Martin Compart


WILLIAM BOYD SCHREIBT DEN NÄCHSTEN 007-ROMAN by Martin Compart
12. April 2012, 10:26 am
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Rechtzeitig zum nächsten Bond Jubiläum 2013 – diesmal „60 Jahre CASINO ROYALE“ – gibt es den nächsten Roman. Nun ist William Boyd dran, der sich mit exotischen Abenteuergeschichten und auch Agentenromanen einen gewissen Ruf erschrieben hat. Bei uns wurde er von Ulrich Wickert als „neuer Graham Greene“ etikettiert. Das darf man ihm nicht vorwerfen; einer Quasselstrippe wie Wickert, der einfach nicht die Tinte halten kann, ist schwer zu entkommen. Boyd ist natürlich bekennender Bond-Fan und hat Ian Fleming bereits in seinem Roman ANY HUMAN HEART (2002) als Rekrutierer der Hauptperson für den britischen Geheimdienst auftreten lassen. Sein Lieblings-Bond ist FROM RUSSIA WITH LOVE. Der Titel steht noch nicht fest, aber die beste Nachricht überhaupt: Es wird ein klassischer Bond, der 1969 spielt. Vielleicht knüpft er an Sebastian Faulks DEVIL MAY CARE an. Boyd: „Ich sagte sofort zu. Diese Chance bekommt man nur einmal.“

Eine weise Wahl, nachdem der Amerikaner Jeffrey Deaver (siehe in diesem Blog) in CARTE BLANCHE Bond unglaubwürdig in die Gegenwart transponiert hatte und 007 zu einem politisch korrekten harmlosen Thriller-Männchen umgestaltete. Die Strafe folgte: In der ersten Woche verkaufte Deaver nur ein Drittel von Faulks Roman; weltweit bisher „nur“ 160 000 Exemplare.

Die Idee der Fleming-Erben neue Bond-Romane von namenhaften Autoren schreiben zu lassen, ist interessant und spannend. Für anspruchsvolle Fans jedenfalls aufregender als wenn Hacks wie John Gardner oder Raymond Benson die Figur über viele Bücher fortschreiben.

P.S.: Der renomierte Comic Verlag CROSS CULT plant eine ungekürzte deutsche Gesamtausgabe der 14 Bond-Bücher von Fleming.



007-ALTE NUMMER, NEUER BOND by Martin Compart

Dieses Jahr wird für Bond-Fans voraussichtlich ein gutes. Zum 50.Jubiläum der Filmserie kommt der neue Schocker mit Daniel Craig, SKYFALL, Ende des Jahres in die Kino. Und soeben ist die deutsche Übersetzung des neuen 007-Romans erschienen. Es ist der 23.Bondroman, der nicht von Ian Fleming geschrieben wurde – die Novelizations der Filme nicht mitgerechnet. Wie jeder neue Bond-Darsteller sorgt auch jeder neue Bond-Autor für heftige Kontroversen bei den 007-Fans. Die besseren sind Fleming nahe gekommen, keiner kam ihm gleich und niemand übertraf ihn.

RÜCKBLICK AUF DIE FLEMING-NACHFOLGER:

Das die Gelddruckmaschine Bond durch den Tod von Fleming nicht gestoppt werden durfte, war klar. Weitere Bond-Romane mussten folgen, den Erfolg der Filme begleiten. Als ersten neuen Autor erwählten die Fleming-Erben keinen geringeren als den angesehenen Romancier Kingsley Amis (LUCKY JIM). Der hatte sich bereits als Bond-Afficionado bewiesen mit der vorzüglichen Analyse THE JAMES BOND DOSSIER (noch immer eines der besten Bücher über Fleming und 007). Unter dem Pseudonym „Robert Markham“ veröffentlichte er 1968 mit COLONEL SUN ein überzeugendes Fleming-Pastiche. Danach lag das Unternehmen „neue Bond-Romane“ erstmal auf Eis. 1981 verpflichtete man den mäßigen Thriller-Autor John Gardner für weitere Bond-Abenteuer. Die ersten beiden Romane waren erfolgreich, schafften es auf die Bestsellerlisten. Dann war der Ofen aus, denn die Bond-Leser hatten keine lust, Gardners dümmliche Aktualisierungen ihrer Ikone weiter zu begleiten. Eine von Gardners dämlichsten Nummern war Bond einen Saab fahren zu lassen, eine auf Sicherheit ausgelegte Familienkutsche für den rücksichtslosen Sportwagenfahrer! Gardners insgesamt 14 Romane wiesen einen Haufen Ärgerlichkeiten auf und zeigten deutlich, dass der Autor wenig Ahnung vom Mythos (und von Stil) hatte. Zu allem Überfluss machte er Bond auch noch zum überzeugten Teetrinker! Fleming bemerkte fast in jedem Buch, wie sehr Bond dieses Getränk hasste. Fleming-Agent Janson-Smith ertinnert sich: „Gardner wollte, dass Bond zum Gustav-Mahler-Fan wird, weil Gardner Mahler-Fan war. Das habe ich abgelehnt. Zu Anfang verkauften sich seine Bücher wirklich gut, aber dann ging es bergab. Er war vielleicht zu lange dabei. Er wollte immer genauso viele Bücher schreiben wie Fleming…“
Peinlich wurde Gardner besonders dann, wenn er krampfhaft versuchte Flemings eigenwillig harten Szenenanreißer zu kopieren; das klingt dann eher nach Parodie (und die Bond-Parodien um Boysie Oakes, mit denen der Gute vor vielen Jahren mal ins Geschäft kam, waren schon schwer erträglich). Ein paar Stümpereien gefällig? Bitte sehr (aus SCORPIUS):

„Das Summen des Radioweckers schnitt wie das Messer eines Vandalen in den tiefen Kokon des Schlafes.“

„`Nein! Nein!Nein!`’Ja‘, sagte Bond scharf und herrisch. ‘ Ja!Ja! Und Ja!'“

Gardner hatte kaum Ahnung von seinem Helden. Zwar hatte sich das im Laufe der Jahre da ein bisschen was getan, aber wirklich begriffen hatte Gardnerr weder die Figur noch deren Schöpfer. So lässt er den hundertprozentigen Briten etwa französische Anzüge tragen oder macht den von Kingsley Amis als Kulturbanausen richtig erkannten Bond plötzlich zum Jazz-Fan. Statt cooler Arroganz ist dem Gardner-Bond debiles Menscheln eigen. Und M, von Fleming als Inbegriff des effektiven emotionslosen Apparatschik charakterisiert, lässt er kaum motivierte Wutausbrüche hinlegen. Und „sein“ Bond behauptet gar – und da bleibt wohl jedem Fleming-Kenner die Spucke weg -:“Mein Vorgesetzter ist von einem hübschen Gesicht und einer noch hübscheren Figur leicht herumzukriegen.“ John Gardner gehörte offensichtlich zu einem Komplott von SPECTRE um Bond endgültig auszuschalten. Immerhin verkauften sich seine Romane bei absteigender Tendenz fast fünf Millionen mal.

Etwas besser waren danach die Bond-Romane von Raymond Benson (von denen nur wenige ins Deutsche übersetzt wurden). Aber auch sie hatten nicht den Fleming-Touch (den Kingsley Amis heraufbeschwören konnte). Anders als in den Filmen funktionierte es nicht überzeugend, Bond in die Gegenwart zu transformieren und ihn peinlich dem Zeitgeist anzupassen. „Benson habe ich aufgrund seines Sachbuchs über Flemings Romane engagiert. Seine ersten Bücher hatten gute Strukturen und viele Textfehler, aber er lernte schnell. Flemings Erben mochten Bensons Bücher nicht. Auch die Verkäufe gingen rapide zurück.“ Sein letzter, THE MAN WITH THE RED TATTOO (in Deutschland nicht veröffentlicht) verkaufte in England lediglich 5000 Exemplare und in den Staaten 13.000. Seine sechs Romane hatten weltweit die schlappe Auflage von 600 000 Exemplaren. Flemings Bücher haben inzwischen lange die 100 Millionen überschritten.

