Filed under: Bob Morane, Comics, Heftroman, henri vernes, MALKO, OSS 117, Porträt, Pulp | Schlagwörter: Abenteuerroman, bob morane, comics, Gerald Forton, henri vernes, pulp, Roman-de-Gare, SF
In Frankreich und Belgien haben Heftromane oder Dime Novels seit dem Ende des 2.Weltkriegs keine Bedeutung mehr.
Mit dem Aufkommen des Taschenbuches als Massenphänomen wanderte auch das serielle Erzählen in billige Broschüren, die als „Roman-de-Gare“ bezeichnet werden (dieser Terminus wird allerdings auch auf erfolgreiche Einzeltitel bezogen, die der Unterhaltungsliteratur zugeordnet werden). Die Taschenbuch-Serien, den amerikanischen Paperback Original-Serien verwandt, konnten phänomenale Erfolge verbuchen. Angefangen bei Reaktionären wie OSS 117 über SAS MALKO bis hin zum Linksaußen LE POULPE (der von namenhaften Noir-Autoren geschrieben wurde).
Dieser Literatur begegnete die bourgeoise Literaturkritik in Frankreich ähnlich borniert wie die unbedarfte deutsche.
Der Ausstoß von 6 bis 12 Titeln im Jahr sorgt für Arbeitsbedingungen, die denen des deutschen Heftroman ähneln. Eine Arbeitsweise, die viel Selbstdisziplin und eine besondere Art von Professionalität der Autoren verlangt.
Diese Bedingungen galten auch für Henri Vernes, als er 1953 mit BOB MORANE begann. Fünf BM-Romane erschienen 1954, sechs im Jahr 1955, sieben 1956 und 1957. Das Standardformat dieser kurzen Romane waren vierzehn oder fünfzehn Kapitel mit einer Gesamtlänge von ca.150 Seiten.
Bis 1976 hielt Vernes die Produktion von durchschnittlich fünf BM pro Jahr.
„Ich hatte eine gute journalistische Schule, und das Schreiben ging mir leicht von der Hand. Mit Kunst hatte das nichts zu tun, das war ein Job, ein Beruf. Ich schrieb Bücher, wie ein Tischler Möbel herstellt. Mein Lieblingsbuch war immer das, was ich gerade fertig hatte. Wenn ich die letzte Seite beendet habe, lege ich es auf die Seite und vergesse es. Es ist vorbei.“
Von dickleibigen Bestsellern hält Vernes gar nichts: „Diese Art und Weise, in der die heutigen Romanautoren ihre Handlung zu einem Wirrwarr nutzloser Sätze und Wörter verdicken. Stephen King etwa… Ich konnte nie eines der Bücher über das erste Kapitel hinaus lesen.“
Bei BM ging Vernes von einem Titel und einer Ausgangssituation aus um dann zum großen Teil zu improvisieren. Die Einführung des Sidekicks Bill Ballantine hatte einfache dramaturgische Gründe: „Ich brauchte ihn, um Dialoge zu führen. Denn der Dialog zwischen Bill und Bob bringt Leben in die Geschichte.“
Auffällig in den ersten zwanzig Jahren sind die vielen Romane, deren Handlung sich um Revolutionen oder Behauptung gegen Staatsstreiche drehen. Das ist wohl dem „Wind of Change“ gedankt und den Unabhängigkeitsbestrebungen in belgischen und französischen Kolonien. In diesen Romanen steht Morane entweder auf Seiten der Verschwörer oder Revoluzzer (wenn es im westlichen Sinne gegen brutale Diktatoren geht) oder auf Seiten „gerechter Herren“, die von Verschwörern bedroht sind. Vernes verklärt den Westen als den Machtblock, der auf Seiten der Gerechtigkeit und Menschlichkeit eingreift, wie damals in fast allen Medien üblich. Die Schweinereien der Kolonialmächte bis hin zum Einsetzen von Gruselmarionetten wie Mobutu oder Bokassa, thematisiert er nicht.

Für mich war und ist Gerald Forton der beste BM-Zeichner (bei dem auch Milton Caniff „durchschimmert“).
„Ich habe meine Reisen als Basis benutzt. Ich war nicht immer sehr ehrlich, aber wenn man über ein Land schreibt, wie es wirklich ist, funktioniert es nicht, es muss träumerisch beschrieben werden. Zu Beginn von Bob Morane war das eine gute Zeit, mit diesen noch unbekannten Gebieten auf den Karten, in die noch kein Europäer einen Fuß hingesetzt hatte.
