sich noch gut an die Zeit erinnern konnten. Dann setzte ich mich hin und schrieb das Buch in vier Monaten. Der Film noir der 40er Jahre beeinflusste mich sehr stark bei diesem Roman.“

Der nächste Band der Trilogie, KING SUCKERMAN, spielt in den 70er Jahren mit Pete Karras‘ Sohn Dimitri als einen der Protagonisten.
„Das war meine große Zeit. Das Buch spielt in der Woche der großen Zweihundertjahrsfeiern 1976. Ich war 19 Jahre alt und es war mein Sommer. Ich glaube, jeder Mensch hat einen großen Sommer, in dem alles großartig ist. Ich erinnere mich an jedes Detail. Das Buch ist in einem völlig anderen Stil geschrieben als DAS GROSSE UMLEGEN. Viel lockerer, weil es eine Zeit darstellt, in der ich gelebt habe und die ich nicht mühselig recherchieren musste. Mich haben besonders diese radikalen Veränderungen in der Kultur innerhalb von dreißig Jahren fasziniert. Ein Mann in den 40er Jahren band sich einen Windsorknoten und setzte einen Fedora auf, bevor er aus dem Haus ging. Man muss sich mal vorstellen, er ginge aus dem Haus und würde in den 7oer Jahren landen. Alleine wie die Leute gekleidet waren, wäre ein Schock für ihn gewesen. Wie bei dem GROSSEN UMLEGEN der Film noir ein Einfluss war, schlugen sich bei KING SUCKERMAN das schwarze Actionkino der 70er Jahre, die blaxploitation movies nieder. Der letzte Band der Trilogie heißt THE SWEET FOREVER und spielt 1986.“ In diesen Büchern vermittelt Pelecanos neben der crime story auch die Tragödie, dass keine Generation der nächsten ihre Erfahrungen wirklich vermitteln kann. „Ja, es ist ein Moment der Tragödie, denn man ahnt oder weiß, was passieren wird, weil die eine oder andere Person nicht zuhört, was ihm der Ältere zu vermitteln versucht.“

Neben seiner Karriere als Schriftsteller arbeitet Pelecanos noch in der Filmbranche. „Auf einem Hongkong-Festival am American Film Institute hatte ich THE KILLER von John Woo gesehen und war tief beeindruckt. Als ich erfuhr, daß Jim und Ted Pedas die amerikanischen Vertriebsrechte für Circle Films gekauft hatten, meldete ich mich bei ihnen. Ich wollte eigentlich nur die Promotion für diesen einen Film machen, blieb aber dann bei Circle Films.“ Circle Films vertrieb BLOOD SIMPLE der Coen-Brüder und produzierte für die Coens RAISING ARIZONA, MILLER’S CROSSING und BARTON FINK. „MILLER’S CROSSING ist im Grunde eine Adaption von Dashiell Hammetts RED HARVEST und THE GLASS KEY. RED HARVEST ist oft für das Kino adaptiert oder geklaut worden:von Kurosawas YOYIMBO bis zu Sergio Leones EINE HANDVOLL DOLLAR und Walter Hills LAST MAN STANDING.“ Pelecanos war Co-Produzent bei Bob Youngs Film CAUGHT mit Edward James Olmos, „eine Art James M.Cain-Geschichte mit der Musik von meinem alten Idol Curtis Mayfield“. Zuletzt produzierte er WHATEVER, der von Sony Pictures gekauft wurde. Es liegt nahe, daß Pelecanos Romane selbst als Filmvorlage dienen könnten. „Meine Agentin trommelt dafür. Mein non-serie-Roman SHOEDOG ist unter Option, aber ob er wirklich verfilmt wird, steht in den Sternen. Ich habe das Drehbuch geschrieben, und ich schrieb die Drehbuchadaption von DAS GROSSE UMLEGEN. Ich wollte nicht, daß ein anderer das macht. Das Buch steht mir und meiner Familie zu nahe. Es geht um echte Menschen, nicht um Stereotype.“

