Martin Compart


DEUTSCHE KRIMIS FÜR DEN URLAUB by Martin Compart

Da immer mehr Deutsche ihren Urlaub in deutschen Landen verbringen, hier ein paar Tipps deutscher Kriminalromane für deutsche Liegestühle:

Ulrich von Berg hat einen der härtesten Jobs der Republik: Er betreut die Bücher-Seite im Fußball-Magazin 11 FREUNDE. Zu den härtesten Aufgaben zählt dabei die Lektüre so genannter Fußball-Krimis, eine besonders perfide Unterabteilung des deutschen Regionalkrimis, meist bedient von extrem talentfreien Autor…, nein, Schreibern.
Der deutsche Regionalkrimi atmet bekanntlich jenes provinzielle Bewusstsein, das Leser hoffen lässt, dass alles bleibt wie es ist, wenn man nur an seiner Spießerideologie festhält. Deshalb sind die richtig geschriebenen Straßennamen auch so wichtig: Sie bestätigen dem Leser seine eigene kleine Lemuren-Realität. Seiner selbst nicht mehr sicher, vermitteln Straßennamen, Geschäftsaufzählungen und Restaurantschilder (denn darauf reduziert sich zumeist die literarische Umsetzung dieser Autoren) eine wohlige Einbettung in eine beklagenswerte Gemeinschaft. Im deutschen Krimi sind selbst Serienkiller (sie Veith Etzold) von biederer Diabolität.

Der Unterschied zwischen deutschen- und englischen Provinz-Krimis lässt sich sehr schön in e4inem Fernsehbeispiel erkennen: Man vergleiche etwa MORD MIT AUSSICHT oder ähnliches mit INSPECTOR BARNABY: Beide haben hirnrissige Plots, aber BARNABY hat Charme (und verfügt über handwerkliche Fähigkeiten – von Schauspielführung bis Timing und Schnitt -, von denen man hier nur träumen kann) und einen größeren Wortschatz.


Dass der kommerzielle Fußball reich an kriminellen Handlungen (auch außerhalb gähnend langweiliger Spiele) ist und somit Stoff für Krimis sein kann, verwundert nicht. Umso ärgerlicher, dass ein hochkarätiger Autor wie Philip Kerr mit seiner Fußballserie enttäuschendes abliefert. Einen akzeptablen oder gar guten deutschen Fußball-Krimi zu finden, ist so selten wie eine gute deutsche Pop-Band mit einer Front-Frau, die nicht durchnummeriert sein sollte. Und diesen sucht der arme Uli Monat für Monat fast vergeblich. Wenn er mal der Meinung ist, ein so seltenes Pflänzchen entdeckt zu haben und es mir zukommen lässt, hat das Gewicht. Denn bei Kriminalliteratur ist Herr von Berg ähnlich streng wie ich.

Jens Kirscheneck ist es tatsächlich gelungen, einen deutschen Fußball-Krimi vorzulegen, der dem Autor nicht peinlich sein muss. SCHWEINE BEFREIEN liest sich schnell und macht Spaß wegen skurriler Charaktere und gut gezeichneter Handlungsorte (tatsächlich führt das Buch aus der deutschen Provinz hinaus bis Kroatien). Fußball-Afficionados werden schnell erkennen, dass der fiktive FC Teutonia nichts anderes ist, als die Verschlüsselung des Skandalvereins Arminia Bielefeld. Dass der Roman sein Tempo hält, liegt auch an der Erzählweise in der 3.Person Gegenwart. Eine riskante Technik, die leicht in die Hose geht und peinlich wirken kann. Aber Kirscheneck hält den Ball flach und schnell im Spiel und es gelingen ihm ein paar überraschende Pässe.

Ein besseres Lektorat hätte ein paar unnötige Schwalben verhindern können. Da das Buch aber auch satirisch funktioniert (die Blödheit der Medien beschränkt sich bekanntlich nicht nur auf Fußballkommentatoren), hat man auch auf dieser Ebene seinen Spaß.