Ich mochte einige Gegenden besonders gerne, also ging ich regelmäßig dorthin. Heutzutage ist es extrem schwer, versteckte Städte oder Dinosaurier im Dschungel zu entdecken. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum Bob Morane mehr Abenteuer in der Zeit oder in parallelen Welten erlebt.“
Mitte der 1960er Jahre dürfte Henri Vernes auf dem Höhepunkt des Erfolges mit BM gewesen sein. Angeblich verkaufte er damals nur in Quebec von jedem Roman um die 100.000 Exemplare. Und zu seinen berühmten Fans gehörten Bernard Henri Lévy, Christophe Gans und Claude Allègre.
Vieles wirkt heute extrem antiquiert. „Nicht in der Aktion – da kommt er nicht aus der Mode, sondern in den Details. Meine ökologischen Ideen habe ich zum Beispiel auf Bob Morane übertragen. Die Idee von Gut und Böse ist relativiert, weil gut und böse nicht existieren. Das Gute von heute wird zum Bösen von morgen und umgekehrt.
In der Tat ist Bob Morane der am wenigsten wichtige Charakter in den Romanen. Ein sehr manichäischer Charakter, der die Qualität oder den Mangel aller Charaktere dieser Art darstellt.
Aus meiner Sicht überlebt kein fiktiver Charakter hundertzwanzig Jahre. Tintin zum Beispiel ist altmodisch, lebt nur von seinem Ruf. Im Gegensatz zu Hergé möchte ich, dass Bob Morane mich überlebt, um neue Abenteuer zu erleben, und Bob Morane ist nicht wie Tintin ein Nazi und Antisemit.“
Autoren, außer den Klassikern der Pop-Literatur, die er bewundert?
„Es gibt einen zeitgenössischen Autor, den ich am meisten bewundere: Blaise Cendrars. Er ist übrigens Schweizer: Blaise Cendrars. Was für ein erstaunlicher Geschichtenerzähler!“ Cendrars, bewundert von Henry Miller, war ebenfalls ein Weltenbummler wie Vernes, der inzwischen über fünfzig Jahre in Brüssel lebt. „Es ist eine angenehme Stadt, in der ich meinen Gewohnheiten nachgehen kann. Über die Märkte gehen und in Antiquariaten stöbern. Außerdem sind hier viele Freunde, die leider nach und nach wegsterben.“
„Ja, ich bin sehr pessimistisch. Viele Probleme in der Welt sind auf Überfluss zurückzuführen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nur zwei Milliarden, jetzt sind es bereits sieben Milliarden, wenn das so weitergeht, werden wir in eine unmögliche Situation geraten. Wir wollen alles beherrschen, die Welt, die anderen Arten. Und aus moralischen und religiösen Gründen wird diesem Unsinn nichts entgegengesetzt.“
Wahrscheinlich hängt es mit dem Alter zusammen, dass Vernes´ Einstellung zum Leben immer pessimistischer geworden ist.
„Ich glaube weder an Götter, noch an Gerechtigkeit, denn das Leben selbst ist ungerecht, eine ungeheure Lüge, eine Falle, ohne Gerechtigkeit und Hoffnung. „
Die Welt besteht aus Lügen?
„Ja, das glaube ich.“
Politik?
„Regierungen sind die schlimmsten Lügner. Und die schlechtesten. Alles auch noch schlecht gemacht.“
Für einen selbst gibt es in dieser Welt der Unterdrücker nur zwei Überlebensstrategien, meint Vernes: Unterwerfung oder Anarchismus.
„Sicher, es ist schrecklich, dass Bomben nichts mehr bewirken. Im 19. Jahrhundert revolutionierten Anarchisten die Gesellschaft, indem sie Bomben warfen, denn das trieb den Sozialismus voran. Ich würde manchmal gerne Bomben werfen, aber ich habe nicht den Mut.“
1970 waren von BM über 15 Millionen Exemplare verkauft worden.
Zum 20.Jubiläum fand in einem Einkaufszentrum am Stadtrand von Brüssel die erste Ausstellung über BM statt. Im Oktober 1985 wurde ihm in Durbuy, Belgien, eine zweite Ausstellung gewidmet. Im November 1986 folgte in Mons eine dritte mit dem Titel “ 33 Jahre Bob Morane“. Während dieser Ausstellung wurde auch der „Bob Morane Club“ gegründet. Zum 40-jährigen Jubiläum fand im Dezember 1993 in Paris eine vierte Ausstellung mit dem Titel „Bob Morane, 40 Jahre Abenteuer“ statt. 1997 wurde ein Dokumentarfilm produziert „Henri Vernes, un aventurier de l’imaginaire“ und 1999 wurde Henri Vernes von der französischen Kultusministerin Catherine Trautmann als „Officier dans l’Ordre des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet.