Sebastian Faulks, der vorletzte Bond-Autor, hatte das wohl begriffen und schrieb ein period piece. DER TOD IST NUR DER ANFANG (Heyne) spielt 1967 und mobilisiert den Fleming Touch ganz ordentlich. Außerdem bringt der Roman spärlich aber witziges Zeitkolorit mit ein. Etwa Anspielungen auf die damalige Verhaftung der Rolling Stones wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.. Da regt sich dann M darüber auf, dass „seine“ TIMES für Gerechtigkeit gegenüber diesen langhaarigen Pop-Schurken plädiert. Genial fand ich, dass Faulks direkt an Flemings letzten Roman, THE MAN WITH THE GOLDEN GUN, anschließt und im Iran spielt. Trotzdem erreicht auch er den Meister nicht, der die Leser Adrenalin auf hohem Niveau ausstießen ließ (man lese nur die über mehrere Seiten laufende Szene mit dem giftigen Tausendfüssler in DR.NO! Im Film wurde daraus die läppische Vogelspinnen-Szene). Ian Flemings literarisches Genie ist in Deutschland bis heute weder entdeckt noch gewürdigt. Was nicht wirklich verwundert. Für das debile Feuilleton hätte ihn wahrscheinlich Diogenes veröffentlichen müssen. Denn ohne Diogenes wüssten diese Parakritiker heute noch nicht wer Chandler, Highsmith oder Ambler sind (obwohl diese lange zuvor in anderen Verlagen veröffentlicht wurden). Anthony Burgess zählte GOLDFINGER unter die 99 besten Romane des 20.Jahrhunderts. Aber wer ist schon Burgess? Ein Name, den weder Radisch, Dotn, Mangold, oder wie diese Bürokraten der Langeweile alle heißen, je gehört haben.

Das Großmaul Faulks übernahm sich mit einigen Äußerungen, die nicht alle glaubwürdig klangen. Sein Roman entspräche stilistisch zu 80 Prozent Ian Fleming. Er habe es weitgehend nach dessen Methode geschrieben: „In seinem Haus in Jamaika schrieb Fleming am Morgen 1000 Worte, dann ging er Schnorcheln, nahm einen Cocktail, Lunch auf der Terrasse, ging wieder Tauchen, schrieb weitere 1000 Worte am späten Nachmittag, dann mehr Martinis und bezaubernde Frauen. In meinem Haus in London habe ich diese Routine genau nachgemacht – allerdings ohne Cocktails, Lunch und Tauchen.“ Sechs Wochen habe die Arbeit an DEVIL MAY CARE gedauert. Gelungen ist ihm immerhin der überzeugendste Bond seit Amis. Und es war mit 44 000 verkauften Exemplaren in der ersten Wochedas am schnellsten verkaufte Hardcover in der Geschichte von Penguin Books!

Janson-Smith hatte es nicht leicht in den letzten Jahren Flemings Werk international am Leben zu erhalten: „Ich denke nicht, dass Heyne in Deutschland der richtige Verlag für diese Bücher ist. Sie verkaufen sich seit Jahren schlecht. Auch in Frankreich ist das so, der Verleger Gallimard hat sie sogar aus dem Programm genommen. Man darf aber nicht vergessen, dass Bond immer noch ein sehr guter und sehr bekannter Name ist. Man sollte ihn nicht unterschätzen. Es ist erstaunlich, was Fleming erschaffen hat. Die Filme werden sowieso ewig weitergehen. Ich hoffe nur, dass die Geschichten besser werden. Ich habe den ersten deutschen Bond-Vertrag mit Ullstein auf der Frankfurter Buchmesse gemacht, in „Jimmys Bar“ im Hotel „Hessischer Hof“. Danach gingen die Rechte an den Scherz-Verlag, weil Ullstein mit den Verkäufen nicht zufrieden war. Ich weiß noch, dass ein Herr Hausen nach James Bond gefragt hat, der die Bücher ins Armenische übersetzen lassen wollte, weil dort die Kinder danach gefragt hatten. Er hatte nicht viel Geld und sagte, dass die Sprache aussterbe und bot 50 Mark für jeweils drei Bücher. Ian war erfreut. Wir machten den Deal, und so erschienen die Bücher auf Armenisch. Ian sprach ja auch deutsch. Ich habe viele Verträge in Frankfurt geschlossen.“

CARTE BLANCHE

Tja, und nun also Jeffrey Deaver. Er ist seit Jahren einer der erfolgreichsten Thriller-Autoren der Welt und wurde anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Ian Fleming Steel Dagger Award gefragt, ob er einen Bond schreiben wolle. Deaver ist seit dem 8. Lebensjahr Bond-Fan und sagte zu. Deaver hat Millionen Thriller verkauft, eine beliebte Serienfigur(Lincoln Rhymes) erschaffen und eine Menge Fans, auch im deutschsprachigen Raum. Ich gehöre nicht dazu. Mir ist er zu geschwätzig. Wahrscheinlich bekam er „carte blanche“ von den Fleming Erben, für mich wurde es eher zur „Lizenz zur Langeweile“.
Nach dem Experiment mit dem Literaten Faulks und der kurzen Rückkehr in die 1960er, durfte Deaver Bond nicht nur in die Gegenwart holen, sondern ihn komplett updaten. Ziel war es, einen zeitgenössischen Bond für das 21.Jahrhundert zu etablieren, auf dem weitere Romane aufbauen. Bei der Kinoversion hat das ja geklappt, in dem Daniel Craig den Superagenten etwas verprollte und damit dem jüngeren Publikum zugänglicher machte. Im Roman, der sich zwangsläufig an Alphabeten wendet, muss man andere Wege gehen.
Zum Plot will ich nicht zuviel erzählen. Bond hat fünf Tage um einen Anschlag mit dem schönen Code-Wort „Gehenna“ zu verhindern.. Also rast er von Serbien über England und Dubai bis Südafrika herum, trifft nette und böse Frauen, wird unterstützt von seinen alten Mitkämpfern Mathis und Leiter (der natürlich nicht seine Hand von einem Hai in LIVE AND LET DIE abgebissen bekam un den Bond nun während seiner Militärzeit kennen gelernt hat) und macht dabei – frei nach LITTLE BRITAIN – so Bondsachen. Der Schurke heißt Severan Hydt, hat nekrophile Neigungen, und steht ganz in der Tradition. Um Druck zu erzeugen, lässt Deaver den Roman in sechs Tagen spielen.

Deaver bediente sich natürlich bei den populären Fleming-Topoi, die Kingsley Amis im BOND DOSSIER aufgeschlüsselt hatte. Alles da, was den Bond-Fan erfreut: Ein ungewöhnlicher Schurke, die schönen Frauen, exotische (gut recherchierte) Schauplätze, gepflegte Gastronomie, technische Gadgets, Markenartikel, Autos und die Walther-Pistole. Aber Bond ist nun Afghanistan-Veteran, vermutet, dass seine Eltern von den Russen ermordet wurden. Zu allem Überfluss interessiert er sich auch noch für Formel 1. Ich hatte immer Probleme mit den Revampingversuchen des literarischen Bond (anders als mit den filmischen). Ähnlich wie bei Sherlock Holmes. Wo dies allerdings in der TV-Serie SHERLOCK überzeugend gelungen ist. Für mich sind sie Charaktere, die so intensiv ihre Epoche widerspiegeln, das immer ein schales Gefühl zurück bleibt wenn man sie zu modernisieren versucht. Am besten gelang das m.E. bei Bond noch Raymond Benson (und natürlich in den grandiosen Comic Strips von Jim Lawrence und Horak). Deavers Bond ist mir zu steril. Flemings Geschöpf war düsterer und stand ganz in der Tradition des byronschen Helden. Fleming konnte es sich erlauben, ihn auch unsympathisch zu zeigen. Deaver geht dieses Risiko nie ein. Würde man den Namen ändern, käme man nur selten auf den Gedanken, dass es sich um Bond handelt. Es fühlt sich falsch an.
Leider vergeigt Deaver auch gleich den Anfang des Romans, in dem Bond gegen einen Profi-Terroristen das Attentat auf einen Giftzug in Serbien verhindert. Es gelingt ihm nicht – und das ist bei Action-Szenen nun mal wichtig – ein Gefühl für den Raum zu vermitteln. Dadurch baut sich beim lesen der Suspense nur mangelhaft auf. Außerdem stimmt das Timing nicht .Im Film würde man sagen: der schlechte Schnitt hat die Szene ruiniert. Aber Raum- und Zeitgefühl zu vermitteln muss man um Suspense bei Actionszenen zu erzeugen, das ist im Buch nicht anders als im Film. Sense of location und Timing sind bei Fleming so perfekt, dass sie einem auch heute noch den Schweiß auf die Stirn treiben.
Deavers technische Recherchen sind beeindruckend: Er arbeitet überzeugend die aktuellen Technologien ein und lässt Bond sie nutzen. Ganz auf der Höhe ist CARTE BLANCHE ein zeitgemäßer Thriller. Wichtigstes Gadget ist ein „IQ-Phone“, voll gestopft mit Aps für die man morden würde.
Manchmal trifft Deaver den Ton ganz gut, aber dann haut er immer wieder so peinlich daneben, dass es der Sau graust. Etwa in Bond zugeschriebenen Äußerungen wie „Ich fühle mich fast wie Lehman Brothers“. Einmal verzichtet Bond sogar darauf einen Gegner zu töten und schießt ihn nur in den Arm. Häh? Diese Milde hat er wohl aus Afghanistan mitgebracht. Den Chauvinismus, den Kritiker Fleming zu Recht vorgeworfen haben, hat Deaver „seinem“ Bond ausgetrieben. Aber genau dieser Chauvinismus hat die Figur so überzeugend gemacht. Bond als politisch korrekter, für Gleichheit eintretender, nicht-sexistischer Nichtraucher funktioniert genauso wenig wie Philip Marlowe als glücklich verheirateter Millionärinengatte.

