Martin Compart


SPYTHRILLER: JOHN BUCHAN 1/ by Martin Compart
3. November 2011, 4:53 pm
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                           Buchans Büste von Thomas Clapperton, ca.1930.

John Buchans Held Hannay wird gerne als ein Vorfahre von Flemings James Bond bezeichnet. Was den Bekanntheitsgrad in seiner Zeit (sein wichtigster Roman, THE 39 STEPS, ist seit seinem Erscheinen 1915 bis heute nie vergriffen gewesen und wurde viermal verfilmt)angeht, stimmt der Vergleich auf England beschränkt. Auch war es Buchan, der den Action betonten Spionageroman kreierte. Darüber hinaus war er aber ein ungleich unfangreicher interessierter Mann als Ian Fleming, der viel stärker Zeitbezüge in seine Romane einarbeitete. Wären nicht seine oft aus heutiger Sicht phantastisch anmutenden Plots, seine grandiosen Schilderungen physischer Aktion (die viel seinem Landsmann Robert Louis Stevenson verdanken) und die romantischen Helden, allen voran Richard Hannay, wäre der Blick nicht verstellt auf seine Qualitäten, zeitgenössische Politik zu interpretieren und zu reflektieren.

Buchan schuf mit 39 STEPS nicht nur den Klassiker der romantischen Agenten-Thriller.  Thematisch gewann er fast mit jedem seiner Thriller  neue Themen und Topoi des Genres hinzu: In MR.STANDFAST(1919) etwa, setzt er sich mit der psychologischen Kriegsführung und Unterwanderungstaktiken auseinander, die ein Land von innen bedrohen können. Viel gefährlicher als der Kampf an der Front oder die Jagd auf Saboteure erscheinen ihm feindlichen Demagogen, die durch Zerrüttung des inneren Friedens im eigenen Land für Unruhe sorgen. Für Buchan, der sich in diesem Buch von einem Milnerschen hardliner zum liberalen Konservativen wandelte, geschieht das durch ein geschicktes Manipulieren der sozialen Gegensätze, die im Bürgerkrieg enden könnten.

John Buchan, erster Baron Tweedsmuir von Elsfield wurde am 26. August 1875 in Perth, Peebles-shire in Schottland als ältester Sohn eines presbyterianischen Pfarrers geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Kirkcaldy, Fife (wo auch der Anfang von PRESTER JOHN spielt) und im Tweed Tal an der schottischen Grenze. Es blieben seine Lieblingslandschaften, die auch immer wieder in seinen Büchern geschildert wurden. 1888 ging die Familie nach Glasgow. Er besuchte die Glasgower Universität und anschließend das Bresnose College in Oxford, wo er klassische Philologie und Jura studierte. Schon während des Studiums kündete sich eine glanzvolle Karriere des Hochbegabten an: gerade zwanzig Jahre alt erschien sein erstes Buch und 1897 und 1898 gewann er zwei wichtigeUniversitätspreise, den Stanhope Essay Prize und den Newdigate Prize. Noch während des  Studiums veröffentlichte er zwei Romane, eine Sammlung Gedichte und Kurzgeschichten und eineEssaysammlung. Das führte zu einer Eintragung im „Who’s Who“ noch bevor er einen akademischen Grad errungen hatte.  1899 schloss er sein Studium ab. 1901 wurde er als Anwalt zugelassen, ging aber noch im selben Jahr als Sekretär zu Lord Milner, dem Hochkommissar für Südafrika. Er wurde nach Kapstadt geschickt und kümmerte sich um die Kriegsgefangenenlager in denen furchtbare Zustände für eine ungewöhnlich hohe Sterberate sorgten. Dem kämpferischen Humanisten Buchan gelang es durch Reformen und bessere Behandlung diese Verhältnisse zu ändern. Um dieser Zeit, in der er zum inneren Kreis der „bright young men“ im Londoner Polit-Establishment zählte, wurde sein politisches Bewusstsein nachhaltig geprägt und seine Liebe zu Südafrika vertieft (reaktionäre Bemerkungen über Schwarze, die sich in seinen Thrillern finden, lassen ihn als überzeugten Imperialisten seiner Zeit und als Anhänger der Apartheid erscheinen).