1977 geriet Marabout in finanzielle Schwierigkeiten. Vernes verließ den Verlag, nachdem er 142 BM-Abenteuer dort veröffentlicht hatte. Von 1978 bis 1980 publizierte er zehn weitere BM-Titel bei „Librairie des Champs-Elysées“. Dann wechselte er für zwei Titel zu „Bibliothèque Verte“.
Von 1982 bis 88 erschien kein neuer Bob Morane-Titel.
Aber der Autor drehte nicht nur Daumen: Patrick Séry, der Verleger von „Fleuve Noir“, schlug Vernes vor: „Warum machst du nicht irgendwas wie SAS MALKO?“
Unter dem Pseudonym Jacques Colombo schuf Vernes die mit reichlich Sex gespickte Crime Serie DON. Der gleichnamige Charakter war das absolute Gegenteil von Bob Morane, trotz der Tatsache, dass beide Charaktere einige körperliche Merkmale teilen. Die von Bob Morane übermittelten Werte sind das Gegenteil von Don. Bob Morane hasst es zu töten, Don tut es ohne Skrupel. Aber der Hauptunterschied liegt im Sex: Während Henri Vernes in seinen früheren Romanen jeden Sex ausblendet, ist er bei DON allgegenwärtig. Deswegen auch das Pseudonym. „Ich wollte nicht, dass es irgendjemand weiß. Bob Morane ist für die Jugend und Dons Abenteuer sind für Erwachsene. Jetzt ist es ein offenes Geheimnis. Jeder weiß, dass ich die 11 DON-Romane geschrieben habe.“
Aber „Fleuve Noir“ bot ihm anschließend bis 1991 ein neues Heim für BM.
Dann wechselte er zum Verlag „Lefranq“. Der von Claude Lefranq 1989 gegründete Verlag hatte zuvor schon begonnen, die BM-Comic-Alben heraus zu bringen. Ab 1992 bezogen sich 90% der Verlagsaktivitäten auf BM.
Im Jahr 2000 gründete Lefranq mit Teilhabe von Vernes den Verlag „Ananké“ und 2010 die „Bob Morane Inc.“, der Vernes alle BM-Rechte verkaufte – mit Ausnahme der audiovisuellen Rechte. Die Idylle dauerte gerade mal zwei Jahre. Vernes war längst zu einem unberechenbaren alten Mann geworden, dessen Gemütsschwankungen gruselig sind: Mal ist er von derselben Sache begeistert, die er eine Woche später als unerträglich beschimpft. Mal will er seine Ruhe haben, dann regt er sich auf, weil er nicht gefragt wurde.
„Ich wurde nicht konsultiert, weil ich die Rechte von Bob Morane nach dem Tod meiner Frau verkauft hatte!“
Inzwischen trifft man sich sogar vor Gericht.
FORTSETZUNG FOLGT!
Filed under: Bob Morane, henri vernes, OSS 117, Porträt, Pulp | Schlagwörter: Abenteuerroman, bob morane, henri vernes, Kolonialismus
Bevor ich mich weiterhin der hochinteressanten Entwicklungsgeschichte des Produkts BOB MORANE zuwende, möchte ich einige ideologische und intertextuelle Zusammenhänge klären. BOBMORANE ist trotz seiner vielen Häutungen ein Produkt, dass extrem die Zeit wiederspiegelt und behauptet, die man wohl als Nachkriegszeit bezeichnen kann. Trotz aller Genre- Crossover-Techniken, die die Figur und das hinter ihr stehende Konzept marktkonform aktualisierten, blieb BM immer in seinem „Geburtsjahrzehnt“ stecken – was vielleicht auch ihren anhaltenden Charme erklärt.
KOLONIALISMUS
In der klassischen Phase der Serie im Marabout-Verlag wurden bereits alle Topoi verwendet, die in den späteren Werken ausgebaut und exzessiver verwendet wurden.
Ausgangspunkt der Serie war der koloniale Abenteuerroman, der noch bis in die 1960er Jahre ein beliebtes Genre war. In ihm wird meist hoch ideologisch der Gegensatz zwischen Zivilisation und Wildheit thematisiert und die imperialen Motive der Kolonialmächte gerechtfertigt.