Dieser manchmal an Rassismus grenzender Chauvinismus spiegelte vortrefflich die Arroganz des untergehenden Empires und ist deswegen nicht nur mentalgeschichtlich hoch amüsant. Er schuf einen eigenen Kosmos, einen Themenpark, den man Testosteronland nennen könnte. Flemings Bond ist nicht der unbesiegbare Snob der meisten Filme. Er ist ein Mann mit einer Sozialisation und tiefen inneren und äußeren Wunden. Er hat manchmal Angst und Fleming beschreibt seine Furcht minutiös. Durch seine Kunst, einen dreidimensionalen Charakter zu schaffen wurde Bond erst zu dem Mythos, den der Film zum eindimensionalen Klischee herunter kürzte.
Die literarische Vorlage ist bedeutend vielschichtiger als die dem jeweiligen Zeitgeschmack angepassten Film-Bonds.
In DR .NO hat er sogar Angst um seinen Job, weil er am Ende von FROM RUSSIA WITH LOVE einen Kampf gegen eine ältere Frau verloren hat. In THUNDERBALL ist er körperlich so schlecht zurecht, dass M ihn zur Kur in einer Gesundheitsfarm schickt. Und der oft skrupellose Frauenheld verliebt sich manchmal so sehr , dass er dafür seinen Job gefährdet oder hinschmeissen will (Tracy, Domino, Vesper, Kissy).
Er ist Held und Anti-Held in einer Person (Fleming schrieb zeitgleich mit Autoren wie John Osborne und Kingsley Amis, die die „Angry young men“ in die britische Literatur brachten). Welchen Sinn macht es, dieser Figur alles zu nehmen, was sie charakterisiert? Weil man lediglich Bond lediglich als Markenmanagement verwendet. Die zweifelhafte Gleichung der Fleming-Erben, die den Rachen nicht voll genug kriegen lautet: Bestsellerautor Deaver+Brandname 007+update a la Bond-Filme=Welterfolg.

Deavers Bond ist blaß, ein Papp-Charakter dessen Emotionen aufgesetzt wirken. Ein Typ, der einen nicht wirklich interessiert – wie die Knatterchargen in Deavers überschätzten Thrillern.
Ein weiteres Manko: Das Buch ist zu lang – bisher der längste Bond-Roman überhaupt. Deaver labert zuviel herum, lässt Bond bei Verfolgungsjagden geradezu schwachsinnig über Kugelausstoß oder Entfernungen meditieren. Der britische Kritiker Ivan Radford bringt es auf den Punkt: „Wie ein Mathematiklehrer mit einer Kanone“.

Dem kann man ausweichen, indem man zur gekürzten Hörfassung greift. Das Hörbuch ist bei Random House Audio erschienen und 403 Minuten lang. Das richtige Bond-Feeling garantiert Sprecher Dietmar Wunder, der Daniel Craig synchronisiert. Und da ich ja für die billigsten Kalauer zu haben bin: Herr Wunder erzählt den Roman ganz wunderbar.

Was ist nun nach all dem Rumgemaule das Fazit? Sollte man den Roman lesen oder nicht? Ja, verdammt. Schließlich haben wir Bond-Fans auch MOONRAKER oder QUANTUM OF SOLACE angesehen. Und – „M“ sei meiner gnädig – John Gardner gelesen.



007 kehrt zurück by Martin Compart
31. Januar 2012, 9:58 am
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Nur noch wenige Wochen: Dann erscheint der neue Bond-Roman bei Blanvalet. Hier erfahren Sie, ob sich das Warten gelohnt hat und welche Aspekte Jeffrey Deaver dem Pop-Mythos entnimmt und ob er neue hinzufügen kann. Er muss sich letztlich an einem der größten Thriller-Autoren aller Zeiten messen lassen.

Mit dem neuen Roman und dem kommenden Film könnte es ein gutes Jahr für Bond-Fans werden.



SPYTHRILLER: JOHN BUCHAN 1/ by Martin Compart
3. November 2011, 4:53 pm
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                           Buchans Büste von Thomas Clapperton, ca.1930.

John Buchans Held Hannay wird gerne als ein Vorfahre von Flemings James Bond bezeichnet. Was den Bekanntheitsgrad in seiner Zeit (sein wichtigster Roman, THE 39 STEPS, ist seit seinem Erscheinen 1915 bis heute nie vergriffen gewesen und wurde viermal verfilmt)angeht, stimmt der Vergleich auf England beschränkt. Auch war es Buchan, der den Action betonten Spionageroman kreierte. Darüber hinaus war er aber ein ungleich unfangreicher interessierter Mann als Ian Fleming, der viel stärker Zeitbezüge in seine Romane einarbeitete. Wären nicht seine oft aus heutiger Sicht phantastisch anmutenden Plots, seine grandiosen Schilderungen physischer Aktion (die viel seinem Landsmann Robert Louis Stevenson verdanken) und die romantischen Helden, allen voran Richard Hannay, wäre der Blick nicht verstellt auf seine Qualitäten, zeitgenössische Politik zu interpretieren und zu reflektieren.

Buchan schuf mit 39 STEPS nicht nur den Klassiker der romantischen Agenten-Thriller.  Thematisch gewann er fast mit jedem seiner Thriller  neue Themen und Topoi des Genres hinzu: In MR.STANDFAST(1919) etwa, setzt er sich mit der psychologischen Kriegsführung und Unterwanderungstaktiken auseinander, die ein Land von innen bedrohen können. Viel gefährlicher als der Kampf an der Front oder die Jagd auf Saboteure erscheinen ihm feindlichen Demagogen, die durch Zerrüttung des inneren Friedens im eigenen Land für Unruhe sorgen. Für Buchan, der sich in diesem Buch von einem Milnerschen hardliner zum liberalen Konservativen wandelte, geschieht das durch ein geschicktes Manipulieren der sozialen Gegensätze, die im Bürgerkrieg enden könnten.

John Buchan, erster Baron Tweedsmuir von Elsfield wurde am 26. August 1875 in Perth, Peebles-shire in Schottland als ältester Sohn eines presbyterianischen Pfarrers geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Kirkcaldy, Fife (wo auch der Anfang von PRESTER JOHN spielt) und im Tweed Tal an der schottischen Grenze. Es blieben seine Lieblingslandschaften, die auch immer wieder in seinen Büchern geschildert wurden. 1888 ging die Familie nach Glasgow. Er besuchte die Glasgower Universität und anschließend das Bresnose College in Oxford, wo er klassische Philologie und Jura studierte. Schon während des Studiums kündete sich eine glanzvolle Karriere des Hochbegabten an: gerade zwanzig Jahre alt erschien sein erstes Buch und 1897 und 1898 gewann er zwei wichtigeUniversitätspreise, den Stanhope Essay Prize und den Newdigate Prize. Noch während des  Studiums veröffentlichte er zwei Romane, eine Sammlung Gedichte und Kurzgeschichten und eineEssaysammlung. Das führte zu einer Eintragung im „Who’s Who“ noch bevor er einen akademischen Grad errungen hatte.  1899 schloss er sein Studium ab. 1901 wurde er als Anwalt zugelassen, ging aber noch im selben Jahr als Sekretär zu Lord Milner, dem Hochkommissar für Südafrika. Er wurde nach Kapstadt geschickt und kümmerte sich um die Kriegsgefangenenlager in denen furchtbare Zustände für eine ungewöhnlich hohe Sterberate sorgten. Dem kämpferischen Humanisten Buchan gelang es durch Reformen und bessere Behandlung diese Verhältnisse zu ändern. Um dieser Zeit, in der er zum inneren Kreis der „bright young men“ im Londoner Polit-Establishment zählte, wurde sein politisches Bewusstsein nachhaltig geprägt und seine Liebe zu Südafrika vertieft (reaktionäre Bemerkungen über Schwarze, die sich in seinen Thrillern finden, lassen ihn als überzeugten Imperialisten seiner Zeit und als Anhänger der Apartheid erscheinen).

