Martin Compart


WISEGUY – DIE ERSTE ARC-SERIE by Martin Compart
21. August 2016, 1:54 pm
Filed under: Drehbuch, Noir, TV, TV-Serien, WISEGUY | Schlagwörter: , , , ,

wiseguy09m[1]

 

2011 wollte NBC die Serie neu auflegen, die alles. was heutige US-Quality-Serien ausmacht, vorweg nahm: WISEGUY von Stephen J.Cannell, einem der Genies des US-Fernsehens- Bisher kam es nicht dazu.

Die Serie ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der TV-Serien. Es gibt lediglich eine befriedigende Auswertung als DVD-Box, in Deutschland gibt es nicht mal eine DVD-Veröffentlichung. Zum Glück findet man auf Youtube einige Folgen.

Bevor ich sie zu sehen bekam, schwärmte mir bereits Max Allan Collins (im September läuft auf Cinemax eine achtteilige Serie nach seinen QUARRY-Romanen an) von ihr vor und sagte in weiser Voraussicht, dass sie das TV revolutionieren würde. Das hat dann allerdings noch über ein Jahrzehnt auf sich warten lassen – bei den Amerikanern wohlgemerkt; die Briten machen seit den 1950ern Quality-Serien, nie neue Wege bestreiten. Die Deutschen nie.

Es ist bezeichnend für die Qualität von Büchern über die „neuen Quality-Serien“, wenn WISEGUY dort nicht erwähnt wird. Das ist dann so, als würde man ein Buch über das Römische Reich verfassen, ohne die Etrusker zu erwähnen.

Steven_Cannell_3[1]WISEGUY ist bekanntlich ein Slangausdruck für Gangster. Im Mittelpunkt der Serie steht der Polizei-Held der 80er Jahre: der Undercover-Cop, der sich als Verbrecher getarnt in Gangsterkonzerne einschleicht. Anders als die MIAMI VICE-Luxusagenten ist Vinnie Terranova, hinreißend gespielt von Ken Wahl, eine wirklich bedauernswerte Existenz. Er kann nicht zwischendurch Luft schöpfen und sich erholen, sondern muss als Perspektiveagent ganz in seiner Rolle aufgehen. Selbst seine sich grämende Mutter hält ihn für einen faulen Apfel. In den ersten neun Folgen, die in Fortsetzungen die erste Geschichte erzählen, wird der durch Terranova/Wahl mit verursachte Niedergang des Atlantic-City-Boß Sonny Steelgrave (der inzwischen verstorbene Ray Sharkey in exzellenter Form) erzählt.186509942_wiseguy-tv-show-ken-wahl-7x9-photo-a5860-entertainment-[1]

Um eine wirklich wasserdichte Legende zu erhalten, musste Terranova, Agent des Organized Crime Bureau des FBI, eine achtzehnmonatige Haftstrafe absetzen, bevor ihn sein Führungsoffizier Frank McBride (Jonathan Banks, zuletzt bestechend in BREAKING BAD) auf Steelgrave ansetzt. Tatsächlich entsteht zwischen Cop und Gangster eine freundschaftliche Beziehung. Und als der Gangster auch noch Terranovas krankes Muttchen Anteil nehmend besucht, kommt es beim Undercover-Cop zum moralischen Dilemma. Während sein Führungsoffizier ihn mit äußersten Misstrauen und ohne Mitleid jederzeit verheizen würde, findet er auf der Seite seiner Opfer die eigentlichen Freunde.

Die an originellen Nebenhandlungen und Details ungeheuer einfallsreiche Serie läuft hier zur Hochform auf. Fast wird dem Zuschauer der Eindruck vermittelt, dass es im Geschäftsleben der Gangster menschlicher zugeht, als im Umgang mit staatlichen Institutionen. Und kein Zweifel gibt es darüber, dass legale wie illegale Geschäfte von Leuten gemacht werden, die Macchiavellis PRINCIPE unterm Kopfkissen liegen haben.

WISEGUY war eine subversive Serie, die immer wieder das System hinterfragte.

WISEGUY hat eins völlig neues Konzept in die Krimi-Serien gebracht: Nicht mehr in Einzelepisoden oder Doppelfolgen werden die Geschichten erzählt, sondern in Zyklen, die sich  bis zu 13 Folgen hinziehen, sogenannte „Arcs“. Das erlaubt natürlich viel größere Tiefe in der Charakterisierung der Personen und größere Komplexität der Handlung.

Damit war WISEGUY ein weiterer „Vorläufer“ der sogen. HBO-Revolution.