P.S.: Pelecanos hat 2000 mit SHAME THE DEVIL noch einen Band nachgelegt und somit wurde aus der Trilogie eine Tetralogie.

http://zerberus-book.de/



EL CHAPO, TV-Serie by Martin Compart
19. Februar 2019, 9:30 am
Filed under: MiCs Tagebuch | Schlagwörter: , ,

MiCs TAGEBUCH: El Chapo liveticker – Gedankengewitter während Staffel 3.
Jetzt auf: https://crimetvweb.wordpress.com/



Interview mit Michael Contre zu DESPERADO by Martin Compart

DESPERADO

Angesichts des Erscheinens von DESPERADO traf ich mich mit dem Autor Michael Contre (natürlich ein Pseudonym) stilgerecht in einer der kleinen Hafenkneipen mit Pension in Antwerpen. Hier wurden 1964 viele Söldner für den Kongo rekrutiert. Der richtige Ort für Pastis und ein Gespräch über sein Buch, das den afrikanischen Weltkrieg reflektiert.

Warum ausgerechnet der Kongo, das interessiert doch niemanden?

Mich empört die unerträgliche Situation in Kivu (das stellvertretend für alle rohstoffreichen Regionen steht), trotz politischer Instabilität und mörderischer Zustände ist der Ostkongo perfekt in das globale Wirtschaftssystem integriert. Die Tyrannei des Marktes dominiert alles und jeden und darum ändert sich auch nichts, solange sich das System nicht ändert. Von dessen Alternativlosigkeit heute inzwischen jeder überzeugt zu sein scheint, sofern er oder sie überhaupt darüber nachdenken.

Und der Held der Geschichte, denkt er darüber nach?

Gezwungenermaßen. Den Begriff „Held“ finde ich übrigens unpassend, er wird inflationär verwendet und dazu noch falsch. Helden opfern sich für andere und müssen zwangsläufig sterben. Der Protagonist, der Mann, der sich Roland Burget nennt, ist kein Held, sondern ein enttäuschter Revolutionär, der zu einem abgebrannten Abenteurer verkommen ist und nach Nord-Kivu geht, um endlich ans große Geld zu gelangen. Was er dort erlebt, konfrontiert ihn mit seinen längst verloren geglaubten Idealen und stürzt ihn in eine tiefe existenzielle und existenzialistische Krise. Das will er natürlich nicht wahrhaben. Er will wie jeder von uns sein unbedeutendes Scheißleben behalten.

Der Mann, der sich Roland Burget nennt? Er heißt nicht so?

Roland Burget ist ein „Kampfname“, wenn Du so willst, eine falsche Identität, nicht unüblich bei Söldnern und Glücksrittern seiner Art.

Was sind seine persönlichen Gründe?

Er hat sich in seiner Jugend für die falschen Ziele engagiert und musste seine Heimat verlassen.

Und weiter?

Nichts weiter.

Warum nennt er sich ausgerechnet Roland Burget?

Weil Namen zum Charakter passen müssen. Wir leben in einem Zeitalter, wo einerseits jeder glaubt, sich neu erfinden zu können – Persönlichkeit als Eigenschöpfung und etwas bewußt Veränderbares proklamiert wird – und andererseits der Name als Marke fungiert, unter der sich der Einzelne „vermarktet“. Der Wert einer Ware ist allein abhängig von ihrem Vermarktungspotenzial. Damit hat der Mensch, genau wie alles Leben an sich keinen Wert mehr. Willkommen in der Gesellschaft des Spektakels 3.0.

Was ist mit Deinem Pseudonym?

Ich halte es mit Jean-Pierre Melville, der sagte, jeder hat das Recht seinen eigenen Namen zu wählen, und beziehe mich auf B. Traven, sinngemäß: es zählt das Werk und nicht der Autor. Für Burget hingegen ist die Anonymität ein Muss, ihm bleibt nichts anderes übrig.

Burget hat sich demnach strafbar gemacht?