1903 trat er in den Verlag Nelson ein, wo er es bis zum Direktor brachte. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs entstanden fast zwanzig Bücher, darunter Gedichte, Geschichtswerke und erste Biographien.

Sein erster Thriller, THE HALF-HEARTED, war bereits 1900 erschienen. In diesem Buch verhindert sein Held Lewis eine Invasion Indiens durch die Russen. 1910 veröffentlichte er mit PRESTER JOHN einen Roman, der schon auf die späteren Hannay-Romane vorausweist und Buchans Ansichten über Afrika illustriert: Ein junger Engländer verhindert einen Aufstand der Schwarzen, der durch einen diabolischen, „ungewöhnlich intelligenten Neger“ angezettelt wurde. Trotz seiner imperialistischen Ideale, zeichnet den Roman ein gewisses Verständnis der südafrikanischen Situation aus. Erstmals in einem Polit-Thriller (der hier ganz klar in der Tradition der school boy adventure novel steht) taucht auch die Parole „Afrika den Afrikanern“ auf. Noch  heute ist das Buch ein überzeugendes Zeitdokument.

1907 heiratete er Susan Charlotte Grosvenor, mit der er drei Söhne und eine Tochter hatte.

Anfang des Krieges war er Direktor des Reuter-Pressedienstes in London. Unter dem Eindruck des beginnenden Weltkrieges entstand Buchans bekanntestes und in der Geschichte des Spionageromans eine Schlüsselposition einnehmendes Werk: THE 39 STEPS.



SPYTHRILLER: THE MAN FROM U.N.C.L.E. by Martin Compart
20. Oktober 2011, 2:31 pm
Filed under: Ian Fleming, thriller, TV-Serien | Schlagwörter: , , , ,

Hiermit beginne ich eine Serie, die unsystematisch und in loser Folge die Entwicklung des Spionagethrillers und Polit-Thrillers in den unterschiedlichen Medien beleuchten soll.

1962 kam mit „Dr. No“ der erste Bond-Film in die Kinos und löste in der westlichen Welt das aus, was als „Bonditis“ in die Kulturgeschichte eingehen sollte. Parallel zur Beatlemania erreichte der 007-Kult mit „Goldfinger“ 1965 den Höhepunkt, und Sean Connery wurde wie ein Popstar gefeiert. In Folge der Bond-Hysterie schossen Geheimagenten in Film und Romanen wie Pilze aus dem Boden. Jeder wollte sich eine Scheibe vom Agenten-Kuchen abschneiden. Auch in Deutschland wollte man von dieser Welle profitieren. Die Film-Produzenten stürzten sich auf einheimische Groschenhefte und produzierten Serien über den FBI-Agenten Jerry Cotton und Kommissar X – und machten in einem One Shot gar Lex Barker zu MISTER DYNAMIT.
Mit den ersten Bond-Filmen begann auch eine weltweite und multimediale Agentenwelle, die selbst ins Heimkino schwappte. Im Fernsehen hatte es bereits zuvor Geheimagentenserien gegeben, aber die waren eher bieder und plump. Das Phänomen Bond verschmolz den Agenten-Thriller mit Pop. Der Geheimagent wurde zur Pop-Ikone.
Als sich Anfang der 60er Jahre der Welterfolg von Agententhrillern in allen Medien abzuzeichnen begann, wollte das US-Fernsehen natürlich daran teilhaben. Die Briten hatten bereits großen Erfolg mit den TV-Serien DANGER MAN(GEHEIMAUFTRAG FüR JOHN DRAKE) und THE AVENGERS (MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE).
Die Pop-Kultur war im Umbruch: Langhaarige Beat-Bands kauften den Matinee-Idolen oder Hinterwald-Rock’n Rollern den Schneid ab. An Universitäten las man MAD und die Ausdrücke „cool“, „camp“ oder „sophisticated“ wurden Modeworte. Seit den 50er Jahren entwickelte sich eine eigenständige Jugendkultur, unterstützt durch die Tatsache, dass keine Generation in der Adoleszenz zuvor über soviel Kaufkraft verfügte. Die Engländer verloren zwar ihr Empire, aber sie waren Vorreiter und Vordenker für das, was später den Namen Pop-Kultur erhalten sollte. Beatles und Bond wurden zum stärksten Aussenhandelfaktor im zivilen Warenverkehr der Briten.
Der Produzent und EMMY-Preisträger Norman Felton(DR.KILDARE, PLAYHOUSE 90) wollte schon lange eine SpionageSerie auf den Bildschirm bringen. Die Verantwortlichen bei NBC hatten ein offenes Ohr, die Zeit war reif für neue Helden oder „Formate“, wie man bei uns so zu sagen pflegt. Felton traf sich im November 1962 mit dem 007-Erfinder Ian Fleming, zwar bereits erkrankt (er starb 1964 und erlebte den Welterfolg seiner geistigen Schöpfung nur im Anfangsstadium mit), der sehr angetan war von der Idee, eine Fernsehserie zu kreieren. Von Flemings konzeptionellen Überlegungen blieb dann nicht viel übrig,nur die Namen Napoleon Solo (der einem Gangster aus GOLDFINGER entliehen wurde) und April Dancer (die in der spin-off-Serie THE GIRL FROM U.N.C.L.E. von 1966 bis 1967 von Stephanie Powers verkörpert wurde). Fleming hatte bekanntlich ein großartiges Talent ungewöhnliche und unvergessliche Namen zu erfinden. Und natürlich schadete es der späteren Serie nicht, dass sie immer wieder mit Ian Fleming in Verbindung gebracht wurde.

SOLO FüR UNCLE ist eine Agentenserie, die ihre eigene Parodie gleich mitliefert. Ununterbrochen retten die Agenten der weltumspannenden Organisation U.N.C.L.E. die Welt vor einer (scheinbar)apolitischen Verbrecherorganisation namens THRUSH. Die absurden Plots verdanken einiges den britischen Pop-Klassikern AVENGERS, CORRIDOR PEOPLE oder THE ODD MAN.
Das für damalige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Tempo erreichte die Serie durch den gnadenlosen Einsatz von Wischblenden und der Handführung der Arriflex-Kamera, die im Fernsehen zuvor nie genutzt worden war, bei Action-Sequenzen. Das Konzept, wie es von AutorSam Rolfe weiterentwickelt wurde, ist eine Synthese aus Bond- und Hitchcock-Thrillern: Von Hitchcock übernahm man das Konzept von der Durchschnittsperson, die fast in jeder Folge unschuldig in den Kampf zwischen UNCLE und THRUSH verwickelt wird. Und Robert Vaughn als Napoleron Solo hat einiges von Hitchcocks Lieblingsschauspieler Cary Grant. Aus den Bond-Filmen übernahm man den weisen, alten Chef in der Gestalt von Leo G.Carroll als Mr.Waverly, die professionellen Agenten, die bizarren Superschurken und die weltweiten Handlungsorte (die sichimmer innerhalb der MGM-Studios befanden). Um nicht in Kalte-Kriegs-Ideologie zu versinken, hatte Sam Rolfe aus der UNCLE-Organisation so eine Art Geheimdienst der UNOgemacht, in der der Amerikaner Solo zusammen mit dem Russen Ilja Kuryiakin gegen die asozialen Ganoven von THRUSH kämpfte.
Beide Organisationen sind mehr als nur Action-Lieferanten für Drehbuchautoren. Die UNCLE-Agenten stellten einen neuen Protagonistentypus im Fernsehen dar: Gutgekleidete, liberale Weltbürger, die keiner erotischen Versuchung aus dem Wege gingen (zumindest der Sexmaniac Solo nicht). Ihre Umgangsformen sind kameradschaftlich, und auch das Verhältnis zu ihrem Chef ist nicht von Untertanenmentalität geprägt. Dagegen stehen die karrieresüchtigen Aufsteiger der als gigantische Bürokratie karikierten Organisation THRUSH. Die THRUSH-Agenten haben die strengen hierarchischen Strukturen verinnerlicht, träumen von Beförderung und machen sich Gedanken über den internen Rentenplan. Sie zeichnen sich durch unterdrückte Sexualität aus, die im krassen Gegensatz zum erotischen Appetit eines Napoleon Solo steht. THRUSHs Ziel ist eine primitive, puritanische Version des Kapitalismus, der Menschen als Rohmaterial ansieht. Also eine Organisation wie die von Josef Ackermann geprägte Deutsche Bank. Beim Wiedersehen wirkt so mancher THRUSH-Agent wie einer dieser hohlen Banker.
Dem gegenüber steht bei UNCLE das Konzept einer liberalen, aufgeklärten Angestelltengesellschaft vermeintlich freier Individuen. Das Böse entwickelt sich nicht mehr, wie in den Serien der 50er Jahre, aus moralischer Schwäche Einzelner, sondern aus den unterschiedlichen Ideologien, insbesondere aus dem fanatischen Puritanismus. Diese ideologische Strategie der Serie ließ sie damals so modern wirken: Die neue Konsumgesellschaft der 60er Jahre verlangte von ihren Mitgliedern andere Fähigkeiten als in früheren kapitalistischen Phasen: Statt Treue zum Arbeitsplatz war nun Mobilität erforderlich, statt sklavische Ausführung von Anordnungen brauchte man nun den mitdenkenden Facharbeiter und statt Bescheidenheit war verschärfter Konsum angesagt.
Die Pop-Serien der 60er Jahre singen das Hohe Lied der nivellierten Mittelstandsgesellschaft. Im Gegensatz zu den 50er-Jahre-Serien wird der hedonistische, konsumfreudige Weltmann heroisiert, der seine Bedürfnisse frei auslebt. Der moralisierende, sich selbst kasteiende Serienheld des vorherigen Jahrzehnts wurde als THRUSH-Agent lächerlich gemacht. Nicht mehr derjenige, der seine Sexualität auslebt ist der gefährliche Irre, sondern derjenige, der sie unterdrückt.