 

Mit MIAMI VICE und CRIME STORY gehört WISEGUY zu den besten Serien der 80er. Alle drei bieten so etwas wie eine chronologische Analyse des Organisierten Verbrechens: in CRIME STORY wurde erzählt, wie sich Anfang der 60er Jahre die Mafia in legale Geschäfte einkaufte und durch Glücksspiel (Las Vegas) und Rauschgift zu einem Wirtschaftsfaktor wurde. Die ebenfalls von Michael Mann produzierte Serie MIAMI VICE zeigte, wie  der großangelegte Rauschgifthandel der 80er Jahre illegales Kapital erwirtschaftet, das nicht mehr kontrollierbar ist. WISEGUY nun zeigte, wie sehr die US-Wirtschaft bereits vom illegalen Kapital unterwandert und korrumpiert ist und wie unmöglich es ist, im US-Kapitalismus zwischen legalen und illegalen Geschäften zu unterscheiden. Tatsächlich zeigte der 4. Zyklus über die New Yorker Textilindustrie, in dem Jerry Lewis einen ekelhaften Bekleidungsproduzenten spielte, wie durch Manipulationen Börsenkurse beeinflusst werden und bisher legale Geschäfte von Gangstern, die selbstverständlich mit Börsenfirmen auf gutem Fuß stehen, übernommen werden.

Ob internationale Waffengeschäfte, Rechtsradikalismus, Tonträgerbranche oder die mafiosen Geschäfte mit Müll – die Serie zeigt sich in der Behandlung der Themen immer auf der Höhe des Erkenntnisstandes und setzt die Realität mit leichter Hand in spannende Spielhandlung um. Indem sie diese Realitäten für TV-Serien antizipierte, war die Serie auch thematisch innovativ.

Gedreht wurde WISEGUY, bei der u.a. Les Sheldon und David Burke Regie führten, in Kanada.  Weniger verkrustete Gewerkschaftsbedingungen machen Kanada für amerikanische TV-Produzenten als Produktionsstätte immer attraktiver. In der ersten Staffel wurde Vancouver als New Jersey clever abgefilmt, später musste die Stadt als New York herhalten. Eine Riege hervorragender Schauspieler, gute Regie und Spitzendrehbücher machten die Serie zu einem Ereignis, das heute noch bestehen kann.

Für den Erfolg von WISEGUY war vor allem ein Mann zuständig: Stephen J.Cannell, der die Serie zusammen mit Frank Lupo (beide arbeiten schon länger zusammen) entwickelt hat.

Die Liste der Gaststars (Kevin Spacy hatte als Mel Profitt im 2.Arc seinen internationalen Durchbruch) gehört wohl neben MIAMI VICE zu den eindrucksvollsten:

Joe Dallesandro, Ray Sharky, Annette Bening, Joan Severance, Paul Guilfoyle, Jerry Lewis , Ron Silver., Stanley Tucci , Deborah Harry, Tim Curry, Patti D’Arbanville, Glenn Frey, Michael Chiklis, Maximilian Schell.

Literatur: Edward Gross: The Unofficial Story of the Making of a Wiseguy, Pioneer Books 1990.

 

USA 1987-90; 75×45 Min.;F.

Vinnie Terranova (1987-90) … Ken Wahl

Michael Santana (1990) … Steven Bauer

Frank McPike … Jonathan Banks

„Onkel Mike“Daniel Burroughs … Jim Byrnes

Pater Peter Terranova (1987) … Gerald Anthony

Sonny Steelgrave (1987) … Ray Sharkey

Paul Patrice (1987) … Joe Dallesandro

Sid Royce (1987) … Dennis Lipscomb

Harry Schanstra (1987) … Eric Christmas

Roger LoCocco (1988, 1990) … William Riss

Susan Profitt (1988) … Joan Severence

Mel Profitt (1988) … Kevin Spacey

Herb Ketcher (1988) … David Spielberg

Carlotta Terranova Aiuppo (1987-89) … Elsa Raven

Beckstead (1988-90) … Ken Jenkins

Eli Steinberg (1988-89) … Jerry Lewis

David Steinberg (1988-89) … Ron Silver

Carole Steinberg (1988-89) … Patricia Charbonneau

Rick Pinzolo (1988-89) … Stanley Tucci

Phil Bernstein (1988-89) … Harry Goz

Bobby Travis (1989) … Glenn Frey

Isaac Twine (1989) … Paul Winfield

Amber Twine (1989) … Patti D’Arbanville

Winston Newquay (1989) … Tim Curry

Don Rudy Aiuppo (1987-89) … George O.Petrie

Poochy Pompio (1987-89) … Tony Romano

Grosset (1989) … John Snyder

Mark Vochek (1990) … Steve Ryan

Rogosheke (1990) … James Stacy

Lecey (1990) … Darlanne Fluegel

Amado Guzman (1990) … Maximilian Schell

Rafael Santana (1990) … Manolo Villaverde

DIE WISEGUY-PAGE:

http://www.sluiterdesign.com/wiseguy/index.html

 

<img src=“http://vg08.met.vgwort.de/na/c3b24b65985c4a2eae0e7f9f90d52dc6&#8243; width=“1″ height=“1″ alt=““>