Was heißt strafbar? Burget hielt die gesellschaftlichen Zustände für inakzeptabel und wollte sie verändern.

Was wollte er denn ändern?

Keine Atomkraftwerke, die Ausbeutung und die Umweltzerstörung stoppen. Hat nicht geklappt.

Jetzt ist er genauso korrumpiert wie alle?

Darunter leidet er, was ihn von vielen zynischen Zeitgenossen wohltuend unterscheidet.

Was erwartet den Leser bei DESPERADO?

Ein Höllenritt, wie Arthur Simpson gesagt hat. Eine schonungslose Abenteuerreise durch Nord-Kivu und Ruanda mit ungewissem Ausgang und hoffentlich einer Menge Spaß.

Ausgerechnet Spaß?

Wer angesichts der Absurdität unseres Daseins nicht lachen kann, ist in der Hölle der eigenen Gedanken gefangen. Einer meiner Lieblingssätze stammt von Rafael Sabatini: „He was born with the gift of laughter and a sense that the world is mad.“ Frei übersetzt: Er war mit der Gabe des Lachens geboren und der Erkenntnis, dass die Welt verrückt ist. Wo gibt es heute noch solche Charaktere?

In welcher literarischen Tradition siehst Du Dich?

Des Roman noir und dem Absurden? Keine Ahnung. Geschichten sind für mich Metaphern fürs Leben, der Versuch, die Welt zu verstehen und Stellung zu beziehen. Jedenfalls gefällt mir die Aussage von John Ralston Saul sehr gut: „Autoren sind dann am besten, wenn sie Terroristen sind, soziale Terroristen, manchmal politische Terroristen und Terroristen des Herzens.“ Über die ersten beiden literarischen Formen des Terrors bin ich mir klar, die dritte deute ich für mich als das große Hadern mit der Welt, die Unvereinbarkeit von „rational etwas nachvollziehen zu können“, es aber „emotional einfach nicht akzeptieren zu wollen“. Ist das die Tradition der Aufklärung oder der Rebellion?

Welche Autoren haben Dich am stärksten beeindruckt? Und welche – glaubst Du – am meisten beeinflusst?

Beeindruckt haben mich eine ganze Menge. Manche nur mit einzelnen Sätzen oder bestimmten Momenten. Mein erstes literarisches Aha-Erlebnis war For Whom the bell tolls von Hemingway. Der beschrieb ein Gefühl, das exakt meinem eigenen Empfinden entsprach. Das war nichts Besonderes, nur sehr fein beobachtet, ein kleines Gefühl am viel zu frühen Morgen. Ich war der Meinung, das hat Ernest nur für mich geschrieben. Am meisten beeinflusst haben mich sicherlich Dashiell Hammett, Albert Camus und Jean-Patrick Manchette. Vor allem Manchette als Autor, Theoretiker und politischer Mensch. Raymond Chandler und Chris Hedges möchte ich hier auch nennen. Handwerklich begeistern mich Richard Stark und Elmore Leonard. Es gibt noch viele mehr, wie F. Scott Fitzgerald, B. Traven, Kurt Tucholski, der eine großartige Eloge auf Traven geschrieben hat. Und dann ist da noch David Milch, der war lange Zeit mein absoluter Schreibguru, durch ihn habe ich ganz zentrale Dinge begriffen.

Hast Du ein weiteres Buch in der Pipeline?

Desperado hat einen Folgeband, der im nächsten Jahr, 2020, kommen wird. Vorher erscheint der erste Band eine neuen Actionthriller-Serie mit einem Typen, der sich für dreckige Jobs gegen Bares anheuern lässt, dessen persönlicher Code aber zwangsläufig mit seinen Auftraggebern kollidiert. Ich mag Leute, die gegen den Strudel, der sie gnadenlos hinunterzieht ankämpfen.