Immer wieder hat es Napoleon Solo mit frigiden Workaholics und frustrierten Hausfrauen zu tun, denen er mit seinem geballten Sexappeal so zusetzt, dass sie am Ende jeder Folge in ein befriedigenderes Leben aus der Serie entschwinden.
Dieser Subtext korrespondierte mit der Haltung der jüngeren Generation, insbesondere der College-Jugend, der die Serie ihren Erfolg verdankte: In den ersten Monaten war MAN FROM UNCLE ein echter Flop und stand kurz vor der Absetzung. Aber dann kamen die Studenten in den Weihnachtsferien nach Hause. PR-Mann Painter: „Jedesmal, wenn ich an einem Studentenheim vorbeikam, während unsere Serie lief, hörte ich bekannte Töne. Leider wurden die Fernseher in den Studentenheimen aber nicht von Nielsen nach Einschaltquoten gemessen. Aber ich wusste, wenn die Studenten in den Ferien nach Hause fahren, haben wir gewonnen.“ Und sokam es auch. Über Nacht gingen die Einschaltquoten steil nach oben, und die Serie wurde zu einem Phänomen. Auf dem Höhepunkt des Erfolges bekamen die Stars 60000 Fanbriefe monatlich und der Rummel um Robert Vaughn und David McCallum war auf demselben Level wie Beatlemania oder Bonditis. Die PR-Abteilung der Produktion hatte wesentlichen Anteil daran, die Serie auf Erfolgskurs zu bringen. SOLO FÜR ONCEL war ein frühes Musterbeispiel für die Bedeutung von Marketing für einen Serienerfolg: Als die Serie im ersten Jahr in den Nielsen-Ratings so bescheiden dastand, dass ihre Fortführung gefährdet war, holte sich Sam Rolfe den Presse-Agenten Chuck Painter. Der entwickelte sofort eine durchschlagende Strategie: Er sah sich die Großstädte an, in der die Einschaltquoten am schlechtesten waren. Dort organisierte er für die Wochenenden Auftritte der UNCLE-Stars in Supermärkten und lokalen Nachrichtensendungen. Freitags nach Drehschluss, nachdem sie fünf Tage lang täglich 12 Stunden vor der Kamera gestanden hatten, wurden Robert Vaughn und David McCallum zum Flughafen gebracht, um am Wochenende drei Städte zu besuchen und Werbung für die Serie zu machen. Ein mörderisches Programm, dass wohl kein deutscher Produzent mit seinen Stars durchziehen könnte. Es zeigte Wirkung. In jeder Stadt, wo die UNCLE-Stars aufgetreten waren, gingen die Ratings hoch. Robert Vaughn: „Wäre das alles in den 80er Jahren statt in den 60ern passiert, wäre die Serie abgesetzt worden. Man hätte ihr keine Chance geben, sich ihr Publikum zu erobern.“

P.S.: Steven Soderbergh plant für 2012 einen Kinofilm nach der Serie.



LEE CHILD – Hard-boiled Brite by Martin Compart

Nach den grausamen Adaptionen mit Tom Cruise, gibt es nun eine serielle Umsetzung der REACHER-Romane, die uns Fans wohl eher befriedigt. In der ersten Staffel, gerade auf Amazon Prime angelaufen, setzte man in acht Folgen den ersten Roman, KILLING FLOOR (1997), nahe am Buch um. Die 2. Season ist beauftragt.
Ein Grund, meinen alten TIP-Artikel nochmal auszugraben.

Trivia zur TV-Serie: https://www.imdb.com/title/tt9288030/trivia/?ref_=tt_trv_trv

Unterschiede zwischen Buch und TV sind hier analysiert: https://crimereads.com/how-lee-childs-killing-floor-was-transformed-into-reacher/

Er kennt alle Kniffe und weiß genau, was er tut: „Der Roman ist die reinste Form der Unterhaltung. Näher kommt kein anderes Medium an sein Publikum. Stundenlang ist der Leser mit dem Autor ganz allein – und hört ihm zu.

Lee Child genießt seinen Erfolg: „Mit das Schärfste für einen Autor ist, zu sehen, wie Leute dein Buch im Flugzeug oder am Strand lesen, daß Hollywood dich im Zug anruft – und deinen Namen auf den Bestsellerlisten zu sehen.

Alles bereits erlebt. Child ist innerhalb von wenigen Jahren zum Bestseller-Garanten aufgestiegen. Jedes Jahr verkauft er eine Million Romane in 20 Sprachen. Da spielen die Lebenshaltungskosten in New York keine Rolle mehr. Vor ein paar Jahren ist er aus dem teuren London in die noch teurere US-Metropole umgezogen. Amerika war und ist aus mehreren Gründen wichtig für ihn: Er ist mit einer Amerikanerin verheiratet, und seine Karriereplanung als Bestseller-Autor war von Anfang an auf die Staaten ausgerichtet.

Deshalb hat er auch seine Serie über den Ex-Militärpolizisten Jack Reacher gezielt in den USA angesiedelt.

„Es ist der größte Buchmarkt der Welt. Wer ihn erobert hat, dem stehen alle anderen Märkte offen. Durch meine Frau habe ich die USA regelmäßig besucht. Außerdem habe ich in all den Jahren beim Fernsehen eines gelernt: Du mußt dahin gehen, wo du das meiste Publikum erreichst. Die USA sind der größte Thriller-Markt. Ich nenne das meine Basketball-Theorie. Wenn du Basketballspieler werden willst, wirst du in Europa immer nur für die Zweitbesten spielen. Man muß in die Staaten zur NBA gehen, um rauszukriegen, ob man wirklich das Zeug zum Spitzenspieler hat. Dasselbe gilt für Schriftsteller.“

Child ist freundlich und ein Gentleman. Die guten Manieren hat er jedoch nicht aus der Kinderstube: Er stammt aus Birmingham und wuchs mitten in den miesesten Industrieregionen auf, wo man schon ins Krankenhaus mußte, wenn man auch nur mit dem Flußwasser in Berührung kam. Kleine Konflikte wurden mit Fahradketten ausgetragen; alte Narben erinnern an die schönste Zeit des Lebens.

Der 1954 geborene Autor blieb nicht auf der Strecke und studierte Jura, ohne Anwalt werden zu wollen. Von Anfang an war sein Ziel das Showbiz. Nach dem Studium ging er zu Granada TV in Manchester, bekanntlich ebenfalls ein urbanes Juwel in der Krone Britanniens.
Die Glotze brachte wichtige Erfahrungen: „Ich habe 17 Jahre lang Fernsehen gemacht. Ich weiß, wie das Spiel funktioniert. Als ich rausflog, war ich für 40.000 Stunden Qualitätsfernsehen mitverantwortlich gewesen, darunter Serien wie „Prime Suspect“ und „Für alle Fälle Fitz“. Das hat meine DNS auf spannende Unterhaltung programmiert.“

Mit 41 war sein Leben auf Null gestellt: Granada TV feuerte ihn 1995. „Es war diese typische 90er-Jahre-Nummer“, sagt Child. „Wenn Sie Ihren Job behalten wollen, müssen wir Ihr Gehalt halbieren.“ Da er Gewerkschaftsaktivist war, stand er nicht auf der Wunschliste anderer TV-Gesellschaften und wurde freudig gefeuert.