BOB MORANE schlägt eine zeitgenössische Brücke zum exotischen Reiseroman, da es in den 1950er Jahren nicht mehr darum geht Kolonien zu erobern, sondern diese bestenfalls zu verteidigen. Die beginnende Entkolonialisierung zeichnet sich in manchen Romanen latent ab und wird als schmerzvoll empfunden. Henri Vernes selber sagte einmal, dass Afrika in seinen späteren Büchern kaum noch präsent sei, weil es das Afrika, das er liebte, nicht mehr existiere und das heutige ihn nicht interessiere.
BM folgt der klassischen Quest, in dem er ausrückt, um die Wildheit aufzusuchen, aber immer wieder zu einem abgesicherten, abenteuerlosen Ort zurückkehrt. In seinem Fall ist es die Wohnung am Quai des Orfèvres, vollgestopft mit Reiseandenken, in der er sich vor allem der Lektüre hingibt. Die vielen fremden Orte, die BM im Laufe seiner Abenteuer besuchte, gaben den in den 1950er- bis 1960er Jahren extrem ortsgebundenen Jugendlichen auch ein erstes Raumgefühl für den Planeten, das durchaus ihr egozentrisches Weltbild ankratzen konnte.
Diese Reisen BMs von einem Bedeutungsraum zu einem anderen nimmt oft die Form einer symbolischen Eroberung an, die häufig durch einen zu suchenden Schatz oder durch die Entdeckung einer unbekannten Kultur (Lost Valley-Motiv) koloniale Neigungen nährt. Dieser Triumph des Helden wird begleitet von einem Paternalismus, der charakteristisch ist für die Endphase der Kolonialzeit, als es darum ging, den Kolonialismus als humane Hilfe und Unterstützung für die unterworfenen Völker zu legitimieren.
BM reiht sich da in die Tradition des kolonialen Abenteuerromans ein, indem die exotischen Länder für ihn Gefahren- und Machtversprechen sind.
Schleichend entfernte sich in den 1950ern der exotische Abenteuerroman von der immer widersprüchlicher werdenden Realität. Noch ist die koloniale Imagination die Basis der Serie, da der exotische Raum geprägt ist von kolonialer Geschichte oder noch existierenden Kolonien: Djibuti in LA CITÉ DE SABLES, 1956, Zentralafrika in LA GRIFFE DE FEU, 1954, Neuguinea in LA VALLÉE INFERNALE, 1953, Aden in PANIQUE DANS LE CIEL, 1954 u.v.m.
Aber die geopolitische Realität, die das Versprechen der Serie ist, wird mehr und mehr erschüttert. Seit dem Ende des 2.Weltkrieges verdeutlichen die nationalistischen Bewegungen in Algerien, Indochina und Madagaskar die Fragilität der französischen Positionen in den Kolonien. Als Henri Vernes die ersten Romane der Serie verfasste, befand sich Frankreich mitten im Indochinakrieg, und Belgien wurde sich der Notwendigkeit bewusst, der Dekolonisierungsbewegung zu folgen. 1955, zwei Jahre nach Serienstart, veröffentlicht Antoine Van Bilsen den berüchtigten „Dreißigjahresplan Plan für die politische Emanzipation Belgisch Afrikas“.
Auch der intertextuelle Dschungel kann der Transformation der geopolitischen Realität nicht ewig widerstehen. Die Unabhängigkeit Vietnams im Jahr 1954, die von Tunesien und Marokko im Jahr 1956, die von Schwarzafrika, beginnend im selben Jahr, was zur Unabhängigkeit Guineas im Jahr 1958 führte, führt zu einer neuen Exotik, weit entfernt von dem imaginären Erbe der Zwischenkriegszeit. Dies zeichnet sich 1957 in LES DÉMONS DES CATARACTES ab, in dem die „Krokodilmänner“ gegen die Siedler der Kataraktdämonen kämpfen. Der Unabhängigkeitskampf der Kolonialvölker symbolisiert sich auch im L´EMPEREUR DE MACAO, 1958, wenn die Piratenbande des Kaisers von Macao westliche Schiffe angreift und die kolonialen Autoritäten erschüttert.
Die ideologische Verteidigungsstrategie kolonialer Interessen, für die letztlich auch BM steht, besteht darin, dies zu entpolitisieren und zu Zusammenstößen mit exotischen Kriminellen zu reduzieren.
Durch den Sieg Maos und die Gründung der Volksrepublik China (der wohl entscheidendste Faktor für die Freiheitsbewegungen in der 3.Welt) war in der Unterhaltungsindustrie der böse asiatische Superschurke à la FU-MANCHU aktualisiert.