Das Gespräch war beendet. Die Chimären alter Söldner und Katanga-Gendarmen hatten sich im Pastis-Nebel verfestigt. Es war an der Zeit, im Bauch der Stadt durch die Nacht zu gehen, in dem sich so viele tummelten, von denen Graham Greene, Céline oder Eric Ambler erzählten …

http://zerberus-book.de/



ZU UNRECHT VERGESSENE SONGS by Martin Compart
15. Februar 2019, 2:58 pm
Filed under: Zu Unrecht vergessene Songs | Schlagwörter: ,



MiCs Tagebuch by Martin Compart
9. Februar 2019, 10:40 am
Filed under: TV-Serien | Schlagwörter: , ,

MiCs Tagebuch – Februar 2019

EL CHAPO im Liveticker

in CRIME-TV unter https://crimetvweb.wordpress.com/2019/02/09/mics-tagebuch-februar-2019-el-chapo-im-liveticker/

„Baut die Mauer hoch genug, Gringos.“



KISS KISS, BANG BANG – Eine Geschichte des Golden Age of Thrillers by Martin Compart


Dies ist ganz klar ein Buch für mich – eines, auf das ich lange gewartet und mit dem ich kaum noch gerechnet habe.

Deshalb habe ich es auch fast zwei Jahre nicht in die Hand genommen und auf den „Belohnungsstapel“ gelegt. Dort darf immer zugegriffen werden, wenn man zu viel Mist gelesen oder eine gute Tat vollbracht hat.
Nach etwa einem Jahr des Stapelabtragens war ich nun endlich bei Ripleys wunderbaren Buch. Es führt mich zurück in ein Königreich, in dem ich verdammt viel Zeit verbracht habe, und das mich bis heute mit schönsten Erinnerungen beschenkt:
Etwa in die Zeit des Schulschwänzens „wegen lesens“ (als man Maturins MELMOTH natürlich nur an verregneten Vormittagen in einer Burgruine lesen konnte, während andere sich im Mathematikunterricht foltern ließen). KISS KISS, BANG BANG ist deshalb für mich auch eine persönliche Zeitreise.

Für Genre-Historiker ist es ein wichtiges Buch! Denn über den Thriller der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts wurde viel gearbeitet. Aber das wahre Golden Age wurde bisher nicht wirklich zusammenhängend dargestellt (natürlich gibt es massenhaft Sekundärliteratur zu LeCarré, Deighton, 007 usw., aber ganz wenig zu der vermeintlich zweiten oder dritten Garde). Zu Recht wurde Ripley auch für diese Pionierarbeit ausgezeichnet.
Das launige Vorwort ist von Lee Child, der sich in dieser Tradition sieht.

Worum geht es?

Um die Zeit ab den frühen 1950ern, in der die britischen Thriller-Autoren fast alle westlichen Bestsellerlisten dominierten. Die Rede ist vom Abenteuer- oder Agenten-Thriller, nicht etwa vom klassischen Detektivroman.

Mike Ripley grenzt das „Golden Age“ ein auf die Jahre von 1953 (erscheinen des ersten Bond-Romans) bis 1975 (er setzt als Endpunkt Jack Higgins THE EAGLE HAS LANDED). Man könnte noch einige Jahre dran hängen, aber Ripley meint, dass mit dem Aufkommen etwa der amerikanischen Conspiracy-Thriller (Ludlum) und Techno-Thriller (Clancy) die absolute Dominanz der Briten im Genre gebrochen wurde. Meinetwegen.

Das Buch behandelt ca. 160 Autoren (neben Briten auch ein paar Südafrikaner und Australier), die heute zum Großteil in Vergessenheit geraten sind. Natürlich werden auch die inzwischen als Klassiker gewerteten Autoren, wie Fleming, Deighton, Francis, Forsyth, Ambler usw., behandelt. Aber da es über diese Autoren genügend Literatur gibt, bemerkt Ripley richtig, habe er sich auf die Unbekannteren konzentriert.