Also setzte er sich hin und schrieb innerhalb weniger Wochen seinen ersten Thriller „Größenwahn“, dessen Protagonist Reacher ganz anders war als die aktuell üblichen: „Ich wollte einen großen, starken Mann, ohne Bindungen und ohne die üblichen Freunde und Liebschaften – vor allem keinen blinden oder tauben Hobbykoch mit Alkohol- und Beziehungsproblemen. Reacher bleibt mysteriös. Zuviel über ihn zu wissen, wäre das Ende der Serienfigur. Nach dem ersten Buch dachte ich, der Kerl ist viel zu barbarisch für weibliche Leser. Ich hatte mich total geirrt. Frauen sind die größten Fans.

In jedem seiner Bücher findet man allerdings auch starke Frauen, die jedem Ballermann-Macho den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Reacher verbindet Schwarzeneggers körperliche Kraft mit der analytischen Brillanz eines Sherlock Holmes und der militärischen Ausbildung eines Special-Forces-Soldaten: „Braungebrannt und in bester Form, wie ein mit Walnüssen vollgestopftes Kondom.“
Trotzdem ist Reacher eher eine Hard-boiled-Version von Neal Cassady als ein Marvel-Held – denn im Grunde ist er auf der Flucht vor Enge, Uniformität und Erstarrung.

Der Noir-Held als Beat.

Nirgends Verwandte, er schuldet niemanden Geld, hat nie jemanden betrogen oder irgendwelche Kinder gezeugt. Sein Name steht auf so wenigen Dokumenten, wie es einem Menschen überhaupt möglich ist. Der ruhelose Rumtreiber, der fast sein ganzes Leben außerhalb der USA verbracht hat, bewegt sich wie ein Außerirdischer durch God´s Own Country. Eine Inspiration für Reacher war John D. MacDonalds großartige Travis-McGee-Serie.

Mit seinem distanzierten Blick gelingen dem Autor treffende Schilderungen der amerikanischen Landschaft, der diese Spannung aus Realität und Mythos innewohnt. Nebenbei erklärt er, wie mies die Mythologen des freien Unternehmertums heute Geschäfte machen und dabei begeistert über Leichen trampeln.

Der verwahrloste Kontinent liefert die Weite, die er braucht. Die Unabhängigkeit und Bindungslosigkeit von Reacher ermöglicht es Child, mit jedem Roman eine andere Art von Thriller zu schreiben.

Als alter Fernsehprofi weiß ich natürlich genau, auf welche starken Strukturen ich verzichte, indem ich meinem Helden keine Soap-opera-Elemente mitgebe, die Leser oft an Serienfiguren binden. Andererseits kann ich einen Roman als psychologisches Kammerspiel machen und den nächsten als Polit-Thriller auf höchster Ebene. So halte ich die Serie frisch, ohne dass sie in ihren eigenen Klischees erstickt.

Seine Mischung aus Hard-boiled-Krimi und faktengespicktem Polit-Thriller gehört im Genre zum heißesten, sein Thriller-Konzept (eine zeitgemäße Mischung aus Ian Fleming, Peter O´Donnell und John D. MacDonald) schafft es, aus längst dahingestorbenen Plots noch Vitalität zu holen. Obwohl – auch das muss gesagt werden -: Abgewichste Krimi-Fans durchschauen die Handlung auf halber Strecke. Trotzdem bleibt man dran, was für Childs Erzählkunst spricht.

Sein Stil hat nichts mit dem expressionistischen Minimalismus der Hammett-Ästhetik zu tun, sondern ist eine gelungene Synthese aus britischem Suspense-Thriller und amerikanischer Hard-boiled-Literatur. Die Reacher-Romane sind süchtig machende Page-Turner, und die Fans bitten flehentlich darum, ihnen jährlich statt einem Roman doch bitte zwei in den Rachen zu rammen.

Seit 1998 lebt Lee Child in Westchester, New York – mit seiner Frau Jane, der erwachsenen Tochter Ruth und der kleinen Hündin Jenny.
„Deshalb komme ich so gerne nach Europa: um andere Raucher zu treffen“, sagt Lee Child und steckt sich eine weitere Zigarette an. Und was hätte er gern auf seinem Grabstein stehen? „Hier liegt ein Kerl, der niemanden bösartig behandelt hat und seinen Unterhalt bestritt, ohne den Planeten auszuplündern.“

Unseren Segen hat er!

P.S.: Lee Child war der erste (Kriminal)literat, der zumindesr dezent die Nerd-Kultur berücksichtete/nutzte. Die TV-Serie trägt dem dezent Rechnung, in den Auseinandersetzungen zwischen Reacher(Blues) und Finlay(weißer Pop) bei ihren musikalischen Vorlieben.



RUMBLE IN THE JUNGLE- Andy McNabs DIE ABRECHNUNG by Martin Compart

Während mir beim Shooting Star des Polit-Thrillers, Tom Cain, die elend breit getretene Liebesgeschichte ziemlich auf den Senkel ging, kann ich das für Andy McNabs letzten (deutschen) Thriller DIE ABRECHNUNG nicht sagen. Seinem Helden, dem von Schuldgefühlen getriebene Nick Stone, lacht endlich mal etwas Glück: Er ist verliebt in Silke, die deutsche Stieftochter eines Milliardärs und er lebt bei ihr in Lugano. Lugano gefällt Nick ganz gut: „An leberfleckigen Handgelenken baumelten genug Gold und Diamanten, um die Staatsschulden eines Entwicklungslands zu bezahlen und Bob Geldorf genug Kleingeld für einen Haarschnitt übrig zu lassen.“ Silke und ihr Vater wohnen natürlich in bester Lage mit Blick auf See und Bankenviertel. „Manchmal fragte ich mich, ob Stefan dieses Haus gewählt hatte, weil sein Geld dort unten im Tresorraum einer Bank lag und er die ganze Nacht am Fenster sitzen und beobachten konnte, wie sich Zinsen ansammelten.“ Natürlich ist Papa ein Riesenarschloch. Der Ex-Special Force (SAS) McNab weiß nur zu gut, für welche Kretins er 19 Jahre sein Leben riskiert hat und wie er ununterbrochen von den Regierenden verarscht wurde. Silke hat den weit verbreiteten Schuldkomplex ihres Milieus, macht aber etwas dagegen: Sie arbeitet für eine weltweit operierende Hilfsorganisation. Eines Tages verschwindet sie ohne ein Wort. Nick, den der Stiefvater sofort rausschmeißt, erfährt das Ziel ihrer Mission. Die Ituri, Provinz im Ost-Kongo! Und Nick erfährt auch, das just dieses Gebiet mit seinen Minen das Ziel einer Großoffensive von Joseph Konys Gods Resistance Army ist. Kony sollte man googeln. Er ist momentan der wahrscheinlich durchgeknallteste Menschenfresser, der in Afrika kein offizielles Amt einnimmt. Er möchte gerne mit seinen Kindersoldaten aus Uganda einen Staat machen, der nach den zehn Geboten ausgerichtet ist. „Der Typ war so durchgedreht, dass er glaubte, Fahrräder dienten nur dazu, die Behörden über seinen Aufenthalt zu informieren – wer mit einem Fahrrad erwischt wurde, bekam die Füße abgehackt. Und jetzt schien er seine Aufmerksamkeit auf den kongolesischen Bergbau zu richten.“ Nick zögert nicht lange. „Ich wusste nur, dass ich Silky aus dem Scheißland holen wollte.“
Er mobilisiert alte Söldnerkontakte, reist in den Kongo und tut, was ein Mann tun muss. Und das so authentisch, wie es nur jemand mit McNabs Background schreiben kann. Der Plot erinnerte mich etwas an den zweiten Teil meines Romans DIE LUCIFER CONNECTION. Da musste ich mal tief Luft holen. Hat es ein Andy McNab wirklich nötig, in meinen Schubladen zu wühlen? Mit seiner Ausbildung hätte er das durchaus hinkriegen können. Nee, in England ist der Roman bereits 2006 erschienen. Also werde ich vielleicht künftig mit dem Vorwurf leben müssen, von diesem Roman inspiriert worden zu sein. Was nicht stimmt, denn während des Schreibens kannte ich ihn noch nicht. Und irgendwie sind sie doch sehr unterschiedlich und McNab ist zweifelsfrei der bessere Autor.

