Martin Compart


WASCHBÄRENMÜTZE UND JUMPSUITS – TV-Serien machen Mode 2/ by Martin Compart
1. August 2009, 8:48 am
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AM ANFANG WAR DIE WASCHBÄRENMÜTZE
Die erste Serie, die Mode machte, wurde von den Disney Studios produziert. Für den Sender ABC stellten sie ab 1954 die Anthologie-Reihe DISNEYLAND her. In dieser Reihe wurde ab Dezember 1954 als Dreiteiler die Geschichte des legendären Waldläufers, Indianerkämpfers und Kongressabgeordneten DAVY CROCKETT gezeigt. Fess Parker, der in den 6oer Jahren den nicht minder legendären Westmann DANIEL BOONE spielen sollte, war als Davy Crockett der erste Held der Fernsehgeschichte, der am Ende einer Serie ins Gras beißen mußte, bei der berühmten Schlacht um Fort Alamo. Diese Mini-Serie löste das erste TV-Merchandising aus. Kaum ein Junge, der nicht mit Crocketts Wasch_bärenmütze herumlief. Der Titelsong, „The Ballad of Davy Crockett“, wurde einer der größten Hits des Jahres. Es gab Crockett-Spielzeug, Schlafanzüge, Comics und, und, und. Erstmals erzeugte eine TV-Serie eine echte Merchandising-Industrie, die alle möglichen und unmöglichen Produkte herstellte, die mit dem Namen einer Fernsehpersönlichkeit verbunden wurden und sich deshalb verkauften.In Filmen, Fernsehserien oder Comics aus dieser Zeit, in denen Kinder mitspielen, dann tragen sie fast immer Crocketts Waschbärenmütze.

EMMA PEEL
Ausgehend von der Rock-Musik dominierte der Pop die gesamte Kultur der 60er Jahre. Natürlich auch die Mode. Als Mary Quandt den Mini-Rock entwarf, hatte sie junge Mädchen im Sinn, die bei den wilden Tänzen zur Beatmusik Beinfreiheit brauchten und außerdem ihre feminine Unabhängigkeit demonstrieren konnten. Keine andere Fernsehserie wurde mehr zum Inbegriff des Pop, als MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE, die Pop-Ikonen plünderte und gleichzeitig selber neue hervorbrachte. Bei uns ist die Serie besonders mit Dame Diana Rigg als Emma Peel verbunden. Aber vor Emma Peel war Cathy Gale, gespielt von Honor Blackman in Folgen, die bei uns nie ausgestrahlt wurden.
Co-Produzent Leonard White hatte die Idee, Steed eine moderne, selbstbewußte Frau an die Seite zu stellen. Man suchte ein halbes Jahr, bis man mit Honor Blackman die Idealbesetzung für die schußsichere Judokämpferin und Anthropologin Cathy Gale gefunden hatte. „Ich war etwas Neues fürs Fernsehen. Die erste Feministin in einer Fernsehserie; die erste Frau, die kämpft“, erinnert sich Honor Blackman. In Stiefeln und Lederkleidung verkörperte sie in den frühen 60er Jahren einen Fetisch-Traum. Die Popularität ihrer Stiefel führten sogar zu einem musikalischen Hit: Im Duett mit Partner Patrick MacNee stürmte sie die Hitparade mit dem Song „Kinky Boots“.

Das Angebot die Pussy Galore in GOLDFINGER zu spielen, ließ Honor aus der Serie aussteigen. Die neue, vierte, Staffel wurde dann ganz auf Film produziert. Das Konzept wurde nochmals verändert und führte langsam zu der ungewöhnlichen Mischung, die man heute mit der Serie verbindet. Mit Diana Rigg als Emma Peel fand man die Idealbesetzung für den neuen Frauentyp, der den Produzenten vorschwebte. Bis heute hat sie nichts von ihrem Appeal verloren. Laurie Johnson komponierte für die neuen Folgen das berühmte Avengers-Thema. Jede Folge kostete 30 000 Pfund und wurde in zehn Tagen abgedreht. Mindestens zehn Folgen der Diana Rigg-Staffeln sind im deutschen Fernsehen bei der Erstausstrahlung nicht gezeigt worden; die Blackman-Staffeln überhaupt nicht.
Die nächste Staffel wurde in Farbe gedreht und mehr Science Fiction-Elemente eingeführt (Zeitreise, Unsichtbare usw.). Danach stieg Diana Rigg aus, weil sie zurück zum Theater wollte. Natürlich musste die Erfolgsserie, die schon den Ausstieg von zwei Protagonisten überlebt hatte, weitergedreht werden. Man wollte aber weg von den immer phantastischer gewordenen Geschichten, zurück zu bodenständigerer Kost. Deshalb verstärkte man sich mit dem Produzenten John Bryce, der die realistischere erste Blackman-Staffel realisiert hatte. Es kam zu Streitigkeiten mit Clemens und Fennell, die kündigten und dann durch außergewöhnliche Kompetenzzugeständnisse zurückgeholt wurden. In ihrer Abwesenheit hatte man die Schauspielschülerin Linda Thorson als Tara King verpflichtet, die eher naiv als aggressiv angelegt war. Da die neue Serie in den USA flopte, wurde anschließend die Produktion eingestellt. Wiederbelebt wurde sie als NEW AVENGERS.

Diana Rigg gehörte in den 60er Jahren zu den unanständigen Träumen jedes pubertierenden Heteros. Sie wurde zu einer Stilikone der &0er Jahre. Anfangs schlüpfte auch sie in schwarze Lederkleidung. Eine Lederkorsage mit Stachelhalsband in Sado-Maso-Optik in der Folge „Die Nacht der Sünder“ (A Touch Of Brimstone), , führte sogar dazu, dass die entsprechende Folge in vielen Ländern nicht ausgestrahlt werden durfte. Natürlich nahm damals auch das ZDF Abstand von soviel Ruchlosigkeit.

Der Beginn eines Gangbang?

Für die ab 1966 gedrehten Farbfolgen kreierte man einen neuen, eigenen Stil: In Erinnerung geblieben sind ihre farbigen einteiligen Jumpsuits, von der Produktion „Emma Peelers“ genannt. Modedesigner John Bates entwarf erstmals für eine Fernsehserie eine komplette Kollektion, die von Jean Varon Fashion House ausgeführt und weltweit auf Modeschauen vorgeführt wurde. Neben den zeitlosen Jumpsuits, die erst 15 Jahre Später in der Overallmode Anfang der 80er Jahre durchschlug, entwarf Bates reinste Pop-Mode, wie Franziska Fischer in ihrem Buch „Mrs.Peel, wir werden gebraucht“(Bertz Verlag) berichtet: „Emma Peel trug Mützen mit Zielscheibenmotiv, einem typischen Pop-art-Symbol. Eine andere berühmte Kombination namens Flash bestand aus einer silbernen Hose und einem gleichfarbigen Bikinioberteil. Ein für ihren Stil unabdingbares Accessoire war der Reißberschluß, an Hosen, Schuhen und eleganten Oberteilen angebracht, ein Ausdruck ihrer praktischen Art und ein Symbol für Emmas unverklemmte Sexualität.“ Emmas Partner John Steed war das modische Gegenteil: Mit Dreiteiler, Bowler und Schirm setzte er der konservativen britischen Männermode ein Denkmal