Martin Compart


JAHRESRÜCKBLICK VON JOCHEN KÖNIG 2/ by Martin Compart
2. Januar 2022, 11:56 am
Filed under: JAHRESRÜCKBLICK, Jochen König, MUSIK | Schlagwörter: , , ,

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Literarisch war erneut James Sallis mit seinem Roman „Sarah Jane“ ein stilsichere Bank:
„James Sallis gelingt es wieder auf rund 200 Seiten ein kleines Universum zu erschaffen. `Er konnte den Peloponnesischen Krieg in einem Satz zusammenfassen´, heißt es an einer Stelle. Das trifft auch auf den Autor zu. Sallis gelingen Lebensabrisse in wenigen Sätzen, selbst bei Figuren, die nur am Randeauftauchen. […] Sallis beherrscht die Kunst der Komprimierung. Zugleich poetisch und treffgenau gibter seinen Lesern Raum, das brennende Unausgesprochene zu füllen und den Text
weiterzuentwickeln. Bloße Ermittlungsarbeit und stereotype Spannungsentwürfe spielen dabei kaum eine Rolle. Spannend ist die Sicht Sarah Janes aufs Leben, auf Möglichkeiten, Verweigerungen, verpasste Chancen und die ewig lauernde Unbehaustheit. Die menschliche Existenz als Monster, das sich selbst verspeist.“ (Aus meiner Rezension für Stefan Heidsieks Crimealley- Blog)

Sehr fein war zudem „Frostmond“, das bei Pendragon erschienene Debüt von Frauke Buchholz über
die Mordserie an indigenen Frauen entlang des kanadischen Highways 16, besser bekannt als „Highway of Tears“.

Frostmond ist ein stilistisch präzise artikuliertes, formal und inhaltlich ausgereiftes Debüt. Die
verschachtelte Erzählweise fordert die Leserschaft; ein Abgleiten in die Untiefen des herkömmlichen
Serial-Killer-On-The-Loose-Krimis vom Grabbeltisch vermeidet Frostmond gekonnt.
“ (Kritik auf Krimi-
Couch.de)

Weitere Favoriten sind die Autobiographie Mark Lanegans, der ziemlich schonungslos und nachtschwarz mit sich und seinen Kollegen und Freunden abrechnet, John Mairs „früher
existenzialistischer Roman“ (Eva König) „Es gibt keine Wiederkehr“, die erneute Beschäftigung mit
Patricia Highsmiths exzellentem „Das Zittern des Fälschers“, erstmals in der ungekürzten Neuübersetzung,
„Future Sounds – Wie ein paar Krautrocker die Musikwelt revolutionierten“ von
Chrisszoph Dallach, als Würdigung des ursprünglich despektierlich gemeinten Begriffs „Krautrock“
und der dazugehörenden Musik. Passend zur pandemischen Zeit „Das kleine Weltuntergangs-Lesebuch“ aus der Edition Phantasia „Die schwarze Grippe“.

Die Musik des Jahres 2021 gehört in erster Linie Veteran*innen. Tom Jones bewegte sich mit seinem abwechslungsreichen Werk „Surrounded By Time“ meisterlich auf den Spuren Scott Walkers, Pharoah Sanders veröffentlichte mit Floatings Points und dem LSO ein höchst stimmungsvolles „Promises“ vor, ebenso klasse Charles Lloyd & The Marvels mit dem überzeugenden „Tone Poem“. The The bescherten uns „The Comeback Album“ und klangen als wären sie nie weg gewesen, was noch mehr für die Wiederauferstehung ABBAs gilt, die mit „The Voyage“ nicht nur Corona sondern die letzten 40 Jahre vergessen ließen.

Das weiß ganz sicher auch Steven Wilson zu schätzen, dessen „Future Bites“-Album den ein oder anderen Progger arg verschreckte. Recht so. Mit dem Silver Surfer auf nächtlichen Trips durch die Roller-Disco.

Nick Cave & The Bad Seeds präsentierten endlich Part II der „B-Sides & Rarities“ und zelebrierten eine durchweg gelungene Schwarze Messe.

Direkt aus dem Jahr 1975 schließlich stammt das Doppelalbum von CAN, die Aufnahme eines Konzerts in Stuttgart. Eine klanglich fein herausgeputzte hypnotische Reise in die Vergangenheit und wieder zurück.

Aktuell und dennoch die Vergangenheit immer im Blick haben die mexikanischen Rider Negro mit ihrem psychedelisch rockenden „The Echo Of The Desert“. Nicht nur stimmlich sind THE DOORS die prägenden Schatten an der Wand. Ein Wüstenritt vom Feinsten.

Logan Richardsons „Afrofuturism“ ist ein faszinierendes Werk, das gekonnt Modern Jazz, nachtschwarze Elektronik und verfremdeten Blues präsentiert, voller zeit- und gesellschaftskritischer Bezüge. Ähnlich, nur einen Hauch heller und sentimentaler zeigten sich Orlando Le Fleming + Romantic Funk auf „The Unfamiliar“. Fusion von flackernder Intensität, die an die besten Momente Marcus Millers und den späten Miles Davis erinnern.

Neben den bereits erwähnten Alben, (m)eine Top 20 des Jahres, die ich locker mit gleichwertigen Werken erweitern könnte. Trotz (oder wegen) Corona war 2021 produktiv:
Peter Raeburn – The Dry (OST)
Eldovar – A Story Of Darkness & Light
Stefano Panunzi – Beyond The Illusion
Lingua Ignota – Sinner Get Ready
Lucy Kruger & The Lost Boys – Transit (For Women Who Move Furniture Around)
Nubyian Twist – Freedom Fables
The Weather Station – Ignorance
Grandbrothers – Howth
Cult With No Name – Nights in North Sentinel
Angela Dubeau, La Pietà – Immersion
Abba „The Voyage“ (dafür, dass die Zeit stillsteht)
Steven Wilson – The Future Bites
Can – Live in Stuttgart 1975
Meer – Playing House
The Anchoress – The Art Of Losing
The The – The Comeback Album (live)
Robert Fripp – Music for Quiet Moments (Package mit 10 Alben)
Lloyd, Charles & The Marvels – Tone Poem
Floating Points, Pharoah Sanders & The LSO – Promises
Nick Cave & The Bad Seeds – B-Sides & Rarities Part II
Tom Jones – Surrounded By Time

2022 kann kommen. Mit gespannten Wünschen bin ich vorsichtig, das hat 2020 auch nicht hingehauen. Also halte ich es weiter mit Special Agent Dale B. Cooper: „I have no idea where this will lead us, but I have a definite feeling it will be a place both wonderful and strange.“ Immer noch eine hohe Erwartung in einer bizarren Zeit.

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Weiterhin viel Vergnügen mit dem neuen Jahr!
MC


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