McNabs zynische Nick Stone-Thriller sind eine Synthese aus Ian Fleming und Eric Ambler. Er ist sehr stark in der Analyse zeitgenössischer Konflikte, die er geschickt wie Forsyth als Katalysator für die Handlung einsetzt. Er schreibt wahrscheinlich die besten Action-Szenen im aktuellen Polit-Thriller; sie atmen alle die Erfahrungen des Ex-Spezialisten, der 1993 als höchstdekorierter Soldat der britischen Armee aus den Dienst schied. Mit seinen Erinnerungen an den Irak-Krieg, BRAVO, TANGO, ZERO (verfilmt mit Sean Bean) gelang ihm der Durchbruch. Es ist das meistverkaufte Kriegsbuch aller Zeiten und mit jedem neuen Thriller scheffelt er Millionen. Als aktiver Soldat war er einst Gefangener Saddam Husseins und wurde zwei Monate lang gefoltert. Er steht immer noch auf der Todesliste verschiedener Organisationen und niemand kennt sein Bild: Im Fernsehen oder bei Lesungen tritt er nur maskiert auf (oder wird im Schatten abgefilmt). Der eifrige Autor (mindestens zwei Bücher pro Jahr und unzählige Artikel) gehört in England zu den bekanntesten Personen; dort hat sich seine Autobiographie eine Million mal verkauft!
Außerdem ist er der Wegbereiter für etwas, dass man inzwischen fast als ein Subgenre bezeichnen könnte: Thriller früherer Special Force-Angehöriger wie etwa Chris Ryan oder Mike Curtis. Im deutschsprachigen Raum pflegt ihn Blanvalet seit geraumer Zeit und seine Fangemeinde wächst. DIE ABRECHNUNG mit seiner 50seitigen Schlachtszene zu Beginn ist ein guter Einstieg für neue Leser, aber um die volle Droge zu bekommen, sollte man die Stone-Thriller chronologisch von Anfang an lesen.

Andy McNab: Die Abrechnung. Blanvalet 37028, 2008. 443 Seiten, 8,95 gut angelegte Euro.

Artikel bei amazon.de



MISTER DYNAMIT – DER DEUTSCHE JAMES BOND 7/ by Martin Compart
28. Oktober 2009, 3:46 pm
Filed under: Bücher, Crime Fiction, Film, Heftroman, James Bond, Krimis, Mister Dynamit, Politik & Geschichte, Porträt | Schlagwörter: ,

Experten wie der österreichische Autor und Verleger Josef Preyer erkannten schon als junge Leser die höhere Qualität von Guenters Texten im Vergleich zu denen anderer „Kommissar X“-Autoren. Guenter war so etwas wie der Star-Schreiber des Pabel-Verlags, ohne daß sein Name auf dem Titel genannt wurde.
Aber das sollte sich bald ändern: 1963 begann er über einen neue Figur nachzudenken.
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„Nachdem ich die Figur entwickelt hatte, habe ich mir Zeit gelassen. Denn ich wollte „Mister Dynamit“ nicht in die Hände des Verlegers geben. Hätte ich seinerzeit gesagt, ich schreibe euch monatlich einen Roman, dann wäre die Antwort gewesen: O. K., Sie schreiben, alle Rechte bei uns. Das stand für mich nicht zur Debatte.“

Genau das hatte Guenter mit „Kommissar X“ erleben müssen. Es war damals allgemein üblich, daß die alleinigen Rechte an einem Serienhelden bei den Heftverlagen blieben. Das mußte auch der angebliche „Jerry Cotton“-Erfinder Werner Höber schmerzhaft erfahren. Er ging vor Gericht, um seine Urheberrechte gegen den Bastei-Verlag durchzusetzen – und verlor. Für die Verlage war diese Regelung auch deshalb vorteilhaft, weil sie verschiedene Autoren für dieselbe Serie einsetzen konnten.
nd108[1]
„Als dann der Verleger kam und monatlich einen Roman wollte, war das natürlich ein Erfolg. Ich konnte fordern. Heute habe ich als einer der wenigen Autoren die kompletten Weltrechte an meinen Romanen. Und „Dynamit“ wird immerhin in die USA, Frankreich, Brasilien, Italien und und und übersetzt.us1v[1]
Der Verlag hat versucht, ein Modell zu finden, daß ich gewisse Teile meines Vertrages in Form von Generallizenzen abgebe; um Vater Guenter zu entlasten. Doch ein passender Co-Autor ist nicht aufzustellen. Er muß ja ein guter Autor sein, der Ideen produzieren kann, der Phantasie hat, technisches Allgemeinwissen. Solche Leute lassen sich für Mister Dynamit nicht einspannen.“

Um Monat für Monat einen neuen Roman abzuliefern, bedarf es Disziplin. Für einen Profi wie Guenter war das kein Problem. Mit der Zeit wurde ein Ritual daraus:

„An den Entwurfstagen, wenn ich in Stimmung bin für die Geschichte und das jeweilige Land, setze ich mich hin. Da habe ich den Titel, da habe ich ungefähr den Aufhänger, mehr brauche ich nicht. Dann wird Kapitel für Kapitel entworfen, jedes Kapitel maximal vier Zeilen. Der ganze Romanentwurf muß auf ein Blatt passen, eng beschrieben. Das schreibe ich prinzipiell dreimal, an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Dann steht die Geschichte. Anschließend setze ich mich morgens hin, nicht vor halb zehn, und schreibe 15 bis 20 Druckseiten. Das sollte nach Möglichkeit – der Nachmittag schadet der Literatur, gleich welches Niveau sie hat – bis halb eins erledigt sein.
Der Roman muß in einem Zug durchgeschrieben werden, das dauert etwa zehn bis zwölf Tage. In diesen Tagen erlaube ich mir keine Exzesse. Es kommt noch Roh- und Reinschrift. Die wird noch mal endgültig überlesen und fertig, der Roman landet versandfertig in meinem Tresor. Das habe ich bei meinem ersten Dynamit so gemacht, das mache ich auch beim letzten so.“
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Mehr als 30 Jahre folgte er diesem Schema und wurde einer der wenigen wohlhabenden deutschen Schriftsteller. Er lebte gutbürgerlich mit seiner Frau und zwei Töchtern in München – doch er konnte aufgrund der deutschen Besonderheiten im Verlagsgeschäft nicht so am Erfolg partizipieren wie etwa angelsächsische Bestseller-Autoren.

„Ich schreibe für ein Festhonorar, dem eine gesunde Mischkalkulation zu Grunde liegt. Die Rechnung mit den Prozenten, bei der am Ende 75.000 Mark pro Roman herauskommen, geht daher nicht auf.“

Nachdem „Mister Dynamit“ 1992 eingestellt wurde, schrieb Guenter für den Ullstein-Verlag Seekriegsromane. Ab 1999 veröffentlichte der Oerindur-Verlag einige „Kommissar X“- Klassiker und unveröffentlichte „Mister Dynamit“-Romane in schön gestalteten Sammlerausgaben. Diese Ausgaben sollen künftig im Blitz-Verlag fortgeführt werden.

Karl Heinz Guenter starb am 5.Juni 2005.

Aber „Mister Dynamit“ lebt! Die Fans durchforsten Antiquariate und Internet nach fehlenden Romanen. Dank der Arbeit von Josef Preyer, der in den Neuauflagen der Klassiker genau recherchierte Check-Listen der Romane veröffentlichte, ist Guenter wieder in und wird besonders von einem intellektuellen Publikum entdeckt, das früher nur die Nase gerümpft hätte. nd103[1]
So schrieb etwa Peter Hiess, der Vorzeigeintellektuelle des großartigen Internet-Magazins EVOLVER, in einer Würdigung als Dr. Trash:

„Persönlich durfte der Doc den großen deutschen Schriftsteller, der „Kommissar X“ und „Mister Dynamit“ erfand, leider nie kennenlernen, obwohl er ihm einige der schönsten Stunden seiner Jugendzeit verdankt. Sparen Sie sich die hämischen Bemerkungen! Das war DAMALS, als man die Pubertätsjahre noch nicht mit Techno und Tattoos vergeudete, sondern mit wertvoller Lektüre aus der Romantauschzentrale …
1963 trat dann ein neuer Held auf den Plan: Urban, Bob Urban. Seine Gegner fürchteten den Agenten des deutschen Nachrichtendienstes BND als „Mr. Dynamit“, seine Fans horteten die monatlich erscheinenden Abenteuer der gelungenen James-Bond-Lokalausgabe im Taschenbuchregal. Und Guenter jagte 15 bis 20 Druckseiten pro Tag aus seiner Schreibmaschine – 300 Bände lang.
Für den Anhang des neuaufgelegten „Kommissar X“-Bands „Der Mann aus dem Nichts“ verfaßte Guenter übrigens eine „ultimative Schreibschule“. Darin heißt es: „Beim Schreiben ist es wie beim Telefonieren: Fasse dich so kurz, wie es geht. Mein erster Verleger hat mir pro Roman nur einen einzigen guten Satz erlaubt. Schreibst du den guten, so an die zehn Meter langen Satz, mußt du zusehen, daß du grammatikalisch elegant aus ihm herauskommst. Und nicht vergessen: dein Leser auch.“
Aus diesen Worten spricht der Profi, der ungeniert kommerzielle Autor, der jahrzehntelang A. für die Leser und B. für Geld arbeitete, ohne sich bei Podiumsdiskussionen als Künstler aufzuspielen. Und der genau deswegen so gut war. C. H. Guenter wird – und sollte – uns fehlen. Der Doc trinkt jedenfalls einen großen Schluck Whisky auf ihn.“