In Großbritannien ist der Spanische Bürgerkrieg ein Trauma. Viele Briten fanden den Weg zu den internationalen Brigaden (George Orwell) oder zum NKWD (Cambridge Spies). Noch heute wird der Krieg in Romanen, Filmen und besonders Thrillern thematisiert. Ein deutscher Kriminalroman, der dies getan hätte, ist mir nicht bekannt.

Bis jetzt.

„Nina ist ein Rollergirl, hart im Nehmen aber auch nicht zimperlich dabei sich zu wehren. Durch ihre Reizbarkeit verliert sie fast ihren Job bei einer Berliner Security-Firma. Zu ihrem Glück ist sie jedoch als Halbspanierin die ideale Besetzung um die Kunsthistorikerin Uta nach Barcelona zu begleiten. Uta will dort das Schicksal eines deutschen Künstlers aufklären, der als Interbrigadist im Bürgerkrieg verschollen ist. Nina kennt nicht nur Barcelona bestens, auch die Geschichte ihrer eigenen Familie ist aufs engste mit der des Bürgerkrieges verflochten. Aber während sie mit den Nachforschungen beginnt und sich dabei zunehmend von Uta angezogen fühlt, entgeht ihr völlig, dass sie längst in einem viel komplexeren Spiel als Bauernopfer eingeplant ist.“

Wenn Frank Westenfelder einen Thriller vorlegt, sind die Erwartungshaltungen natürlich hoch. Der studierte Historiker betreibt die beste Seite über das Söldnerwesen (http://www.kriegsreisende.de/ ) und schrieb mit KRIEGSREISENDE (ebenfalls bei twentysix, 2016) das deutsche Standardwerk zur Kulturgeschichte des Söldnertums.

Sein Roman steht klar in der hard-boiled-Tradition. Mit seiner lesbischen Protagonistin, die ihr hohes Aggressionspotential gerne auslebt, bringt er einen schärferen Wind in die deutsche Kriminalliteratur, die ja hauptsächlich aus ebenso langweiligen wie vorgeblich sensiblen Ermittlern besteht und entsprechende Literatur und Fernsehen zu Orten des Grauens macht. Die zunehmende Brutalisierung weiblicher Protagonisten ist nur vordergründig Ausdruck von Emanzipation; tatsächlich bestätigt sie die zunehmende Einbindung der Frauen in das männliche Wertesystem. Aber darum geht es dem Autor nicht: Er will für seine Geschichte eine treibende Action-Heldin in der Tradition von Modesty Blaise. Und das schafft er.

Westenfelder lebt seit langem in Barcelona und kennt sich aus. Ihm gelingt es vortrefflich, dem Leser ein Gefühl für die Stadt zu vermitteln, das die üblichen Klischees konterkariert. Insofern ist BLUE LADY IN ROT wahrlich ein Städtekrimi. Denn neben Nina und der Geschichte aus dem Bürgerkrieg ist Barcelona die dritte Hauptperson des Thrillers. Insgesamt ein rasanter Action-Thriller, der neben bizarren Charakteren auch Atmosphäre bietet und verdeutlicht, dass Vergangenheit eben nie zu Ende ist. Ein deutscher Thriller für Leser, die sich eher an internationalem Niveau orientieren als am Biedermeier.


Volker Kutscher gelang das fast unmögliche: Er vermittelte deutschen TV-Serienredakteuren einen Hauch von zeitgeschichtlicher Bildung. Dank ihm und seines Publikumserfolges verkünden sie nun begeistert die schemenhafte Erkenntnis, das es zwischen Mittelalter und „dem bösen Hitler“ noch etwas gab: nämlich Weimar. Ausschlaggebend für den Film-und TV-Produktionen erschütternden Bildungsschub ist der immense Erfolg von Kutschers Serie über den Kölner Kriminalisten Gereon, der nach Berlin geht und im dortigen Spektrum der Weimarer Republik agiert.
Einiges ist „historisch“ sowohl im Roman wie im Comic einer falschen Dramaturgie angepasst: Derartige Großproduktionen, wie im NASSEN FISCH dargestellt, hat es im damaligen Pornofilm nicht gegeben. Und schon gar nicht hätte man dieses illegale Geschäft lautstark in einem Mietshaus des Bürgertums produziert. Die durchs Treppenhaus trampelnde Razzia sorgt auch in der graphischen Umsetzung für unfreiwillige Komik.