Da ich einige dieser Autoren seit den 1960er Jahren gelesen habe, kann ich häufig Ripley zustimmen: Darunter sind verborgene Klassiker, umwerfende Spannungsromane, die trotz der verstrichenen Zeit nichts von ihrer Faszination verloren haben. Ich nenne hier nur mal Gavin Lyall, Geoffrey Jenkins, Adam Hall, Alan Williams, Berkeley Mather, James Mitchell(Munro), Francis Clifford.

Es gab und gibt in dem Buch vieles zu entdecken, und bei der Lektüre wuchs meine Leseliste. Beim Wieder- oder Erstlesen ist die hohe Qualität vieler Autoren verblüffend! Dagegen wirken die meisten Thriller der Gegenwart wie elaborierter Schund.
Da merkt man deutlich, wie der PC bei Autoren zum disziplinlosen Schreiben verführen kann (ich fragte in den 1980ern mal Gavin Lyall, warum Desmond Bagleys neue Romane langsamer und dicker würden. Gavin: „He bought a word processor.“). Diese Thriller – egal, von welcher Qualität – verzichten zumeist auf retardierende Momente und gehen direkt nach vorne und beschleunigen zunehmend. Die Besten können einen auch heute noch atemlos und tief in den Lesesessel pressen. Obwohl die meisten Autoren (schon aus Altersgründen) die „Beatkultur“ gehasst haben (dafür gibt es in den Texten genügend Andeutungen, Häme und Hinweise), entsprachen ihre schnellen literarischen Beats dem Rhythmus der Zeit. So wie die YARDBIRDS mit ihren Klängen uns in ferne Sphären trugen, führten diese Autoren in exotische Länder, Katastrophen und fremde Mentalitäten.
Faszinierend sind auch die unterschiedlichen Themen und Stile der Autoren! Dank dieser Vielfalt verdient die Epoche wahrlich das Etikett „Golden Age of Thrillers“.

England hatte den Krieg gewonnen und den Frieden verloren. Das Empire brach auseinander, das Land war wegen der Kriegskosten hochverschuldet und Lebensmittelmarken (für bestimmte Produkte) gab es noch bis Anfang der 1960er (im Gegensatz zum Verliererland Deutschland).
Trotzdem errichteten die Briten einen Sozialstaat, der im Westen unvergleichlich war (und spätestens seit Thatcher, Tony Blair und dieser ganzen Neo-Con-Bande zerstört wurde). Jeder hatte Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung; die Gewerkschaften waren extrem stark, Vollbeschäftigung, Trümmergrundstücke.

Laut vielen Briten, die in den 1950ern aufwuchsen, gab es nur ein Problem: England war stinklangweilig (was war denn dann erst Deutschland mit seinen Fress- und Wirtschaftswunder-Kapitänen, die aus dem 3.Reich direkt in die Chefetagen wechselten?).

Ripley bemerkt für sich und viele seiner Altersgenossen: Das einzig spannende waren Rock´n Roll und Thriller. Dafür konnte man sein Taschengeld ausgeben. Ripley gab mehr für Paperback-Thriller aus, denn da bekam man zwei für den Preis von einer Single „At least that was my thinking until I discovered girlfriends, and the Rolling Stones recorded BEGGAR´S BANQUET.“ In diesem launigen und unterhaltenden Ton plaudert er das Buch hindurch und erzählt bisher unerzähltes, intelligentes, verblüffendes, spannendes, triviales, erhellendes.
Ein Buch, von dem der Fan hofft, es möge nie enden. Wie jeder gute Kritiker hat der Schriftsteller und Rezensent Mike Ripley ein feines Gespür für Drama.

Es ist nicht immer das analytischste oder systematischste Buch (den Anspruch erhebt Ripley auch nicht, nennt es „seine Lesergeschichte“), aber immer wieder voller erstaunlicher Fakten und Kenntnisse: Etwa, dass FROM RUSSIA WITH LOVE 1957 mit einer Auflage von 15 000 Hardcover gestartet wurde, während Alistair MacLeans GUNS OF NAVARONE alleine in den ersten sechs Monaten 400 000 Exemplare verkaufte!