ENDE



MISTER DYNAMIT – DER DEUTSCHE JAMES BOND 6/ by Martin Compart
2. Oktober 2009, 6:57 am
Filed under: Bücher, Crime Fiction, Heftroman, James Bond, Krimis, Mister Dynamit, Politik & Geschichte, Porträt | Schlagwörter: , ,

Für die Serie „Rothaut“ schrieb er die Hefte „In die Falle gelockt“ und „Am Marterpfahl“, aber auch auch utopische Romane. Unter dem Pseudonym Joe Amsterdam folgten Abenteuerromane wie „Kein Weg aus Shanghai“, und schließlich schrieb er auch Romane für die Reihe „Der Landser“ – unter seinem eigentlichen Namen Karl-Heinz Günther: „Die Wölfe von Antwerpen“, „Aktion Wetterfrosch“, „Flammen über Venedig“ …
Doch seine große Stunde sollte bald kommen. In Bergisch Gladbach hatte der ehemalige Leutnant Gustav H. Lübbe seinen Bastei-Verlag gegründet, der sich ebenfalls auf Heftromane konzentrierte. Heute ist er auch ein angesehener Buchverlag mit Bestsellerautoren wie Dan Brown oder Ken Follett. Dabei sollte man nicht vergessen, daß diese Programmerweiterung einem FBI-Agenten zu verdanken ist, der seit 1956 ununterbrochen Woche für Woche seine Fälle im Heftroman ausbreitet: „Jerry Cotton“. Cotton war die Gans, die Bastei jahrzehntelang die goldenen Eier legte. 1956 gestartet und heute immer noch in mehreren Heften und Taschenbüchern am Kiosk, ist er zum Synonym für den Heftkrimi schlechthin geworden. Sein Erfolg kam schnell und hielt an. Ende der 50er Jahre ließ er die Konkurrenz aufhorchen: Wie heute im Fernsehen üblich, wurde jedes erfolgreiche Konzept umgehend von den Konkurrenten kopiert.
Der damalige Verlagsleiter des Pabel-Verlags beauftragte Guenter, eine Krimiserie zu entwickeln, die Cotton Paroli bieten könne. Guenter wollte keinesfalls einen weiteren FBI-Agenten als Protagonisten. Das wäre als Kopie – es gab bereits einige Agenten, die heute längst vergessen sind – zu offensichtlich gewesen, und man hätte das Original wohl kaum übertreffen können. Außerdem war Guenter ein Mann mit Ehrgeiz und Phantasie, der sich nicht mit plumpen Plagiaten abgeben wollte. Er entwickelte daher den New Yorker Privatdetektiv Jo Walker, genannt „Kommissar X“, der mit seinem Freund, Polizei-Captain Tom Rowland, das Verbrechen bekämpfte. Eine zusätzlichen Reiz bot die Serie durch exotische und internationale Schauplätze. Während Jerry Cotton bis auf wenige Ausnahmen nur in den USA agieren durfte, tummelte sich Kommissar X in der ganzen Welt. Guenter schickte ihn, wie später den noch polyglotteren Mister Dynamit, rund um den Planeten, nach Hongkong, Monte Carlo oder Thailand. Bereits damals ließ er viel Lokalkolorit in die Geschichten einfließen. kx1[2]
Heft 73, „Drei gelbe Katzen“, das Kommissar X nach Siam (heute Myanmar) führte, gilt als Klassiker des Abenteuerkrimis. Die Serie wurde 1959 ohne Werbemaßnahmen eingeführt und erreichte schnell eine wöchentliche Auflage von 40.000 Exemplaren. Bald folgten Abenteuer im Taschenbuch und wie bei Cotton eine Filmserie, die es zwischen 1965 und 1971 immerhin auf sieben Kinofilme brachte.
Bis 1964 schrieb Guenter unter dem Verlagspseudonym Bert F. Island 58 Heftromane und 51 Taschenbücher. „Kommissar X“ brachte es auf 1740 Heftromane, bevor er 1992 eingestellt wurde. Damals begann die Krise des Heftromans. Während man in den 60er Jahren Serien einstellte, die weniger als 20.000 Exemplare verkauften, kann man heute von solchen Absatzzahlen nur träumen.



MISTER DYNAMIT – Der deutsche James Bond 5/ by Martin Compart
12. September 2009, 7:44 am
Filed under: Crime Fiction, Heftroman, James Bond, Krimis, Mister Dynamit, Politik & Geschichte, Porträt | Schlagwörter: ,

Karl-Heinz Günther wurde 1924 in Nürnberg geboren. Mütterlicherseits stammte er aus Frankreich. In Nürnberg ging er zur Schule und machte das Abitur.
Bis zur mittleren Stufe meiner schulischen Ausbildung war ich nicht imstande, auch nur einen vernünftigen Aufsatz zu schreiben.
1942 wurde er zur Marine eingezogen, ein Jahr darauf nahm er als Seeoffizier an den Kampfhandlungen teil, unter anderem auch an U-Boot-Einsätzen. Diese Erfahrungen sollten später in seine Seekriegsromane für den Ullstein-Verlag einfließen. Nach dem Krieg wollte der begeisterte Jazz-Fan eigentlich Musik studieren. Aber es kam anders: Er lernte Lotte kennen, heiratete früh und mußte sieben Jahre das Geschäft seines Schwiegervaters führen. Nebenbei schrieb er Schlagertexte und erste Erzählungen.
Etwa zur selben Zeit hatte Erich Pabel seinen Verlag neu gegründet, den alten hatte er in der sowjetischen Zone zurücklassen müssen. Anfangs trug der alte Pabel seine Produkte im Rucksack durchs Land und verkaufte direkt an Kioske und Endverbraucher – ganz in der Tradition der Kolportage des 19. Jahrhunderts, in der auch seine Produkte standen. Aus Kostengründen produzierte er billige Groschenhefte. Nachdem erstmal ein Vertrieb aufgebaut worden war, wurde Pabel zu einem Big Player in diesem Geschäft.guenter2[1]
Die 50er und 60er Jahre waren das goldene Zeitalter des Heftromans, auch abwertend Groschenheft genannt. Es war ein gewohnter Anblick, in Heftchen vertiefte Arbeiter in Bussen oder Straßenbahnen auf dem Weg zur Schicht zu sehen. Lesen war Volkssport, Hefte konnte sich jeder leisten und sie auch verstehen. Gleich nach dem Krieg wurde das Medium wiederbelebt, das mit Serien wie „Buffalo Bill“, „Nick Carter“, „Lord Lister“, „Percy Stuart“, „Billy Jenkins“, „John Kling“ oder „Rolf Torring“ von der Kaiserzeit bis ins Dritte Reich zur deutschen Popkultur gehörte und ungeheuer beliebt war.
Viele kleine und größere Verlage tummelten sich an den Kiosken und konkurrierten erbittert mit Serien aus allen Genres um die Gunst der Käufer. Es gab alles: Liebesromane, Piratengeschichten, Western, Science Fiction – und natürlich Krimis. In dieser Branche waren nicht die Druckmaschinen für die Autoren da, sondern umgekehrt. In den 60er Jahren kam es zu einer Marktbereinigung, bei der natürlich nur die größten Verlage übrigblieben.
Heute gibt es nur noch den Hamburger Kelter-Verlag, Moewig-Pabel in Raststatt mit dem Dauerbrenner „Perry Rhodan“ und den Bergisch Gladbacher Bastei-Verlag. Der Heftroman ist ein sterbendes Medium, dessen ältere Leserschaft wegstirbt, ohne das ausreichend neue Leser hinzukommen.
Diesem Pabel-Verlag schickte Guenter seine Arbeiten. Immer auf der Suche nach Autoren, die professionell und schnell arbeiten, hatte Pabels Schwiegersohn, der den Verlag leitete, den richtigen Instinkt und verpflichtete den jungen Autor.