Henri Vernes. sah sich früh mit dem Prozess der Dekolonisierung konfrontiert, der letztlich die Konventionen verurteilte, auf denen Henri Vernes Konzept beruht
Bei dem hohen Ausstoß von sechs Titeln im Jahr konnte der koloniale- oder post-koloniale Abenteuerroman als Themenpool für BM nicht genügen.
Henri Vernes gelang es innerhalb seiner Serie andere Genres, wie Western, Spionage, Science Fiction, Fantasy zu BM-spezifische Geschichten zu transformieren um diese nach dem Grundmodell des seriellen Abenteuerromans neu anzuordnen.
Die meisten dieser Motive waren schon in den 1950er Jahren präsent: Die erste Zeitreise in LES CHASSEURS DE DINOSAURES, 1957, die gelbe Gefahr in Form des Superverbrechers, der Raum und Zeit überwinden kann, Monsieur Ming, der gelbe Schatten, taucht erstmals 1959 in LA COURONNE DE GOLCONDE auf. Schon früh wird BM mit geheimdienstlichen Aufgaben betreut (sogar der Chef der CIA gehört zu seinen Bekannten) und Geheimagenten wie George Lester in PANIQUE DANS LE CIEL tauchen bereits 1954 auf (weitere Male in LA CITÉ DES SABLES, 1956, und in LA FLEUR DU SOMMEIL, 1957).
Man muss berücksichtigen, dass 1953 auch das Geburtsjahr von James Bond war (der aber erst 1957 überregionale Popularität erlangte) und dass der heldenhafte Spion, dank der OSS 117-Serie (seit 1949) von Jean Bruce und seiner Epigonen (https://martincompart.wordpress.com/category/oss-117/ ), zum Kanon der Unterhaltungsindustrie gehörte. Besonders in Frankreich, wo die Filme über den FBI-Agenten LEMMY CAUTION (nach Peter Cheyney) mit Eddie Constantine ungeheuer populär waren. Vernes nutzt die Themen des Spionageromans sehr früh: In LES FAISEURS DE DÉSERT, 1955, droht ein krimineller Verrückter, den Planeten in Wüsten zu verwandeln. Ein echter 007-Plot!
Zum geopolitischen Universum von BM kommt verstärkt der Kalte Krieg hinzu, der von ihm gerne als Krieg gegen ehemalige Kolonien und deren kriminelle Vertreter dargestellt wird. Insbesondere die Notwendigkeit, Energie und natürliche Ressourcen zu kontrollieren, findet bei BM Beachtung, denn damit versuchen beiden Blöcke ihr Gebiet zu erweitern.
Das verändert in einigen Romanen schon früh die Darstellung der Welt grundlegend. Der Westen und die exotischen Länder sind jetzt durch ein ganzes System internationaler Spannungen miteinander verbunden.
Diese Form der Erzählungen geht oft von Versuch der Zerstörung des Westens durch die exotische Welt Asiens aus. Bei BM spielen Russen eine weitaus geringere Rolle als die Asiaten (worin sich wieder das Trauma der Entkolonialisierung ausdrückt).
FORTSETZUNG FOLGT
Filed under: CIA, Geschichte des Polit-Thrillers, Klassiker des Polit-Thrillers, MALKO, OSS 117, Porträt, Spythriller | Schlagwörter: 007, CIA, de Villiers, Jean Bruce, Klasssiker des Polit-Thrillers, OSS 117, Polit-Thriller, SAS MALKO, Spionageroman
Der erste Superagent der Nachkriegszeit war nicht Flemings James Bond, sondern der CIA-Agent OSS 117 aus der Feder des Franzosen Jean Bruce (Pseudonym für Jean Alexandre Brochet; 1921-1963), der mit der Unterstützung seiner Frau,die die Serie nach dem Tod ihres Mannes alleine fortsetzte, diesen Franzosen im Dienste der Amerikaner um den Erdball jagte.
Armand de Caro startet im Pariser Verlag „Presses de laCite“ die Reihe „Le Fleuve Noir“.
„Jean Bruces Serie um OSS 117 sicherte den Start der Reihe, die anfangs zum Scheitern verdammt schien…Aber der Begründer hatte verspürt, woher neuerdings der Wind wehte, und er setzte mit ungewöhnlichem Scharfblick auf den neuen Spionageroman…„(Boileau/Narcejac, DER DETEKTIVROMAN, Luchterhand; S.175)
Die Serie um den Geheimagenten OSS 117 begründete den „Superagenten der Nachkriegszeit“ und nahm Elemente von James Bond vorweg. Kein anderes Genre oder Subgenre propagiert das mechanische Menschenbild intensiver; weshalb es heute in unterschiedlichen Verkleidungen -etwa in Form des Commando-Thrillers oder Anti-Terror-Thrillers – eine Renaissance erfährt.