Der erste deutsche Krimi-Autor, der sich – stilistisch ungleich eindrucksvoller – in dieser Zeit bewegte, war m.W. Robert Hültner. Der Erfolg von Kutscher sorgt nun jedenfalls für eine TV-Serie, die Tom Tykwer für die Degeto und Sky mit realisiert. 16 Folgen mit einem Budget von ca.40 Mio Euro sind geplant und sollen endlich mal Erfolg im internationalen Markt bringen. Da die Redakteure bis vor kurzem nicht wussten, dass es Geschichte außerhalb von Guido Knopp gibt, konnten sie auch keine diesbezüglichen Konzepte für TV-Serien beurteilen (das war unter Fernsehspiel-Redakteuren bis zu den 1980er Jahren mal anders). Und wenn es etwas gibt, mit dem die Deutschen medial international trumpfen könn(t)en, dann mit ihrer Geschichte des 20.Jahrhunderts. Aber das hat man bisher im Thriller vor allem den Angelsachsen überlassen.

Bei dem Multimedia-Hype um Kommissar Gereon Rath will auch das Altherren-Medium Comics nicht abseitsstehen.

Carlsen ließ von Arne Jysch den Roman DER NASSE FISCH als Graphic Novel umsetzen. Weitere Kutscher-Adaptionen sollen folgen. Das erinnert natürlich an das französische Konzept der Leo-Malet-Adaptionen. Nichts ehrenrühriges. Alles ganz nett, aber graphisch auch nicht originell. Beim ersten Reinschauen könnte man den Eindruck gewinnen, es handle sich um die Umsetzung einer Elliott Ness-Geschichte. Die Action ist im Vergleich mit Tardi eher statisch, die ganze Umsetzung wirkt antiquiert (Angst und typisch deutscher Respekt vor dem zeithistorischen Sujet?). Der Comic liest sich natürlich schneller als Kutschers redundante Wälzer, stört nicht und tut niemanden weh.


3 Kommentare so far
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Zufällig in „Mord mit Aussicht“ reingesäppd!
Zum fremdschämen,die Haas ist nicht betone nicht in der Lage bei einem Stanley-Messer die Schiebeklinge auszufahren um ein Paket zuöffnen …der männliche Kollege muss ihr den ausserordentlich komplexen Mechanismus zeigen…echt gruselig!

Kommentar von Martin Däniken

Wer bei MORD MIT AUSSICHT nicht kotzt, hat einen IQ weit unter einer Amöbe.

Kommentar von Martin Compart

Da ist mir meine Kotze echt für zuschade…
Zapp mal immer wieder hinein-ist wie ein Auto-unfall-Kann fast nicht mit dem Koppschütteln auhören

Das schlimme ist ja man hat eigentlich ne tolle Besetzung von Mädel bis Hallwachs!
Aber wenn wenigstens ein paar mal Leo P.Ard seine Finger im Spiel gehabt hätte wie bei den Marie Brand-Krimis…
(Ach ja M.mAussicht läuft unter Schmunzelkrimis)
Mariele und Hinnerk mag ich zwar nicht aber man hat den Eindruck das man sich Mühe gegeben hat Persönlichkeiten mit echten Ecken und Kanten zuentwickeln,
speziell wenn mal was verk.ckt wurden-Filmfall-technisch!
Sind zwar keine Dominik Graf-Meisterwerke aber es wird nicht mit Verdächtigen herumgeschrien und die Leute benehmen sich nicht total deppert…

Kommentar von Martin Däniken




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