Ripley ordnet Thriller und Autoren immer in den historischen Kontext ein, zeigt die soziologischen und politischen Spannungen auf, die sich direkt oder indirekt auf die Literatur auswirkten.

Er behandelt die Abenteuer-Thriller und Agentenromane (richtig unterschieden in Spy Novels, wie etwa Deighton, und Spy Fantasy, wie Bond), die millionenfach in Paperbacks die westliche Lesewelt zwei Jahrzehnte überfluteten. „Kiss Kiss, Bang Bang is a ‘reader’s history’ – specifically this reader – of a particular period, roughly 1953-1975, when British thriller writers ruled the world.”

Ripley streift und würdigt auch die Arbeit von Cover-Designern wie Raymond Hawkey, die für den speziellen look der Thriller verantwortlich waren. Was gäben diese Cover einen prächtigen Bildband ab!

Die Helden dieser Romane sind von unterschiedlicher politischer Couleur, so wie ihre geistigen Väter.
Lediglich bekennende Faschisten oder Kommunisten sucht man vergebens. “Their heroes regularly confronted Nazis, ex-Nazis and proto-Nazis, the secret police of any and all communist countries and a variety of super-rich and power-mad villains, traitors, dictators, rogue generals, mad scientists, secret societies and ruthless businessmen.”

Ripleys Buch ist ein Anfang, diese Epoche weiterhin zu untersuchen. Aber bis auf weiteres muss es als Standardwerk des britischen Thrillers in dieser Zeit gelten. Nächste Kundschafter sollten vielleicht den Zeitrahmen bis zum Ende des Kalten Krieges ausdehnen.

LESELISTE – Die unten stehenden, fast vergessenen Titel, will ich unbedingt wiederlesen und als Tipps weitergeben. Und das ist nur eine ganz kleine Auswahl!


Geoffrey Jenkins: A Twist of Sand, 1959.

Geoffrey Jenkins: The River of Diamonds, 1964.

Lionel Davidson: The Rose of Tiber, 1962.

Anthony Lejeune: Glint of Spears, 1963.

Alan Williams: Snake Water, 1965.

Gavin Lyall: The Most Dangerous Game, 1966.

Gavin Lyall: Midnight Plus One – und eigentlich jedes andere Buch von ihm!

James Munro: The Man Who Sold Death, 1964.

Peter Driscoll: The Wilby Conspiracy, 1972.

Peter O´Donnell: A Taste for Death, 1969.

Derek Marlowe: A Dandy in Aspic, 1966.

Duncan Kyle: A Cage of Ice, 1970.

Duncan Kyle: Black Camelot, 1978.

Desmond Bagley: High Citadel, 1965.

Desmond Bagley: The Vivero Letter, 1968 (u.v.m.).

Alistair MacLean: HMS Ulysses, 1955.

Ian Stuart: The Satan´s Bug, 1962.

Francis Clifford: Honour the Shrine (Kriegsroman; Birma), 1953.

Francis Clifford: All Men Are Lonely Now, 1967.

Victor Canning: Black Flamingo, 1962.

Clive Egleton: Seven Days to a Killing, 1973.

Desmond Cory: Feramontov-Quintet, 1962-71.

Anthony Price: Other Paths of Glory, 1974.

Andrew York: The Eliminaror, 1966.

Adam Diment: The Dolly Dolly Spy,1967.
https://martincompart.wordpress.com/category/adam-diment/

Brian Freemantle: The Man Who Wanted Tomorrow, 1975.
https://martincompart.wordpress.com/category/brian-freemantle/

Adam Hall: The 9th Directive,
https://martincompart.wordpress.com/category/klassiker-des-polit-thrillers/adam-hall/

Len Deighton: The Ipcress File, 1962.
https://martincompart.wordpress.com/2009/05/15/krimisdie-man-gelesen-haben-sollte/

Berkeley Mather: The Pass Beyond Kashmir, 1960
https://martincompart.wordpress.com/category/berkeley-mather/