Martin Compart


Jahresrückblick 2021 von JOCHEN KÖNIG 1/ by Martin Compart
1. Januar 2022, 2:19 pm
Filed under: JAHRESRÜCKBLICK, Jochen König | Schlagwörter: , , ,

2021, das zweite Jahr mit Corona. Man arrangiert sich, geht sorgsam mit Kontakten um und widmet sich vermehrt all den kulturellen Errungenschaften, die man daheim genießen kann. Konzerte sind komplett ausgefallen oder verschoben worden nach 2022. Immerhin gab es eine Ballettaufführung, und die war fantastisch: Das portugiesische Quorum-Ballett tanzte faszinierend zu Jorge Silvas perkussiven, elektronischen Klängen sowie Igor Stravinskys „The Rite Of Spring“. „Made In China“ verband gekonnt Klassik und Moderne. In Coesfeld.

Derweil fermentierten sich draußen Realitätsagnostiker und „Vorsorgenegierer“ (Eric Cartman) zu einer krakeelenden Masse, in der nahezu unterschiedslos verpeilte Späthippies, besorgte Wutbürger, durchgeknallte Reichsbürger, egozentrierte Freiheitskämpfer und stramme Faschos um Deutungshoheit bettelten. Die Hölle sind diesmal tatsächlich die anderen, die viel zu viel Aufmerksamkeit und mediale Präsenz bekamen. Von mit jetzt schon wieder. Also Schluss damit.

Lieber ab ins Kino, das in der zweiten Jahreshälfte wieder an Präsenz gewann. Abstände konnten halbwegs eingehalten werden, im letzten Viertel war 2G die Regel. Highlight des Jahres war „The Father“ mit einem fabulösen Anthony Hopkins, der ebenso guten Olivia Colman und der sehr geschätzten Imogen Poots. Ein Demenz-Drama aus konsequenter Krankensicht, funktionierte als ergreifende Charakterstudie wie als komplexer Thriller. Keine jämmerliche Schmonzette mit Honig im Kopf, sondern ein Höhepunkt eines schwierigen Kinojahrs.

„Dune“ war ein Film fürs Kino, der zu gleichen Teilen gefiel wie nervte. Bilder und schauspielerische Leistungen waren ein Fall für die große Leinwand, die Story nervte im Erlösermodus wie eh und je und litt – unverdient – darunter, dass edine menge Filme wie „Star Wars“ oder Serien wie „Game Of Thrones“ bei „Dune“ gelernt haben. Ein störender Nervfaktor war die ständige Hans Zimmer-Musikberieselung, die selbst eine schlichte Umzugsaktion zum majestätischen Akt hochstilisierte. Nicht ganz so toll auch, dass die schnell geschnittenen Kampfszenen in dem ansonsten langsamen Film offensichtlich auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet waren.

Hans Zimmer versorgte auch den lang hinausgeschobenen „Keine Zeit zu sterben“, den letzten Film mit Daniel Craig im James Bond-Modus, mit Musik, fällt hier aber nicht unangenehm auf. So richtig gelungen ist das viel zu lange Werk aber nicht. Wer 007, zumindest partiell, als Jammerlappen erleben möchte, dazu mit Remy Malek einen viel zu geschwätzigen Bösewicht, der ist hier richtig. Reichte in Deutschland für den erfolgreichsten Film des Jahres. Weltweit sieht es eher mau aus. Besser als „Spectre“, was nicht schwer ist, aber zerfasert und inkonsequent. Die weibliche 007-Nachfolgerin bleibt eine bloße Behauptung, am Ende muss der „wahre“ Bond wie üblich die Welt retten. Mit Stoffhäschen im Hosenbund. Was der Figur den Rest gibt.

Lohnend vor allem wegen des Kurzeinsatzes der wunderbaren Ana Des Armas (die schon in „Knives Out“ hervorragend mit Daniel Craig harmonierte, die dem Agenten mit Schwung, Eleganz und Witz zeigt, wie’s geht.

James Bond hat als konservative Ikone der Popkultur seine Berechtigung, ein Relikt ist er seit Jahrzehnten, da braucht es keinen sorgenzerfurchten Craig, um das zu belegen. Gebrochene Antihelden gibt es an jeder Straßenecke, von Jason Bourne bis Batman, das Bond-Franchise hätte besser auf schwarzen Humor und 007s Qualitäten als Stehaufmännchen setzen sollen. So bleibt mit „Casino Royale“ ein starker Ersteinsatz und der Wunsch, dass es beim irgendwann kommenden Reboot wieder bergauf geht mit dem Schüttelfaktor.

Richtige Höhepunkte gab es mit Filmen, die kaum oder gar nicht im Kino liefen. Wie dem düsteren, stimmungsreichen Okkult-Kammerspiel „A Dark Song“ aus Wales, der zwischen „Mandy“ und den „Muppets“ pendelnden Horrorgroteske Willy’s Wonderland“, in der der stoische und schlagkräftige Nicolas Cage kein einziges Wort spricht, aber immer auf die Einhaltung der Arbeitspausen achtet.