Dank der beiden Parodien (eine dritte ist in Vorbereitung) mit Jean Dujardin, dürfte auch bei uns Geheimagent OSS 117 wieder einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. In den 1960ern war die Figur des französischen Autors Jean Bruce durch die Verfilmungen im Rahmen der Bonditis in Deutschland einige Jahre recht präsent: Der Moewig Verlag veröffentlichte zwischen 1966 und 1969 in einer Reihe 26 gekürzte Romane als Taschenbücher; was der Qualität sicherlich nicht schadete.
OSS 117 ist zwar in den USA geboren, hat aber französische Vorfahren, die während der Revolution nach Louisiana flüchteten. Daher auch sein aufgeblasener Name Hubert Bonisseur de la Bath.
Nach den Erfahrungen als besetztes Land unter den Nazis, den vielen Kollaborateuren und dem Versagen der eigenen Streitkräfte wundert es nicht, daß Bruce keinen Agenten des französischen Geheimdienstes zum Helden gemacht hat. Scham über die eigene Vergangenheit und Bewunderung für die Weltmacht USA ließen seinen Helden Hubert Bonisseur de la Bath, alias OSS 117, den Kalten Krieg mit viel Freude auf Seiten der USA mitmachen.
Wie jeder Superagent des Kalten Krieges, trug OSS 117 nur die feinste Kleidung, trank und aß vom feinsten, fuhr die schnellsten Autos und verführte die attraktivsten Frauen.
Natürlich hat er auch einen Boss, der ihn mit seinen heiklen Missionen beauftragt: Mr.Smith. Und gelegentlich hat er auch einen treuen Gefährten, Enrique Sagarra.
Die oft von realen politischen Ereignissen inspirierten Plots waren solide, manchmal überraschend gut, reichten aber nie an die von Ian Fleming oder Peter O´Donnell heran. Dasselbe gilt für die literarische Qualität. Dafür arbeitete Jean Bruce aber mit hohem Tempo und hatte einen Ausstoß, der sich mit deutschen Heftromanautoren oder angelsächsischen Paperback Original-Schreibern vergleichen lässt.
OSS 117 trat nicht nur literarisch vor 007 auf, auch im Medium Film erschien er vor Bond: Sechs Jahre vor DR.NO gab es den ersten Film mit ihm: MÄNNER, FRAUEN UND GEFAHREN (OSS 117 n’est pas mort), in dem er von Ivan Desny verkörpert wurde.
Jean Bruce wurde als Jean Alexandre Brochet am 22.März 1921 in Ailler– Beauvoir, in der Loire-Region geboren. Seine Eltern hatten ein Restaurant. Nach seiner Schulzeit trieb er sich in den verschiedensten Jobs herum: Bürgermeistergehilfe, und Mitglied einer fahrenden Schauspielertruppe. .Mit 17 Jahren machte er den Pilotenschein und beim Ausbruch des Krieges arbeitete er in der Luftfahrtindustrie.
Von Kindheit an trieb er leidenschaftlich Sport. Skifahren, Reiten und Ralleysport begleiteten ihn bis zum frühen Tod.
Während des 2.Weltkrieges kämpfte er im Widerstand.
Bei der Befreiung Lyons lernte er den leitenden Analytiker des US-Geheimdienstes OSS, William L. Langer, kennen, der die OSS-Codenummer 117 hatte. Offenbar wurden sie gute Bekannte oder sogar Freunde.
Nach Kriegsende ging er an die Ecole Nationale de Police’, wo er für eine Spezialabteilung ausgebildet wurde. Aber er blieb nur ein paar Jahre bei der Polizei und arbeite als Juwelier und Sekretär eines Maharadschas
1947 verließ er seine erste Frau und die Mutter seines Sohnes Francois wegen seiner Geliebten Josette, die von ihm mit seiner Tochter Martine schwanger war.
1949 veröffentlichte er seinen ersten Roman, der auch der erste OSS117-Thriller, Tu parles d’une ingénue , und sofort ein Erfolg war. Die Gelddruckmaschine OSS 117 lief an und ermöglichte dem Sportwagenfan Jean Bruce ein luxuriöses Leben. Dieselbe disziplinierte Routine seiner schriftstellerischen Arbeit übertrug er auch auf sein Privatleben.