1903 trat er in den Verlag Nelson ein, wo er es bis zum Direktor brachte. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs entstanden fast zwanzig Bücher, darunter Gedichte, Geschichtswerke und erste Biographien.

Sein erster Thriller, THE HALF-HEARTED, war bereits 1900 erschienen. In diesem Buch verhindert sein Held Lewis eine Invasion Indiens durch die Russen. 1910 veröffentlichte er mit PRESTER JOHN einen Roman, der schon auf die späteren Hannay-Romane vorausweist und Buchans Ansichten über Afrika illustriert: Ein junger Engländer verhindert einen Aufstand der Schwarzen, der durch einen diabolischen, „ungewöhnlich intelligenten Neger“ angezettelt wurde. Trotz seiner imperialistischen Ideale, zeichnet den Roman ein gewisses Verständnis der südafrikanischen Situation aus. Erstmals in einem Polit-Thriller (der hier ganz klar in der Tradition der school boy adventure novel steht) taucht auch die Parole „Afrika den Afrikanern“ auf. Noch  heute ist das Buch ein überzeugendes Zeitdokument.

1907 heiratete er Susan Charlotte Grosvenor, mit der er drei Söhne und eine Tochter hatte.

Anfang des Krieges war er Direktor des Reuter-Pressedienstes in London. Unter dem Eindruck des beginnenden Weltkrieges entstand Buchans bekanntestes und in der Geschichte des Spionageromans eine Schlüsselposition einnehmendes Werk: THE 39 STEPS.


4 Kommentare so far
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„Grünmantel“ hat mich ja völlig aus den Socken gehauen. Ein tolles Buch. „39 steps“ fand ich auch klasse. „Mr. Standfast oder Im Westen was Neues“ liegt noch bei mir rum, bin ich bis jetzt stimmungsmässig noch nicht rangekommen. hab es mehrmals angefangen, aber ich glaube zu der Zeit brauchte ich immer ne Portion Noir/Hardboiled.

Auf jeden Fall ein grandioser Autor von Agentenroman.

Kommentar von Sebastian

Interessant, was Du da erzählst: Mir ging es beim ersten lesen ähnlich. Durch STEPS und GREENMANTLE war ich so ein hohes Tempo gewohnt, dass ich bei MR.STANDFAST auch mehrmals ansetzen musste (dann hat es sich natürlich gelohnt). Auch bei PRESTER JOHN, der m.E. einiges Rider Haggard verdankt ging mir das so. Aber irgendwann, spätestens nach einem Drittel, hat mich Buchan immer am Wickel.

Kommentar von Martin Compart

Rider Haggat hab ich auch zwei im Schrank stehen. „Sie“ hab ich zwar noch nicht gelesen, aber dafür „König Salomos Schatzkammer“. Super spannend. Genau so muss ein Abenteuer Roman sein. Dann besorg ich mir mal „Prester John“. Danke für den Tip. 🙂

Wobei ich Ihnen ja so schon soviel zu verdanken habe. Ohne Noir2000 wäre das alles komplett an mir vorbei gegangen, das war jahrelang mein Begleiter auf jedem Flohmarkt oder Antiquariat (steht heute übrigens noch griffbereit im Schrank). Nur mein alter Deutschlehrer hat mich änlich beeinflusst wie Sie (und ohne ihn hätte ich heute die Prosa und Lyrik des Expressionismus nicht für mich entdeckt).

Schöne Grüße
Sebastian

Kommentar von Sebastian

Vor über zwanzig Jahren etwa, gab es bei Heyne innerhalb der SF-und Fantasy-Reihe eine annähernd komplette Rider-Haggard-Ausgabe. Diese Taschenbücher müssten für kleines Geld noch antiquarisch erreichbar sein. Da er sich dann doch häufig wiederholt, habe ich mich damals vor allem auf seine Alan Quartermain-Romane gestürzt.
Von PRESTER JOHN hat es wohl auch zwei deutsche Ausgaben in den 1950ern gegeben.

Danke für die Blumen. Dafür macht man ja solche Bücher: Immer in der Hoffnung, dass sie jemanden Anstösse zu (hoffentlich) literarischen Erfahrungen und Abenteuer geben, wie man sie selbst erlebt hat. Freut mich sehr.

Kommentar von Martin Compart




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