Ganz anders geartet die australische Studie in Traurigkeit, „The Dry“. Ein düsterer Country-Noir, in der die Vergangenheit mit der Gegenwart kollidiert und eine starke Geschichte um kleine und große Lügen, tödliche Verstrickungen und Vergebung erzählt. Visuell exzellent umgesetzt, stark besetzt, allen voran brilliert Eric Bana, der Verletzlichkeit und Schuldgefühle ganz fabelhaft hinter scheinbarem Stoizismus verbergen kann. Dazu ein hervorragender Soundtrack, gekrönt von einer herzerweichenden Interpretation des THE CHURCH Klassikers „Under The Milky Way“.

Gefallen hat auch der klaustrophobische Kriegsfilm „The Outpost“, der angesichts des überstürzten Abzugs internationaler Truppen aus Afghanistan, einen noch bittereren Nachgeschmack bekommt, als dieser Kampf auf verlorenem Posten eh schon besitzt.

In der Warteschleife stecken noch „Titane“, Brandon Cronenbergs „Possessor“, „The Censor“, „The House Of Gucci“, „Free Guy“ und einige andere verpasste Werke. Besonderes Schmankerl: Die 4K-Version von David Lynchs „Mulholland Drive“ auf dem Gabentisch.

Seriell sorgten nicht nur aktuelle Produktionen für Freude. Endlich „Justified“ komplett angesehen. Begeistert gewesen. Lakonisch, witzig, herzzerreißend traurig, voll cooler Action und Dialogen zum Eintätowieren. Dazu ein extrem stimmiger Cast ohne Schwachstellen. Ganz vorne natürlich Timothy Olyphant und Walton Goggins, als die berüchtigte Medaille mit den zwei Seiten. Und wieder einmal Kaitlyn Dever, die weit vor „Unbelievable“ klargestellt hat, dass sie eine der besten Jungdarstellerinnen derzeit ist.

Ebenfalls punkten konnte „Southland“, die Cop-Serie, die bei ähnlicher Erzählweise immer etwas im Schatten von „The Shield“ und „The Wire“ stand. Zu Unrecht, denn die Geschichten um Streifencops, Detectives, Gangs und individuell produzierte Alltagsgewalt können auf ganzer Linie überzeugen. Politische und persönliche Implikationen inklusive.

Die erschlagende Vielfalt aktueller Serienschöpfungen führt fast zu Buridans Eselsdilemma. Verhungern zischen zu vielen Heuhaufen. Von denen allerdings bei weitem nicht alle schmackhaft sind.

Gemundet haben aber „Falcon and the Winter Soldier“, gediegene Action mit Witz und etlichen Camp-Momenten, unterhaltsamer als einige Marvel-Kinofilme. Was, wenn auch bei gänzlich anderer Herangehensweise, für „Wandavision“ und „Loki“ gilt. Zum Jahresende bekommt endlich „Hawkeye“ aka der „Ronin“ seinen verdienten Fernsehauftritt. Und Jeremy Renner mit Halee Steinfeld eine würdige Partnerin/Nachfolgerin. Das Äquivalent zu Scarlett Johannsens Florence Pugh. Geschick bei der Besetzung beweist das MCU eindeutig.

Gefallen hat ebenfalls „There Is Only Murder In The Building“, das artifizielle, melancholische-Whodunnit von und mit dem verlässlichen Steve Martin. Im Verbund mit dem aufgekratzten Martin Short und der etwas gegen den Strich gebürsteten Selena Gomez, die perfekt mit den Grandseigneurs harmoniert. Charmant und stilbewusst.

Kein Weg vorbei ging an „Squid-Game“, dem Netflix-Mega-Erfolg aus Südkorea. Plakative, brutale Sozialsatire, die erstaunlich treffend soziale Dissonanzen und Verhaltensweisen anprangert. Konsequent und mutig, dass der sympathischste Charakter stirbt, während der Gewinner der tödlichen Show nicht Darwins erste Wahl gewesen wäre. Angefüllt mit popkulturellen Verweisen, bis hin zur Pier Paolo Pasolinis „Salo oder die 12o Tage von Sodom“ bietet die Serie spannende, partiell nachdenkliche Unterhaltung.
Neu ist daran allerdings nichts, Nicht nur „Das Millionenspiel“ und „Battle Royal“ haben ein ähnliches Feld bereits Jahrzehnte vorher beackert. Dass Grundschüler die Serie in den Pausen nachspielen, lässt allerdings auf mangelnde Aufsichtspflicht schließen. Denn eine Kindersendung ist „Squid Game“ definitiv nicht. Es gibt Menschen, die ziehen die thematisch ganz ähnlich gelagerte japanische Serie „Alice in Bordertown“ vor. Kann man machen, ich habe es nicht bis zur letzten Folge geschafft. Was nicht an der Qualität liegt, sondern weil mir ein zivilisatorisches Untergangsszenario neben der Realität reicht. Vielleicht irgendwann mal eine Komplettierung. Aber nicht jetzt.

FORTSETZUNG FOLGT
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Zu Meine Top-Krimis 2021 von krimiautorenaz: https://krimiautorena-z.blog/2021/12/31/meine-top-krimis-2021/

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Zwar schon älter, aber für mich immer noch ein Video des Jahres! MC


1 Kommentar so far
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Eric Bana war schon in 2000 in Chopper grossartig!
Und in Startrek 2009 als Nero 😉

Kommentar von Martin Däniken




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