Er verbrachte regelmäßig seine Winterr in L’Alpe d’Huez und die Sommer an der Côte d‘ Azur. Dort malte er auch. Ansonsten lebte er mit Josette und seiner Tochter in der Villa Saint-Hubert in Avenue General Leclerc in Chantilly .
Er schrieb auch erotische Geschichten für Magazine und neben OSS 117 fand er noch Zeit für andere Romane. Er veröffentlichte diese unter den Pseudonymen Jean Alexandre, Jean Alexandre Brochet, Joyce Lyndsay und Jean-Martin Rouan.
Am 26. März 1963 verließ er seine Pariser Wohnung um nach Chantilly zu fahren. Er stieg in seinen Jaguar 3.8l MK2 (registriert mit dem Nummernschild 117 HJ 60). Wie üblich raste der Hobbyrennfahrer auf Strassen, die noch kein Tempolimit hatten. Auf der Nationalstraße 16 bei Luzarches verlor er die Kontrolle und knallte gegen einen Baum. Er war sofort tot.
Er wurde 42 Jahre alt.
Bis 1963 hatte er 88 Romane über OSS 117 geschrieben, die in 17 Sprachen übersetzt waren und 24 Millionen Bücher verkauft.
Und der Tod seines geistigen Schöpfers war nicht das Ende des Geheimagenten.
Josette Bruce schrieb von 1966 bis 1985 insgesamt 143 OSS 117-Romane! Ihre Romane orientierten sich weniger an politischen Realitäten, wie zuvor bei denen ihres Mannes. Sie ließ sich vor allem durch ihre jeweilige Lektüre inspirieren.
Alles blieb zumindest formal in der Familie, als die Kinder Martine und Francois von 1987 bis 1992 noch 24 weitere Romane nachlegten.
In Frankreich war OSS 117 erfolgreicher als 007.
1956, als sich Fleming in der angelsächsischen Welt auf moderaten Niveau gerade etabliert hatte, kam bereits der erste OSS 117-Film in die Kinos. Elf weitere sollten folgen (mit insgesamt acht verschiedenen Hauptdarstellern). In den 1950er- und -60er Jahren gab es in ganz Frankreich keinen Bahnhofskiosk ohne exklusiven Drehständer mit OSS 117-Romanen. Das Franchising von OSS 117 erreichte nie die Dimension von James Bond, ist aber durchaus beeindruckend:
Von 1966 bis 1982 gab es eine 73bändice Comic-Adaption im Taschenbuchformat. Die durchschnittliche französische Startauflage betrug 50.000 Exemplare. Bis heute wurde die Serie in 17 Ländern veröffentlicht mit einer Gesamtauflage von 75 Millionen Exemplaren.
Es gab sogar zwei Theaterstücke um OSS 117, 1955 und 1961, geschrieben von Jean Bruce und inszeniert von Robert Manuel.
1960 wurde im Olympia eine Tanzshow, inszeniert von Georges Reich aufgeführt und der französische Rundfunk in Algerien strahlte eine Hörfunkserie aus.
Und OSS 117 gelang das seltene Kunststück, dass einige seiner Romane sogar in den USA und England veröffentlicht wurden.
Zu den prominentesten Fans gehörten Jean Cocteau und natürlich Gérard de Villiers.
Sein Einfluss auf den französischen Agenten-Thriller kann gar nicht überschätzt werden.
Durch seinen Erfolg angeregt, wurde der französische Markt mit Epigonen (etwa COPLAN von Paul Kenny) überschwemmt, die alle mehr oder weniger erfolgreich waren. Bis SAS MALKO von de Villiers 1965 erschien und es in jeder Hinsicht wilder und realer trieb (siehe weiter unten).
Es ist nicht belegbar, dass Jean Bruce Einfluss auf Ian Fleming hatte. Aber man sollte berücksichtigen, dass er fließend Französisch sprach und häufig Frankreich besuchte. Vielleicht war OSS 117 vor 1953 (dem Jahr, in dem mit CASINO ROYALE der erste 007 erschien) noch nicht das gigantische Phänomen wie nach 1955, aber seine ungeheure Präsenz auf dem französischen Buchmarkt wäre schwer zu übersehen gewesen.
Während Flemings Bond ein Angehöriger der oberen Mittelschicht ist, setzte Bruce auf einen Aristokraten als Verteidiger der westlichen, bürgerlichen Demokratien. Da OSS 117 nicht für den Geheimdienst seines eigenen Landes arbeitet, lassen sich seine Gewaltakte während der verschiedenen Missionen auch nicht mit nationalistischen oder patriotischen Gründen bemänteln (wie etwa bei Bond).
Gewalt ist einfach nur Teil eines Spiels. Damit die französischen Leser aber nicht zu sehr vor den Kopf geschlagen wurden, bezeichnete Jean Bruce seinen im Laufe der Jahre immer mehr zu einem klischeehaften Bondepigonen verkommenen Agenten als den „besten Agenten des amerikanischen Geheimdienstes“. Tja, die Amis haben vielleicht Frankreich von den Nazis befreit, aber ohne einen beherzten Franzosen kriegen sie eben doch nichts hin.
OSS 117 galt im Bewusstsein der Franzosen als gallischer Bond. Jean Bruce konnte der Figur jedoch nicht die Faszination mitgeben, die Flemings Agenten zum Welterfolg machten. Er bediente sich der Fleming ähnlichen Formel zwar manchmal mit einigem Geschick – exotische Schauplätze, skurrile Schurken und schöne Frauen -, aber das erzählerische Niveau des Briten erreichte er nie.
In den 50er und 60er Jahren drehten die Franzosen im Zuge der Agentenwelle im Kino auch einige Filme um OSS 117; am bekanntesten wurden wohl die drei Filme mit dem Amerikaner Frederick Stafford in der Titelrolle und bei einem führte sogar Bond-Regisseur Terrence Young Regie. Wie die Bücher, so wirkten auch die Filme wie die Abenteuer eines armen Vetters von 007. An Chauvinismus und Antikommunismus konnte es OSS 117 allerdings jeder Zeit mit oo7 aufnehmen; nur wurde dieser weniger originell vorgetragen.
Jean Bruces Held ebnete den Weg für einen noch erfolgreicheren und unangenehmeren französischen Romanagenten:
Gerard de Villiers Malko, ein österreichischer Adeliger im Dienste der CIA, der von 1965 bis 2013 in 200 Romanen auftrat. Wieder sind es keine patriotischen Gründe, die den Helden für den Kampf motivieren. In diesem Falle sind es sogar ästhetische: Malko übernimmt nur Aufträge für sehr viel Geld, mit dem er dann einen weiteren Raum seines Familienschlosses restaurieren lässt.
Der Autor war ein bekannter konservativer Journalist, der die ganze Welt bereist hatte und bemerkenswerte Einblicke in politische Prozesse genoss.
Und damit kommt tatsächlich eine gewisse Qualität in diese sadistischen und sexuell freizügigen (dagegen wirken die britischen Autoren der 50er und 60er Jahre prüde und puritanisch – was sie wohl auch waren) Romane: de Villiers gelingt es hervorragend die politisch-historische Situation und die regionalen Eigenheiten seiner Schauplätze einzufangen. Dabei beschränkt er sich nicht auf touristischen Firlefanz; ihm gelingt meist ein überzeugendes Bild, das auch die Schattenseiten und die Welt der verarmten Einheimischen nicht auslässt, seiner in jedem Roman wechselnder Handlungsorte.
Seine 200 Malko-Romane erreichen eine geschätzte Gesamtauflage von 150 Millionen Exemplaren!
Historisch gesehen lesen sich die MALKO-Romane wie eine weltpolitische chronique scandaleuse seit den 196oer Jahren. Dazu an anderer Stelle mehr.
Die Figur Malko selbst ist ein Pragmatiker, der jeweils um seinen Auftrag oder Vorteils wegen mal mit Rechten und mal mit Linken paktiert.
Einige der Romane, wie HEROIN AUS LAOS (Cora Verlag, 1981), setzen sich auch kritisch mit der CIA auseinander. Selbst ein Konservativer ist seit den 1970er Jahren – wenn er nicht so blöde wie Trump und seine Dalton-Gang ist – wohl nicht mehr dazu in der Lage, eine positive, verherrlichende Darstellung des CIA abzuliefern.
Der extrem gut vernetzte Journalist de Villiers versuchte mit seinen Spionageromanen so eine Art „konservative Aufklärung“ zu betreiben.
Bemerkenswert ist, dass diese beiden populärsten Geheimagenten des französischen Spionageromans Angehörige des Adels sind (dazu ist einer noch Österreicher) und in amerikanischen Diensten stehen.
Als wollte das französische Bürgertum beide gegnerischen Klassen, Feudale Klasse (als Vertreter der westlichen Welt) und Proletariat (Realsozialismus), aufeinanderschlagen lassen, während es sich genüsslich zurücklehnt und die Triumphe des Stellvertreters einer längst überwundenen Epoche beklatscht.